"Kein Luxus ohne Nachhaltigkeit"

Jochen Zeitz erklärt, warum Luxus ohne Nachhaltigkeit nicht funktioniert

Ein Interview von Fritz Lietsch

Als Puma-CEO hat Jochen Zeitz zum ersten Mal weltweit die Ökobilanz eines Konzerns errechnet. Mit forum sprach Zeitz über seine Farm in Afrika und darüber, ob Luxus und Nachhaltigkeit zusammenpassen.

Überflieger Jochen Zeitz: Mit gerade einmal 30 Jahren war er der jüngste Vorstandsvorsitzende eines börsennotierten deutschen Unternehmens und führte die weltweit erste ökologische Gewinn- und Verlustrechnung ein. Heute konzentriert er sich voll und ganz auf die Verwirklichung der Green Economy.
Foto: © Segera / David Crookes
Jochen Zeitz ist eine außergewöhnliche Figur in der Wirtschaft. 1993 wurde er mit gerade einmal 30 Jahren bei Puma zum jüngsten Vorstandsvorsitzenden eines börsennotierten deutschen Unternehmens. Zeitz führte Puma aus der Krise und verwandelte den einst angeschlagenen Sportartikelhersteller in ein international erfolgreiches Sport- und Lifestyle-Unternehmen. Zudem führte er bei Puma die weltweit erste ökologische Gewinn- und Verlustrechnung ein, um den ökologischen Fußabdruck im Kerngeschäft und auf allen Stufen der Beschaffungskette zu vermindern. Zeitz erhielt zahlreiche Auszeichnungen, darunter das Bundesverdienstkreuz. Im Juli 2011 gab Zeitz den Posten des Vorstandsvorsitzenden bei Puma ab, übernahm den Vorsitz im Aufsichtsrat und legte diesen Ende 2012 nieder, um mehr Zeit für seine Nachhaltigkeitsinitiativen wie "The Long Run" oder "The B-Team" zu haben. Seit 2012 unterstützt er den Rat für Nachhaltige Entwicklung der Bundesregierung.

Herr Zeitz, PUMA ist Teil von Kering, einer Holding von Luxusmarken wie Gucci oder Yves Saint Laurent. Passen Nachhaltigkeit und Luxus zusammen?
Luxus steht für Qualität. Qualität steht für Wert und damit auch Werte. Produkte mit Qualität bleiben lange erhalten und behalten lange einen Wert. Wer heute hochwertige Möbel kauft, besitzt die Antiquitäten von morgen. Selbst im Bereich der Bekleidung gilt: Nur hohe Qualität garantiert eine lange Lebensdauer, generiert ein starkes Image und steigert den Wert einer Marke. Solche Produkte behalten sogar als "secondhand"-Ware ihren Wert. Luxus hilft also gegen Schnelllebigkeit, gegen Beliebigkeit und kann damit ein Zeichen für Nachhaltigkeit setzen. Luxus ist nicht nur ein Qualitätsbegriff, er kann vor allem eine Garantie für Nachhaltigkeit sein. Aus meiner Sicht darf es Luxus nicht mehr ohne die Dimension der Nachhaltigkeit von der Lieferkette bis zur Wiederverwertung geben.

Könnte man mit dem Thema 'grüner Luxus' Entscheidungsträger in Wirtschaft und Gesellschaft besonders gut für Nachhaltigkeit gewinnen?
Ich glaube, dass wir über die Verbindung von Luxus und Nachhaltigkeit große Wirkung erzielen können. Inwieweit Nachhaltigkeit der Luxus der Zukunft sein wird, entscheiden aber letztendlich die Verbraucher. Hier ist die Kraft der Marken gefragt. Sie haben zum einen Einfluss auf das Verbraucherverhalten und zum anderen das Kapital für ein verantwortungsbewusstes und nachhaltiges Wirtschaften. So halten wir es auch auf Segera, meiner Farm in Afrika, die ich für den Luxus-Tourismus geöffnet habe. Auf Segera muss man auf keinerlei Komfort verzichten. Gleichzeitig versuchen wir alles, was wir bieten, so nachhaltig wie möglich zu bewerkstelligen. Wir tun das nicht nur aus Überzeugung. Ich sehe den Tourismus auch als gutes Einfallstor für eine Verhaltensänderung von Menschen.

