Hydrogen Dialogue 2024

Cradle to Cradle® - Ein Leben ohne Abfall

Verschwendung und Überfluss als Vorbild!

Eine auf stetiges Wachstum ausgerichtete Welt stößt zunehmend an die fernab geglaubten Grenzen der Ressourcenentnahme. Gleichzeitig sind die ökologischen Systeme zunehmend durch Abfälle, Abwässer und Emissionen bedroht. Das derzeitige menschliche Wirtschaften zerstört die Umwelt, und auch die Menschen selber werden zunehmend Opfer ihrer Handlungsweisen.
Das Cradle to Cradle© Design-Konzept feiert die Verschwendung, ebenso wie die Natur. Das beste und schönste Beispiel hierfür ist ein blühender Kirschbaum.
Foto: © Petra Reinken, wortwolf.de

Aus diesem Empfinden heraus entstand die Auffassung, man müsse möglichst wenig Schlechtes tun. Es entstanden hocheffiziente Abfallbehandlungstechniken sowie Produkte, die etwas weniger giftig sind als ihre Vorgänger. Doch wer weniger zerstört, schützt nicht. Im Gegenteil: Wer falsche Systeme und Produkte optimiert, macht sie damit umso gründlicher falsch. So steckt heute beispielsweise weniger krebserregendes Antimon in PET-Flaschen als früher, in geringerer Konzentration ist dieser gesundheitsgefährdende Stoff aber weiterhin vorhanden.

Recycling ist nicht automatisch umweltfreundlich
Als ein zentrales Anliegen im Bemühen um eine Schonung der Umwelt wird oftmals das Recycling angesehen. Recycling spart Rohstoffe und Energie, doch ist Recycling ein dehnbarer Begriff und der Vorsatz einer möglichst langen Erhaltung von Wertstoffen innerhalb des derzeitigen Systems stößt an Grenzen.
Die Tatsache, dass ein Material recycelt wurde, macht es nicht automatisch umweltfreundlich. Vor allem dann, wenn das Recycling bei seiner Herstellung nicht ausdrücklich mit eingeplant war, verlieren Materialien technologische Fähigkeiten, sie verlieren an "Intelligenz". Die durch diese Prozesse entstehenden Produkte sind von geringerer Qualität als die Ausgangsstoffe. Dieser Kreislauf wird als so genanntes "downcycling" bezeichnet.
Erforderlich sind deshalb Systeme, bei denen die Materialien ihre Nutzbarkeit durch anschließende und nahezu unbegrenzte Lebenszyklen nicht nur aufrecht erhalten, sondern auch steigern können, wodurch ein Mehrwert geschaffen wird. Diesen Kreislauf nennt man dann "upcycling".

Wirtschaften mit zyklischen Stoffkreisläufen
Diese Idee wird durch das Cradle to Cradle® Design-Konzept ("Von der Wiege bis zur Wiege") aufgegriffen und umgesetzt. Es nimmt die Natur zum Vorbild, in der alle Produkte eines Stoffwechsel-Prozesses für einen anderen Prozess von Nutzen sind. Das Laub eines Baumes ist beispielsweise Nahrung für ihn selbst und andere Pflanzen. Es ist Winterschlafplatz für Igel oder Versteck für Mäuse. Aus einer verschwenderischen Fülle von Kirschblüten entsteht eine neue Generation von Kirschbäumen. Jedes Produkt, mag es auch noch so sehr als Abfallprodukt erscheinen, ist nützlich.
Nach dem Vorbild der Natur feiert dieses innovative Design-Konzept den Überschuss und die Verschwendung, bei der die eingesetzte Menge keine Rolle spielt.
Cradle to Cradle® bringt eine Industrie hervor, die sich beständig weiterverbessert und Leben und Wachstum ermöglicht. Den Prinzipien der Natur entsprechend, beruht das Cradle to Cradle® Design-Konzept auf drei innovativen Prinzipien:
  • Jedes Produkt ist so konzipiert, dass es ein Nährstoff für ein anderes Produkt ist (Abfall = Nahrung).
  • Jedes Produkt wird durch die ständig vorhandene Kraft der Sonne erzeugt.
  • Jedes Produkt trägt zur Vielfalt bei - sei es im Hinblick auf Konzept, Kultur oder Biodiversität.

Die daraus entstehenden Produkte sind hochwertiger und praktischer für den Nutzer sowie gesünder für alle, die mit dem Produkt in Berührung kommen - also von Vorteil für Umwelt und Wirtschaft.

Foto: © Petra Reinken, wortwolf.de

Nutzung statt Eigentum
Produkte, die aus biologischen Nährstoffen bestehen, bezeichnet das Cradle to Cradle® Design-Konzept als Verbrauchsgüter. Dabei handelt es sich um Produkte, die, wie der Name impliziert, verbraucht werden, die während ihrer Anwendung verschleißen und durch Abrieb oder (Ab-)Nutzung in die Umwelt gelangen. Beispielsweise werden Textilien so gestaltet und produziert, dass sie ohne schädliche chemische Zusatzstoffe auskommen und problemlos in biologischen Kreisläufen zirkulieren können, indem sie nach der Nutzung kompostiert werden und der Natur als Nährstoff dienen. Alle Inhaltsstoffe und Textilfarben werden daher positiv definiert.

Dagegen werden Produkte, die aus technischen Nährstoffen hergestellt werden, als Gebrauchsgüter definiert und lediglich zur Nutzung an den Kunden ausgeliehen. Diese Strategie des Dienstleistungsprodukts ist sowohl für den Hersteller, als auch den Kunden von Vorteil. Der Hersteller bleibt Eigentümer der wertvollen Materialien, welche nach Demontage der Produkte wieder nahezu ohne Qualitätsverlust in den Produktionsprozess einfließen. Der Kunde nimmt nur die Dienstleistung des Produkts in Anspruch, ohne damit jegliche Art einer materiellen Verantwortung zu übernehmen. So werden beispielsweise Waschmaschinen für eine bestimmte Waschleistung gemietet, Teppiche werden geleast und nach Ablauf der vereinbarten Zeit vom Hersteller beim Kunden abgeholt. Nach diesem Prinzip gehen keine Materialien verloren, es entsteht kein Abfall und der Kunde muss sich nicht um die Entsorgung der Produkte bemühen. Dieses Prinzip lässt sich auf alle Gebrauchsgüter anwenden.
Vielfach wird von Erzeugnissen ein Eigenschaftsprofil erwartet, das nicht durch einen einzigen Stoff abgedeckt werden kann, sondern die Kombination verschiedener Werkstoffcharakteristika notwendig macht. Damit Produkte, die sowohl aus biologischen, als auch technischen Nährstoffen bestehen, mit dem Cradle to Cradle®-Szenario in Einklang gebracht werden können, werden bereits während der Entwicklungsphase die Lebenszyklen jedes einzelnen Bestandteils genau definiert (definierte Nutzungsbereiche "defined use period") und für eine weitere Verwendung geplant. Um das Konzept von Cradle to Cradle® flächendeckend anwenden zu können, gilt es Plattformen zu schaffen, um Innovationen kommunizierbar zu gestalten und voranzutreiben. Damit dies gelingt, bedarf es einer Kooperation aller an der Wertschöpfungskette beteiligten Akteure.

Quelle:
Umwelt | Ressourcen, 25.08.2011

     
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