Die Reise zum Nordstern

Nachhaltige Transformation - Der T(h)urmblick

Wie geht "nachhaltige Transformation"? Wie Firmen einen Bewusstseinswandel für mehr Nachhaltigkeit in der Unternehmenskultur anstoßen können.


Foto: © freshidea, Fotolia.com
In der letzten Kolumne des T(h)urmblicks (4/2013) ging es um "wirklich nachhaltige Innovation". Der Titel "Raus aus der Kuschelecke" forderte den Mut zu radikaleren Denkmodellen. Effizienzprogramme und Produktinnovation, wie wir sie kennen, schaffen kurzzeitigen finanziellen, aber nur selten nachhaltigen Mehrwert. Auch fehlt es an Anreizen und "wahren" Preisinformationen. Märkte arbeiten deshalb nicht nachhaltig, das Dilemma zwischen Kurz- und Langfristerfolg bleibt bestehen. Und doch gibt es Unternehmen, die erkennbare Fortschritte machen und sich nicht mehr hinter diesen Rahmenbedingungen verstecken wie die Masse ihrer Wettbewerber.

In den letzten Monaten haben wir von Unternehmen wie z.B. British Telecom, Kingfisher oder IKEA in erstaunlicher Offenheit ein Bekenntnis zur Langfristfokussierung auf "Net Positive Impact" (positive Nachhaltigkeitswirkung) vernommen. Schon länger wissen wir von Interface, Unilever, Nestlé, Natura, Nike, Puma u.a., dass sie eigentlich auch darauf abzielen, aber noch nie war das auch so deutlich artikuliert worden. Sehen wir nun doch endlich eine erste Generation von Unternehmen, die begriffen hat, was eine "Green & Inclusive Economy" eigentlich meint - nämlich mindestens, dass Wachstum ohne ökologische und soziale Schäden funktionieren kann (Zero Impact Growth), noch besser aber positive Auswirkungen auf Umwelt und Gesellschaft haben sollte (Net Positive Impact Growth). Nun, alle genannten Unternehmen geben zu, dass sie noch einen weiten Weg vor sich haben, sowohl bei der Leistung, als auch bei der Messung. Aber der "Nordstern" - also ein unabdingbares Langfristziel - ist gesetzt.

Um sich von diesem "Nordstern" leiten zu lassen, bedarf es zweier grundsätzlicher Bausteine: einer Unternehmenskultur, die die Bewusstseinsänderung fördert, sowie eines systemischen Ansatzes sich als Unternehmen zu positionieren. Bei den bereits genannten Unternehmen sind diese zwei Grundvoraussetzungen konkret zu erkennen. Erst mit einem gewissen Reifegrad wird der "Nordstern" mehr als nur ein Traum und erst dann ist es sinnvoll, sich über "wirklich nachhaltige" Produkt-, Service-, Prozess- und Netzwerkinnovationen Gedanken zu machen.


Erfolgsfaktoren: Unternehmenskultur und systemisches Denken

Sehen wir uns diese zwei Grundvoraussetzungen etwas näher an: Eine nachhaltig innovationsfreundliche Unternehmenskultur ist in den meisten Fällen einer entsprechenden Führungskultur zu verdanken; Unternehmenslenker wie Ray Anderson, Paul Polman, Ian Cheshire, Jochen Zeitz und Richard Branson sind Beispiele hierfür. Sie haben im Sinne des langfristigen Unternehmenserfolgs auch über das Gedankengut der Nachhaltigkeit hinaus ihren eigenen "Nordstern" gefunden. Ihnen ist gemein, dass sie im Sinne der Spiral Dynamics Theorie eine Organisationstruktur im Unternehmen schaffen, die ihrem Bewusstseinsniveau gleicht: mehr offene Strukturen, Teamorganisation, Innovation Labs, Collaborative Innovation, Crowdsourcing, eine holistische Erfolgsmessung, transparentere Berichterstattung, etc.

Diese wiederum führt uns direkt zur zweiten Grundvoraussetzung: der Fähigkeit, sich und das Unternehmen systemisch zu sehen und zu verankern. Viele der heute erfolgreichen Unternehmen kamen irgendwann einmal in eine Schocksituation, die den Lernprozess unumkehrbar machte. Nike, IKEA und Unilever wissen das nur zu gut. Die Systemdenker arbeiten heute mit Szenarien (einer immer noch viel zu wenig eingesetzten Methode), die die Ursachen und damit auch die Möglichkeiten der Unternehmensausrichtung sichtbar machen und eben nicht auf Symptomebene steckenbleiben, wie all diejenigen, die z.B. eine Nachhaltigkeitsstrategie als eine reine CO2-Verminderungsstrategie sehen. Nordstern-Unternehmen dagegen arbeiten - zu ihrem Vorteil - mit "Big Data" (also der gezielten Analyse großer Datenmengen) und Systemtheorieansätzen. Stakeholder werden Teil des Business Modells, statt nur ruhigzustellende Gruppen mit anstrengenden Ansprüchen. Die Suche nach Messmöglichkeiten hin zu einem "Net Positive Impact" ist eine notwendige Herausforderung und wird eben nicht als "nicht machbar" abgelehnt. Diesen Unternehmen leuchtet die Erkenntnis ein: So steinig der Weg auch ist, eine Umkehr ist nicht möglich. Deshalb muss man die Umweltauswirkungen messbar machen.

Wenn Sie sich also demnächst mit Unternehmensvertretern über Innovation unterhalten und Sie sofort die neuesten innovativen Produkte angepriesen bekommen, seien Sie vorsichtig. Die wirklich nachhaltig innovativen Unternehmen erzählen meistens erst einmal etwas von ihrer Philosophie und wie sie Innovation im Sinne der Langfristigkeit definieren. Da lohnt es sich aufzuhorchen; nichts ist so spannend wie eine Reise zum "Nordstern"!

Im Profil
Ralph Thurm ist Gründer und Managing Director von A|HEAD|ahead. Für forum schreibt er regelmäßig die Kolumne "Der T(h)urmblick". 

Quelle:
Wirtschaft | CSR & Strategie, 17.01.2014
Dieser Artikel ist in forum Nachhaltig Wirtschaften 01/2014 - Smarte Produkte erschienen.
     
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