Wenn Dialogprogramme an Grenzen stoßen
Künstliche Intelligenz und menschliche Kommunikation
Ein Kommentar von Stefan Häseli, Experte für Alltagskommunikation
Mensch-Computer-Interaktion. Mensch-Maschine-Kommunikation. Schnell werden Mensch, Schnittstelle und technisches System zu einem großen Ganzen, das im Zuge der Industrie 4.0 bejubelt wird. Doch unterstützten möglichst viele Mensch-Maschine-Systeme tatsächlich unsere Entwicklung? Fordert es uns nicht vielmehr als dass es uns fördert? Verbinden uns die immer komplexer werdenden technischen Möglichkeiten miteinander? Oder trennen sie uns von dem, was uns als Menschen ausmacht? Miteinander zu sprechen, miteinander Probleme zu lösen, miteinander zu wachsen!
Immer mehr Maschinen umgeben uns – im privaten wie im beruflichen Umfeld. Vom Smart Home, das mehr Sicherheit und Komfort verspricht, geht es in die digitale Fabrik an den vollautomatisierten Arbeitsplatz. Und das alles gesteuert von einem mobilen Dialogprogramm. Greifen Technik und künstliche Intelligenz jetzt also auch noch in die letzte Bastion der menschlichen Kommunikation ein? Ersetzen Chatboots, Siri, Alexa oder Google Now den Dialog zwischen zwei realen Menschen?
Wenn der Inhalt perfekt ist
Jein, denn künstliche Intelligenz ist intelligent – so sagt es der Name. Sie lernt, sie kann hören, sprechen, verstehen. Sie kann durchaus einen hohen Intelligenzquotienten aufweisen. Das hat Vorteile. Die Navigationssteuerung beim Auto lässt uns den Blick und die Aufmerksamkeit auf den Verkehr konzentrieren – wir sprechen mit „ihr". Hotelsuche per Smartphone, Kundendienstanliegen beim Telekommunikationsanbieter per Call – alles perfekt. Inhaltlich auf jeden Fall.
Wenn der Ärger keinen Adressaten findet
Woran es hapert, ist die Emotion. Denn eine Emotionale Intelligenz, liebevoll EQ genannt, fehlt der Maschine. Natürlich kann ich dem Kundeninformationssystem sagen, dass etwas nicht funktioniert. Aber wie verärgert ich bin, kann das System nach wie vor nicht erfassen. So intelligent ist es nun doch nicht. Und das ist technisch auch nachvollziehbar: Im Moment ist es eine reine Vertonung der Schriftsprache, bei der Stimme und Körpersprache fehlen.
Wenn das Einfühlungsvermögen fehlt
Wenn wir davon ausgehen, dass die Wort-Kommunikation einst erschaffen wurde, um ein Bedürfnis, einen Wunsch oder ein Befinden auszudrücken, kann das genau das Wort alleine nicht. Es braucht die entsprechende Haltung, die Betonung dazu. Ein Wort wie „super" kann zynisch, nichtssagend, lobend, oder begeistert wirken. Je nachdem, wie es ausgesprochen wird. Auf jeden Fall kann die Aussage diametral anders sein, wenn ich die Feinheiten in der Stimme wahrnehme. Dazu braucht es keine Intelligenz, sondern Einfühlungsvermögen. Fakt ist, dass häufig sehr intelligente Menschen die Feinheiten ebenfalls nicht wahrnehmen können – ähnlich den super-intelligenten Chatboots. Der Kunde sagt „SUPER" = der Kunde ist zufrieden, so speichert es das System ab. Egal, wie zynisch-beleidigend es eigentlich gemeint war.
Wenn die Kommunikation beziehungsrelevant ist
Beziehungen zwischen Menschen werden zu über 75 Prozent durch die Kommunikation geprägt. Im Umkehrschluss gilt ebenfalls, dass 75 Prozent der Kommunikation beziehungsrelevant sind. Im Guten wie im Schlechten. Damit ist die Beziehung zwischen Mensch und Mensch gemeint. Und da 75 Prozent eine nicht unerhebliche Größe ist, bleibt es wohl dabei, dass die menschliche Kommunikation dort, wo es nicht um nur einen rein sachdienlichen Hinweis geht, durch nichts zu ersetzen ist. Außer wir ziehen die Beziehung zu einem Gerät ernsthaft in Betracht...
Stefan Häseli regt als internationaler Speaker dazu an, wirkungsvolle Kommunikation im Alltag mit Spaß zu erleben. Dazu ist er Autor von zahlreichen Büchern und bekannt als Ratgeber in Radio- und TV-Sendungen. www.stefanhaeseli.ch
Wirtschaft | Marketing & Kommunikation, 10.05.2017
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