Warum das?
In den Ferien haben Menschen Zeit, sich mit anderen Dingen zu beschäftigen, wie Kultur oder Umwelt. Dazu zählen die Verantwortung der Wirtschaft, die Zukunft der Energieversorgung, eine naturnahe Lebensmittelproduktion oder ein fairer Umgang in der Gesellschaft.

Segera ist Teil der 2008 gegründeten Zeitz Foundation. Was wollen Sie mit dieser Stiftung bewirken?
Ich will vor allem aus dem Schubladendenken herausführen und zeigen, wie Kultur, Wirtschaft, Natur und Gesellschaft zusammenspielen können. Wir subsummieren unsere Aktivitäten in der Stiftung unter den "4C"s: Conservation, Community, Culture, Commerce. Dabei unterstützen wir vor allem ausgewählte Unternehmen im Tourismusbereich.

Auf seiner Luxus-Farm "Segera" in Kenia finden Gäste neben Kunst: großen Komfort und gleichzeitig Nachhaltigkeit. Denn für Jochen Zeitz ist Tourismus ein "Einfallstor für eine Verhaltensänderung von Menschen".
Foto: © Segera / David Crookes
Inwiefern?
Mit Segera will ich ein Vorzeigeprojekt für die 4Cs schaffen, um andere für das Thema Nachhaltigkeit zu begeistern und zum Nachahmen zu motivieren. Die Villen auf der Farm beziehen Solarenergie, die Einheimischen sind in Kultur und Umweltprojekte eingebunden. Ein Teil der Erträge fließt in die Förderung der kommunalen Entwicklung und in die Erhaltung der biologischen Vielfalt.

Welche Rolle spielt Kunst für Nachhaltigkeit?
Bewusstseinsänderung kommt durch Kultur zustande und Kunst kann soziale Probleme thematisieren, Lösungen bieten und uns die Augen für die Schönheit öffnen. Ohne Kunst und Kreativität können wir die Welt nicht verändern.

Doug Tompkins, der Gründer von Esprit und heutige Umweltaktivist, sagt: "There is no sustainable business". Sind Nachhaltigkeit und Wirtschaft Gegenspieler?
Tompkins hat vielleicht nicht ganz Unrecht, denn fast jedes Business hat negative Auswirkungen. Mir ist dieser Ansatz aber zu radikal. Dann kann man auch gleich sagen "There is no sustainability with mankind". Solange es Menschen gibt, wird es Business geben. Business muss deshalb einen Teil zur Lösung beitragen. Es muss uns gelingen, Unternehmen und Produkte zu schaffen, die sich positiv auswirken. Cradle to Cradle - Produkte, die für einen Kreislauf konzipiert sind - ist ein guter Ansatz. Allerdings muss man auch hier die Effekte messen, um die Wirkung beurteilen zu können. Denn was wir nicht messen, managen wir nicht. Nachhaltigkeit bleibt ein qualitativer Begriff, bei dem wir nicht wissen, ob wir wirklich Lösungen für unsere Probleme finden.

"The long run", so heißt das Kernprojekt der Zeitz Foundation. Können wir das lange Rennen gegen Klimawandel, Biodiversitätsverlust und Ressourcenknappheit noch gewinnen?
Ein kurzer Sprint wird jedenfalls nicht ausreichen. Wir konzentrieren uns auch mit dieser Initiative auf den Tourismusbereich. Über unsere Unterstützer und Mitglieder versuchen wir, die Philosophie der 4Cs in die Gesellschaft zu tragen. Ob wir damit Erfolg haben werden, wird die Geschichte zeigen.
Mein radikaler Vorschlag wäre: Mehr Menschen sollen in die Städte gehen und der Natur wieder mehr Platz geben. Wir brauchen moderne, nachhaltige und vielleicht sogar autarke Städte und sollten die Landschaften der Natur zurückzugeben.


