Der T(h)urmblick
Andere Führer braucht das Land!

Im Bermuda-Dreieck der Nachhaltigkeit
Nachhaltigkeit ist in Unternehmen heutzutage eher technokratisch und
mechanistisch organisiert. Zu wichtigen Themen hat man ‚Policies’ und orientiert
sich an Standards zu Managementsystemen, Berichterstattung und Prüfung (intern
und extern). Dies wird garniert durch unternehmensinterne Richtlinien und
produktspezifische Anweisungen zu Produktdesign, Einkauf, Produktion und
Logistik inklusive Rücknahme. Begeisterung gibt es hierfür meist wenig, der
Mensch im Unternehmen ist nur ausführendes Organ und muss nach Regeln
funktionieren. Das Höchste der Gefühle ist ein internes Vorschlagswesen, der
Rest ist Forschung & Entwicklung und ein Stück Wettbewerbstaktik.
Unsere Mühlen mahlen (zu) langsam
In einem Bewusstseins-Kontinuum, das von Nichtbeachtung der Nachhaltigkeit über
die Verminderung oder Vermeidung negativer Auswirkungen hin zu Gestaltung
positiver Auswirkungen (Netto-Positiv) und letztlich bis zur ThriveAbility
(Brutto-Positiv) reicht, werden sich die zu erwartenden Sustainable Developments
Goals und die Ergebnisse der Klimaverhandlungen in diesem Jahr eher in den
linken Bereichen eines solchen Kontinuums manifestieren. Deren Umsetzung wird
dann noch mehrere Jahre dauern, bis sie, in nationales Recht umgesetzt,
irgendwie Wirkungen zeigen – und das ist zu wenig!
So schaffen wir Be(Geist)erung
Wir brauchen eine Begeisterungswelle für die Strategien am rechten Rand des
Kontinuums und ein komplettes Umdenken, falls wir als Menschen überleben wollen.
Doch wo soll diese Begeisterung herkommen, wenn wir einen Bewusstseinswandel und
ein Umsteuern in bisher 40 Jahren nicht geschafft haben? Meine These: Wenn wir
keinen gemeinsamen ‚Weltblick’ entwickeln, der das ‚Aufblühen’ für alle Menschen
grundsätzlich ermöglicht, sind wir auf dem Weg zur ‚Suiciety’. Deswegen gilt es,
als ‚Prociety’ unseren Kindern überall auf der Welt ein Vorbild zu sein. Das
verlangt eine dramatische Kehrtwende: Das menschliche Potenzial darf nicht auf
die Minimierung von negativen Auswirkungen verschwendet, sondern muss in die
Maximierung von ThriveAbility gelenkt werden. Dazu sind folgende Schritte nötig:
- Anders denken über Nachhaltigkeit – der mentale Schritt von der ‘Verzichtskultur’ der Nachhaltigkeit hin zur Nutzung menschlicher Begeisterung für ein besseres Leben. Die großen Industrialisierungswellen haben Reichtum und Fortschritt für viele, dabei aber die ökologischen und sozialen Systeme aus dem Gleichgewicht gebracht. Viele Unternehmen reagieren durch Verminderung negativer Auswirkungen; dies ist aber eine unzureichende Näherung an das Problem. Transformation ist nötig, aber kaum ein Unternehmen will die Herausforderung annehmen.
- Anders denken über Unternehmensstrategien – statt die negativen Folgen unternehmerischer Aktivitäten zu verdrängen, gilt es innovative Produkte und Services zu entwickeln, die positive, skalierbare Effekte erzeugen. Der Strategiewechsel muss tief in den Unternehmen verankert werden, unternehmens- und industrieübergreifend erfolgen und alle Stakeholder einbeziehen.
- Anders denken über Unternehmensführung – das bedeutet eine Führungsentwicklung, die systemisches und kreatives Denken über komplexe Herausforderungen ermöglicht und Verantwortung für die politische, technologische und ökonomische Entwicklung einschließt. Die neue Führungskultur muss alle Stakeholder begeistern können. Zukünftige Generationen von Führungskräften sollten verschiedene soziokulturelle Bewusstseins-Entwicklungsstufen durchlaufen, damit sie die Komplexität ihrer Aufgaben und in größeren Zusammenhängen denken können.
In diesem Sinne ist auch ‚integriertes Denken’ zu definieren. Dieser Modebegriff
aus der integrierten Berichterstattung wird noch viel zu reduziert genutzt, und
das obwohl mit dem 6-Kapitalienmodell des IIRC-Rahmens der Grundstein zur
Unterstützung von Unternehmensführern mit den notwendigen Skills und
Informationen bereits gelegt worden ist. Leider kommt bisher kaum ein
integrierter Bericht auch nur annährend an diese Möglichkeit heran, so dass ein
Ansatz wie ThriveAbility bitter nötig ist.
ThriveAbility
Am besten übersetzt man ThriveAbility mit ‚Fähigkeit zum Aufblühen’. Sie widmet
sich der Frage, wie Nachhaltigkeit durch die Begeisterung eines jeden Einzelnen
erreicht werden kann. ThriveAbility sucht teils eine Rückkehr zu den Grundwerten
der Nachhaltigkeit, bei denen der Mensch im Zentrum des Interesses steht,
erweitert sie aber um die Beiträge von Innovation und Bewusstseinsentwicklung.
Sie bewegt sich damit weg von einem statischen und mechanistischen Verständnis,
hin zu einem flexiblen und bewusstseinsgetriebenen Ansatz.
Mehr Info hierzu: www.thriveability.zone

Ralph Thurm
ist Gründer und Managing Director von A|HEAD|ahead.
Für forum schreibt er regelmäßig die Kolumne „Der T(h)urmblick" und lädt ein zur
Diskussion aktueller Themen. Schreiben Sie an:
ralph.thurm@kpnmail.nl
Wirtschaft | Marketing & Kommunikation, 01.07.2015
Dieser Artikel ist in forum Nachhaltig Wirtschaften 03/2015 - Jahr des Bodens erschienen.

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