Der T(h)urmblick
Vom ‚integrierten’ zum ‚integralen’ Denken
Die dritte Jahreskonferenz der
Reporting 3.0 Plattform hat, beginnend mit einem vorbereitenden online
Thinktank, über die Konferenz bis hin zum Konferenzbericht ein
faszinierendes Spektrum zur Weiterentwicklung der nachhaltigen und
integrierten Berichterstattung aufgetan.
Die zehn wichtigsten Ergebnisse der Konferenz zeigen Voraussetzungen für ein neues, zukunftsfähiges Berichtssystem.
- Für
eine zukunftsfähige Berichterstattung muss man ökonomisches und
finanztechnisches Systemdenken (Makro-Ebene), Buchführungs- und
Datensystemdesign (Meso-Ebene) sowie die Erfolgsmessung
unternehmerischer Nachhaltigkeitsprogramme, Transformationsfähigkeit und
Führungsverständnis (Mikro-Ebene) kombinieren. Reportingstandards, die
Teile dieser Komponenten auslassen oder negieren, führen zu Defiziten
und werden der Aufgabe eines (Nachhaltigkeits- oder
integrierten)Berichts über den Nachweis der Nachhaltigkeit einer
Organisation nicht gerecht.
- Reporting, das zukunftsfähig ist, muss Klarheit zum Unternehmenszweck (Purpose) und der
Verbindung (Connectedness) der Unternehmung hinsichtlich der Meso- und
Makroanforderungen einer Green & Inclusive Economy verschaffen; Klarheit des Unternehmensbeitrags (True Future
Value Creation) durch eine multi-kapitalienbasierte Erfolgsmessung
(Success) schaffen, um als Lackmus-Test dienen zu können, ob ein
Unternehmen Finanzkapital nicht durch Vernichtung anderer Kapitalien
aufbaut; Bereiche idenfizieren, in denen durch sinnvolle
Produkte, Services, Netzwerkbildung, Positionsnahme und Ausbildung eine
Skalierbarkeit (Scalability) geschaffen wird, die die
Einwirkungsmöglichkeiten (Size of Impacts) der Unternehmung hinsichtlich
einer ‚Wachstumslizenz’ erlauben.
- Es gibt
bereits Methoden und Tools, um der Zukunft der Berichterstattung Form
zu geben. Hierzu liefert der Konferenzbericht genug Beispiele. Die
Zusammenarbeit der verschiedenen Spieler ist nun nötig, um die Teile des
Puzzles in eine gemeinsame Vision zusammenzuführen, wie
Berichterstattung, Accounting und Datenspektra einer Green &
Inclusive Economy dienen können. Besondere Aufmerksamkeit verdient die
Diskussion über ‚tatsächliche’ Wesentlichkeit (True Materiality) und
einen auf gemeinsame Einwirkungen fokussierten Stakeholder-Dialog, der
Zusammenarbeit möglich macht (Integral Thinking).
- Bestende Standards haben keine deutliche Vision, wie sie einer Green
& Inclusive Economy dienen können und haben eine zu
unternehmensinterne Wahrnehmungswelt. Ein Stakeholder Dialog, wie er
konventionell durchgeführt wird, bleibt zu sehr an der Oberfläche. Dies
liegt u.a. daran, daß Stakeholder weniger und weniger an den Effekt des
Dialogs glauben, auch sind sie z.T. zu wenig informiert über die
Gesamtaufgabe, die es zu diskutieren gilt. Auch sind derzeitige
Nachhaltigkeitsstrategien oftmals nur an Symptomlinderung orientiert,
statt an der Analyse der Einwirkung einer Unternehmung an den Problemen.
- Accountants könnten viel mehr Einfluss haben auf die Entwicklung eines
multi-kapitalien-orientierten Accounting-Systems. Die dritte
Entwicklungswelle des Accountings nach ‚single- und double entry
bookkeeping’ greift diese Herausforderung aber im Augenblick noch nicht
proaktiv auf. Dies schließt auch ein besseres Verstehen der
Zusammenhänge zur Makro- und Mesoebene eines zukunftsfähigen Accountings
und Reportings mit ein. Viele Accountants wollen dies nicht als ihre
Aufgabe ansehen.