Die Initiative "The Long Run"

"Optimismus statt Fatalismus", so lautet das Motto der von Jochen Zeitz gegründeten Initiative. Die Unterzeichner der Charta verpflichten sich zum Wirtschaften mit einem ganzheitlichen Ansatz und dazu, dabei fair, ehrlich, konstruktiv und kreativ vorzugehen. Im Zentrum stehen die "4C"s: Conservation (Biodiversität und Ökosysteme schützen), Community (Grundbedürfnisse und das Wohl der Gemeinschaft fördern), Culture (Vielfalt als Bereicherung respektieren), sowie Commerce (Handel und Wohlstandsvermehrung auf ganzheitliche, nachhaltige Weise).

Mehr Informationen unter www.zeitzfoundation.org



Welche weiteren Schritte planen Sie, um auf Ihrem "Long Run" weiterzukommen?
Richard Branson und ich haben gerade das "B Team" gegründet. Wir wollen gemeinsam mit international erfolgreichen Unternehmenslenkern versuchen, Big Business nachhaltiger zu machen. Drei Herausforderungen werden wir angehen: Die Zukunft der Bottom Line, also des finanziellen Unternehmenserfolgs. Die Zukunft von Anreizen und die Zukunft von Leadership. Alle drei Herausforderungen sind miteinander verknüpft und benötigen einen ganzheitlichen Ansatz.
Schauen Sie mal rein bei www.bteam.org

Als Vorstandsvorsitzender haben Sie einiges bei Puma bewegt. Worauf sind Sie im Rückblick besonders stolz?
Da gibt es in den 20 Jahre vieles auf das ich gerne zurückblicke. Ein Beispiel in nicht so ferner Vergangenheit: Mich hat die Zusammenarbeit mit Pater Anselm Grün inspiriert. Im Jahr 2009 arbeiteten wir gemeinsam an unserem Buch "Gott, Geld und Gewissen" und ich überlegte: Was ist für mich der bestimmende Faktor als CEO? Am Ende des Tages ist es Verlust und Gewinn. Wenn ich diese Haltung auf die Nachhaltigkeit übertrage, brauche ich genauso Fakten und Zahlen über Verlust und Gewinn bei Natur und Gesellschaft. Ich muss also versuchen, den Einfluss meines Unternehmens in diesen Bereichen zu quantifizieren und auch zu monetarisieren. So ist dann die erste ökologische Gewinn- und Verlustrechnung der Welt entstanden. Wir haben gezeigt, welche Auswirkungen Unternehmen auf die Natur haben und dass sie dafür Verantwortung tragen sollten. Voll integriert in die Unternehmensprozesse können sie Schritt für Schritt Lösungen finden. Wenn jedes Unternehmen eine ökologische Gewinn- und Verlustrechnung erstellen würde, dann wären wir weltweit schon einen großen Schritt weiter.


Grün ist der neue Luxus

So lautet das Leitmotiv einer neuen forum-Serie, die mit diesem Interview startet. In der nächsten forum-Ausgabe lesen Sie, wie sich der Luxusbegriff gewandelt hat. Chefredakteur Fritz Lietsch macht einen Streifzug durch die Welt nachhaltiger Weine, Speisen, Reisen, Mode, Schmuck, Autos und vielem mehr. Kommen Sie mit!


Zum Weiterlesen:


GNF Studie - wie Tourismusbetriebe besser in den Schutz der Natur eingebunden werden können

Nachhaltigkeit auch im Geschäftstourismus?

Quelle:
Gesellschaft | Pioniere & Visionen, 21.10.2013
Dieser Artikel ist in forum Nachhaltig Wirtschaften 04/2013 - Hallo Klimawandel erschienen.
     
        
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