Vorbild Politik?

Worthülsen oder echte Veränderung: EU, Bund, Länder und Kommunen bekunden in Richtlinien und Verordnungen, dass sie selbst als Vorbilder mit umweltfreundlichen Fahrzeugen vorangehen wollen. Doch tun sie es auch?

Das Beschaffungsvolumen der öffentlichen Hand liegt Schätzungen zufolge bei etwa 480 Milliarden Euro im Jahr. Die Politik kann damit gezielte Nachfrageimpulse nach innovativen und nachhaltigen Produkten setzen und ihnen so den Weg zum Massenmarkt ebnen. Gegenwärtig sind in Deutschland etwa drei Millionen Fahrzeuge in öffentlichen Flotten und Fuhrparks unterwegs. Wenn die öffentliche Hand hier auf saubere Antriebe umsteigt, setzt sie damit ein sichtbares Zeichen für eine nachhaltige, bereits heute alltagstaugliche neue Mobilität. 

Dreamteam? Ein Foto von Verkehrsminister Alexander Dobrindt und seinem neuen BMW i3 existiert zwar noch nicht, sein Sprecher versichert jedoch, dass Herr Dobrindt leidenschaftlich gerne Elektroauto fährt. © BMW Von der EU bis zu den Kommunen sind die verschiedenen Regierungsebenen mittlerweile bemüht, durch rechtliche Vorgaben Rahmenbedingungen zu etablieren, die die Beschaffung von Fahrzeugen mit alternativem Antrieb in öffentlichen Fuhrparks erleichtert. Damit wollen die politischen Institutionen die Entwicklung eines Marktes für saubere und energieeffiziente Fahrzeuge beschleunigen. Durch den gesteigerten Absatz können so letztlich auch die Fahrzeugpreise sinken (Skaleneffekte) - Elektrofahrzeuge würden auch für die breite Masse preislich attraktiv.

EU-Vorgaben: Sauber und energieeffizient
Auf europäischer Ebene wurde bereits im Jahr 2009 die Richtlinie über die Förderung sauberer und energieeffizienter Straßenfahrzeuge (2009/33/EG) verabschiedet.

Die Richtlinie beinhaltet unter anderem die Verpflichtung für öffentliche Auftraggeber, beim Kauf von Fahrzeugen Energie- und Umweltaspekte während der gesamten Lebensdauer zu berücksichtigen. Die Richtlinie enthält dafür konkrete Berechnungsmethoden. Sie findet sich mittlerweile in der nationalen Gesetzgebung aller Mitgliedsstaaten wieder, so auch in Deutschland.

Bundesregierung: Elektromobilität fördern
Seit dem Jahr 2010 arbeiten Bund, Länder und Kommunen in der Allianz für nachhaltige Beschaffung zusammen. Ihr Ziel ist es, durch Beratung und die Entwicklung von Leitfäden den Anteil nachhaltiger Produkte und Dienstleistungen beim Einkauf der öffentlichen Hand deutlich zu erhöhen.
Die Bundesregierung hat im Mai 2011 in ihrem Regierungsprogramm Elektromobilität die Beschaffung von Elektrofahrzeugen beschlossen. Demnach streben die Bundesressorts ab dem Jahr 2013 in ihrem jeweils eigenen Geschäftsbereich an, dass 10 Prozent der neu angeschafften oder neu geleasten Fahrzeuge einen Emissionswert von weniger als 50 Gramm CO2 als Zielwert einhalten. Im aktuellen Koalitionsvertrag heißt es zum Thema Elektromobilität u.a., der Bund werde seinen Fuhrpark sukzessive umrüsten. Konkrete Kennzahlen lässt er aber nicht verlauten.

Doch wie sieht es mit der tatsächlichen Umsetzung aus? Bekannt ist, dass der neue Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt seine Berliner Termine künftig emissionsfrei mit dem vollelektrischen Dienstwagen eines bayerischen Auto€herstellers ansteuern möchte. Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) befragt einmal im Jahr die Bundesminister nach den Verbrauchswerten ihrer Dienstwagen und verteilt gelbe, rote und grüne Karten. Die grüne Karte bekommt derjenige, dessen Dienstwagen weniger als 130g CO2/km (EU-Zielwert seit 2012) ausstößt. Im Jahr 2013 bekam leider nicht einer die grüne Karte. Klimasünderin Nummer 1 war die amtierende Bildungsministerin Johanna Wanka, deren Dienstlimousine 193g CO2/km auspustete. Setzen, sechs!

Einige Schritte weiter als die Spitzenpolitiker sind offenbar die Bundesbehörden. Acht von 20 befragten Behörden erhielten 2013 von der DUH die grüne Karte für glaubwürdiges Klimabewusstsein, weil sowohl die Fahrzeuge der Behördenleitung als auch der Durchschnittsausstoß der Flotte unter der 130 Gramm-Marke lagen.

