Tobias Hartmann

Wie Unternehmen ihre Umweltkosten erfassen

Darf's ein bisschen weniger sein?

Biodiversität und Ökosystemleistungen, wie frische Luft oder sauberes Süßwasser, gelten meist als öffentliche Güter. Ihre Nutzung oder ihre Zerstörung kosten die Unternehmen nichts. Daher geht ihr Verbrauch auch nicht in die Unternehmensbilanzen ein oder taucht in betrieblichen Gewinn- und
Gesunde Böden stellen die Basis für die landwirtschaftliche Produktion dar. Wie viel ist das wert?
Verlustrechnungen auf. Doch Pioniere gehen längst eigene Wege.


Im Mai 2011 gab das Sport- und Modeunternehmen PUMA bekannt, dass es seine ökologische Gewinn- und Verlustrechnung vorstellen wird. Das war ein Paukenschlag, da es bisher kaum Bestrebungen gab, die Umwelteinwirkungen oder den Besitz an natürlichem Kapital monetär zu bewerten. Seit 2011 ist also Bewegung in die Unternehmenswelt gekommen. Auch der World Business Council for Sustainable Development (WBCSD) veröffentlichte den Guide to Corporate Ecosystem Valuation, eine Anleitung, wie Unternehmen Ökosystemleistungen bewerten können.

PUMA hat aufgezeigt, was Umweltverbrauch kostet

Bisher sind nur wenige Unternehmen dem Beispiel von PUMA gefolgt. Dennoch sind es vor allem diese zwei Beweggründe, die Unternehmen veranlassen, Ökosystemdienstleistungen zu erheben:

Sie können ihnen bei Entscheidungsfindungsprozessen helfen. So stellt das Baustoffunternehmen Holcim auf Basis des WBCSD-Guides eine ökologische Kosten-Nutzen Rechnung für die Ausweitung und spätere Renaturierung einer Abbaustätte auf. AkzoNobel vergleicht mit Hilfe der monetären Bewertung, wie sich unterschiedliche Produktionstechniken auf die Umwelt auswirken.

Eine monetäre Bewertung von Ökosystemdienstleistungen kann zudem die gesamte ökologische Performance eines Unternehmens abbilden. Wie nachhaltig Unternehmen tatsächlich wirtschaften, kann nun mit konkreten Zahlen belegt werden, die den Vergleich mit Wettbewerbern ermöglichen.

In seiner ökologischen Gewinn- und Verlustrechnung betrachtete PUMA seine fünf wichtigsten Umweltindikatoren: Treibhausgasemissionen, Wasserverbrauch, Landverbrauch, Luftverschmutzung und Abfallproduktion - und das entlang der gesamten Produktionskette, einschließlich der Herstellung der Rohmaterialien Baumwolle und Leder. Demnach belaufen sich die Umweltkosten von PUMA auf 145 Millionen Euro - das sind immerhin etwa 72 Prozent des Unternehmensgewinns von 2010. Etwa 30 Prozent der externen Kosten entfallen dabei auf Treibhausgasemissionen, sowie Wasser- und Landverbrauch. Den größten Teil der Umweltkosten verursacht die Rohstoffproduktion. Die Zahlen zeigen auch, welche Konsequenzen Produktionsverlagerungen haben: 66 Prozent der externen Umweltkosten von PUMA fallen in Asien an. Insgesamt sind die Zahlen, die PUMA vorgelegt hat, aber mit Vorsicht zu genießen, da es erste Berechnungen sind, die in Zukunft weiter verbessert werden müssen.

Ökosystemdienstleistungen zu erheben ist wichtig, aber schwer

Ob es nun um die ökologische Unternehmensperformance oder um eine konkrete Entscheidungssituation geht: Es gibt noch viel zu tun, bis Biodiversität und Ökosystemleistungen genau bewertet und das Potenzial, das darin steckt, entfalten werden kann.

Die Probleme beginnen schon beim Erfassen biophysikalischer Prozesse und ökologischer Einheiten. Auch ist es schwierig nachzuzeichnen, wer oder was eine Umwelteinwirkung wie beispielsweise den Verbrauch von Süßwasser verursacht. Schließlich sind umweltökonomische Bewertungsinstrumente mit Unzulänglichkeiten behaftet, da sie höchst subjektiv sind und nur einen kleinen Ausschnitt des tatsächlichen Verbrauchs sichtbar machen.

Monetarisierungsverfahren stehen außerdem vor ethischen Herausforderungen. Gelten Bewertungsergebnisse als "Wert der Natur", kann man daraus fälschlicherweise ableiten, jegliche Schäden seien durch Geldzahlungen ausgleichbar. Dennoch hat die ökonomische Bewertung von Biodiversität und Umwelteinwirkungen viel Potenzial. Sie hilft schon jetzt, Unternehmen für deren Umwelteinwirkungen zu sensibilisieren und trägt dazu bei, dass sie Ökosystemleistungen nicht mehr als kostenloses Gut ansehen.

Lebensgrundlage für Mensch, Tier und Pflanze: Nicht jeder Eingriff in die Natur kann und darf mit Geld aufgewogen werden.
Unternehmen brauchen Anreize und einheitliche Verfahren

Doch was stellen Unternehmen letztlich mit den Ergebnissen an? Werden Strategien ergriffen, um die Umweltschäden zu minimieren? Was wäre, wenn ein Unternehmen so weit ginge, die Kosten auf die Produkte aufzuschlagen? Wären die Konsumenten bereit, mehr zu zahlen?