- Daten
spielen eine immer wichtigere Rolle, um ein substantielles Set an
Informationen zu einem ‚globalen Puls’ zusammenzutragen, der auch
Unternehmen hilft, ihre Rolle und Positionierung in den bestehenden und
zukünftigen Systemkonditionen zu finden. Diese Daten sind nötig, um eine
‚Wachstumslizenz’ zu er- oder behalten. Unternehmen und
Nachhaltigkeitsabteilungen engagieren sich hier erstaunlicherweise noch
kaum, z.T. verleugnet man die Existenz und Validität solcher Datensätze
sogar; dies kann drastische Folgen haben für die ‚License to Operate’
(siehe VW, Exxon).
- Die
Sustainable Development Goals sind ein Schritt, um Unternehmen an die
Idee von ‚Schwellenwerten’ heranzuführen. Datenpartnerschaften werden
gegründet, um das Umfeld zur Setzung von Indikatoren, Zielen und Grenzen
zu ermöglichen. Initiativen, die sich zu sehr auf nationale
Schwerpunkte konzentrieren, beinhalten die Gefahr des kreativen Chaos.
Es braucht hierzu eine klare und bindende Beaufsichtigung, wie diese
Datenumgebungen zur Problemlösung global beitragen und wie die
Datenarchitektur hierzu aufgebaut werden muss. Letztlich verhelfen die
SDGs bei Erfolg nur zur Verminderung negativer Effekte, ihre
Innovationswirkung ist derzeit noch fraglich.
- Es gibt
bisher keine sichtbare Plattform, die sich auf das Zusammenbringen von
Makro- und Mikroanforderungen durch das Einziehen einer Meso-Ebene
konzentriert. Hier kann die Reporting 3.0 Plattform durch das Design
sogenannter ‚Blueprint-Projekte’ im Rahmen eines wettbewerbsneutralen
Ansatzes Wissen zusammentragen und strukturieren. Die Plattform muss
agnostisch, anti-lobbyistisch und als ‚safe space’ sowie als
Non-for-Profit-Organisation wirken.
- Der
Ansatz der ThriveAbility Foundation, der einen drei-dimensionalen Index,
einen Entwicklungspfad, eine Innovationsroadmap und eine neue Gleichung
zur Ermittlung von ‚ThriveAbility’ vorsieht, bietet einen integrativen
und prägnanten Ansatz zur Einung von Mikro-, Meso- und Makro-Ebene. Ein
Dreijahresprogramm von 2016 bis 2019 sieht vor, den Index in 10
Industrieclustern mithilfe von Unternehmen und Finanzmarktakteuren zu
entwickeln. In 2020 soll der ThriveAbility Index valide Informationen
zur Zukunftsfähigkeit von Unternehmen bereithalten.
- Sustainability und/oder ThriveAbility werden nicht zu bewerkstelligen sein und Datensätze hierzu werden unter den derzeitig bestehenden ökonomischen Systemgrenzen,dessen Incentives und Markterfolgskriterien nicht nachhaltig sind, nicht effektiv sein. Ein regenerativer Ökonomieansatz (Makro-Ebene) und die Realisierung dazu kompatibler Meso- und Mikrosystembedingungen sind voneinander abhängig.
Letztlich muss ein neuer und systemischer Ansatz der Berichterstattung zur Herstellung von Vertrauen (Trust), Innovation und Widerstandsfähigkeit (Resilience) beitragen, sonst kann eine Green & Inclusive Economy weder geplant, noch realisert oder fortentwickelt werden. Zukunftsfähige Berichterstattung hat also eine direkte Aufbaufunktion zur Zielerreichung. Dies schließt den Kreis zur anfänglichen Darstellung. www.reporting3.org
Ralph Thurm ist Gründer und Managing Director von A|HEAD|ahead. Für forum schreibt er regelmäßig die Kolumne „Der T(h)urmblick" und lädt ein zur Diskussion aktueller Themen. Schreiben Sie an: ralph.thurm@kpnmail.nl
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Dieser Artikel ist in forum Nachhaltig Wirtschaften 01/2016 - Herausforderung Migration und Integration erschienen.
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