Länder und Kommunen: Lebenszykluskosten einbeziehen
Die öffentliche Hand ist in besonderem Maße von den zur Verfügung stehenden finanziellen Ressourcen, also den Haushaltsmitteln, abhängig. Da es sich um Steuermittel handelt, besteht gegenüber der Öffentlichkeit zudem eine Rechenschaftspflicht über die getätigten Ausgaben. Das Vergaberecht verpflichtet deshalb dazu, im Rahmen öffentlicher Ausschreibungen das wirtschaftlich günstigste Angebot zu berücksichtigen.

Dies bedeutet aber nicht zwingend, dass man das in der Anschaffung günstigste Produkt kauften muss. Vielmehr lassen sich alle Kosten, die über den gesamten Lebenszyklus (Total Cost-of-Ownership, TCO) anfallen, einschließlich der Betriebskosten, einrechnen. Da z.B. Elektrofahrzeuge im Betrieb deutlich günstiger sind als konventionelle Fahrzeuge, kann die TCO-Analyse durchaus zu Gunsten eines Elektrofahrzeugs ausfallen. In der Praxis ignorieren die öffentlichen Einkäufer die TCO-Bilanz jedoch häufig. Sie beschränken den Maßstab der Wirtschaftlichkeit weiterhin einseitig auf den Anschaffungspreis. Ein Grund dafür: Vertreter öffentlicher Stellen konzentrieren sich in ihrem Handeln in der Regel auf die jeweilige Amtszeit oder das aktuelle Haushaltsjahr. Sie denken selten in langfristigeren Zielen. Hier ist dringend ein Umdenken im Sinne einer weitsichtigeren und nachhaltigeren Beschaffungspolitik erforderlich.

Doch es besteht auch Hoffnung. Eine Befragung des Instituts für den öffentlichen Sektor ergab, dass bei der Kaufentscheidung auch vermehrt Umweltkriterien, wie z.B. CO2-Emissionen, in den Blick rücken. In der Studie aus dem Jahre 2013 gab die Hälfte der befragten Kommunen an, dass rechtliche Vorgaben seitens der Landesregierungen oder Gemeinderatsbeschlüsse die Berücksichtigung von Nachhaltigkeits€faktoren in ihrer Beschaffung forderten. Betrachtet man nur die befragten Städte, so gaben über 70 Prozent an, mittlerweile über solche Ratsbeschlüsse zu verfügen. Insgesamt wurde ökonomischen Aspekten aber noch immer die höchste Bedeutung zugemessen.

Fazit: Beweisführung umkehren!
Die Politik will zwar saubere Antriebe, insbesondere Elektro€mobilität, verbreiten, verhält sich aber im Hinblick auf die Umstellung öffentlicher Fuhrparks noch sehr zögerlich. Bund, Länder und Kommunen sind zwar zunehmend bemüht, Umweltfaktoren in ihre Beschaffungsrichtlinien einfließen zu lassen, lassen aber insgesamt noch zu viel Spielraum, die Kaufentscheidung überwiegend nach ökonomischen Kriterien zu treffen.

Öffentlicher Ausschreibungen von Fahrzeugen sollten Umweltaspekte deshalb künftig noch stärker berücksichtigen. Die Politik muss endlich mit gutem Beispiel voran gehen und wirksame Anreize für öffentliche Verwaltungen und Unternehmen schaffen, ihre Flotten auf saubere Antriebe umzustellen.

Ein positives Beispiel liefert aktuell die Stadt Hamburg, die in ihre Beschaffungsrichtlinien eine Begründungsklausel aufgenommen hat, die die "Beweisführung" umkehrt. So muss ein Hamburger Beschaffungsmanager zukünftig darlegen, warum statt eines emissionsarmen Fahrzeugs mit alternativem Antrieb ein herkömmlich motorisiertes Fahrzeug angeschafft werden soll. Es bleibt zu hoffen, dass weitere Kommunen dem Beispiel Hamburgs folgen und sich eine saubere Mobilität auf diese Weise flächendeckend in unseren öffentlichen Fuhrparks durchsetzt.
 
 
Kurt Sigl ist Präsident des Bundesverbands eMobilität e.V., der sich in Deutschland seit 2009 für die Verbreitung der Elektromobilität auf Basis Erneuerbarer Energien einsetzt.

Technik | Mobilität & Transport, 01.04.2014
Dieser Artikel ist in forum Nachhaltig Wirtschaften 02/2014 - Voll transparent, voll engagiert erschienen.
     
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