PUMA jedenfalls zieht erste Lehren. Jochen Zeitz, Vorsitzender des Verwaltungsrats des Sportartikelherstellers, sagte auf dem Rio+20 Gipfel, dass man aufgrund der durch die Ökobilanzierung gewonnenen Erkenntnisse nach einer Alternative zu Leder suche. "Wir müssen alternative Wege finden, Rohstoffe zu produzieren, ohne die Natur zu bitten, das für uns zu erledigen".

Klar ist: Die Politik muss Anreize schaffen, um mehr Unternehmen für die Ökobilanz zu gewinnen. Bisher hat die EU in ihren "Fahrplan für ein ressourcenschonendes Europa" aufgenommen, dass "neue politische Strategien dazu beitragen [sollten], die Preise von Ressourcen wie Wasser, saubere Luft, [.] und Meeresressourcen, deren Wert auf dem Markt nicht [.] berücksichtigt wird, anzupassen."

Was muss passieren? Ein erster wichtiger Schritt ist, einheitliche Vorgaben für monetäre Bewertungsverfahren auszuarbeiten und nach Wegen zu suchen, wie Naturkapital in unternehmerische Bilanzen einbezogen werden kann. Politik und Unternehmen sollten dabei an einem Strang ziehen.

 
Im Profil
Tobias Hartmann
ist Projektmanager beim Global Nature Fund. Der diplomierte Volkswirt trägt selbst keine PUMA Schuhe, doch sobald das Unternehmen auch die durch die Schuhe verursachten Umweltkosten trägt, wird er seine Kaufentscheidung nochmal überdenken.

Quelle:

Weitere Artikel von Tobias Hartmann:

Was kostet die Welt?
Begeisterung für Unternehmerische Naturkapitalbilanzierung
Die Begeisterung für die unternehmerische Naturkapitalbilanzierung wächst. Erste Unternehmen wie Otto, Puma und Novo Nordisk erfassen den Wert der Natur und integrieren ihn erfolgreich in die betriebliche Entscheidungsfindung. forum zeigt, wie Sie die Naturkapitalbilanzierung als neues Managementinstrument nutzen können.


"Wir brauchen eine faire Branchenlösung"
Stefan Seidel, Stellvertretender Leiter PUMA.Safe, im Interview
Die Veröffentlichung seiner ökologischen Gewinn- und Verlustrechnung (EP&L) machte PUMA 2011 zum Pionier. Auch über zwei Jahre später ist die Resonanz noch groß. Überrascht Sie das?




     
        
Cover des aktuellen Hefts

forum future economy

forum Nachhaltig Wirtschaften heißt jetzt forum future economy.

  • Zukunft bauen
  • Frieden kultivieren
  • Moor rockt!
Weiterlesen...
Kaufen...
Abonnieren...
17
DEZ
2025
Lunch & Learn: Geschichten & Inspirationen zum Mitmachen
Impulse: Katrin Hansmeier, Basil Merk, Tina Teucher
online
17
JAN
2026
INNATEX
Internationale Fachmesse für nachhaltige Textilien
65719 Hofheim-Wallau
05
FEB
2026
Konferenz des guten Wirtschaftens 2026
Veränderung willkommen? Wie Wandel gelingen kann
90475 Nürnberg
Alle Veranstaltungen...
Anzeige

Professionelle Klimabilanz, einfach selbst gemacht

Einfache Klimabilanzierung und glaubhafte Nachhaltigkeitskommunikation gemäß GHG-Protocol

Digitalisierung

Smartphones und Philosophie
Werden Handy-Verbote in Schulen und Altersgrenze bei Social Media Nutzung die Probleme lösen?
B.A.U.M. Insights
Hier könnte Ihre Werbung stehen! Gerne unterbreiten wir Ihnen ein Angebot

Jetzt auf forum:

Nachhaltig Weihnachten feiern

Bau Innovativ 2026: Zukunft bauen – nachhaltig, digital, innovativ

FNG-Siegel: 25 Fonds der Erste Asset Management mit Bestnote ausgezeichnet

Vom Öko-Pionier zum chinesischen Familienalltag: SODASAN und Stakunft Home gestalten nachhaltiges Wohnen

So klappt's mit den Weihnachtsgeschenken – ohne Stress und Schulden

Deutschland hat kein Geldproblem, Deutschland hat ein Skill-Problem

Zuversicht und Inspiration schenken

Renexpo – Connect Energies, 19./20. März 2026 in Salzburg

  • Protect the Planet. Gesellschaft für ökologischen Aufbruch gGmbH
  • NOW Partners Foundation
  • Bundesverband Nachhaltige Wirtschaft e.V. (BNW)
  • Futouris - Tourismus. Gemeinsam. Zukunftsfähig
  • TÜV SÜD Akademie
  • toom Baumarkt GmbH
  • circulee GmbH
  • DGNB - Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen
  • Engagement Global gGmbH
  • Dr. Ing. h.c. F. Porsche AG
  • World Future Council. Stimme zukünftiger Generationen
  • BAUM e.V. - Netzwerk für nachhaltiges Wirtschaften
  • Global Nature Fund (GNF)