Technik | Energie, 28.09.2011

Kampf der Monokultur!

Biogas aus Wildpflanzen-Mischungen

Von Ingo Leipner

Der Anbau von Mais boomt in Deutschland. Seine Biomasse wird vergoren, um aus Biogas Strom und Wärme zu erzeugen. Die Schattenseite: Die Artenvielfalt leidet in den Mais-Monokulturen, das Landschaftsbild verliert an Attraktivität. Gute Gründe, eine Alternative zu entwickeln: artenreiche Wildpflanzen-Mischungen, die einen hohen Biogas-Ertrag liefern.

Wildpflanzen-Mischungen liefern einen hohen Biogas-Ertrag
Foto: © LWG
Auch Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner hat das Problem erkannt: "Die derzeitigen Förderbedingungen führen regional zu einem vermehrten Mais-Anbau für die Energie-Erzeugung. Mit Blick auf die dadurch wachsenden Konflikte müssen wir nachsteuern", so die Ministerin. Die Zahlen sprechen eine klare Sprache: Zwischen 2008 und 2009 wuchs der Anteil des Energiemaises um 21 Prozent, zwischen 2009 und 2010 ergab sich ein weiterer Zuwachs um 40 Prozent. 2010 umfassten die Anbauflächen für Energiemais in Deutschland ca. 530.000 Hektar.

Weniger Futter- und mehr Energiemais
Aber: Die Fläche für den gesamten Maisanbau hat kaum zugelegt - ein deutliches Zeichen, dass weniger Futtermais und mehr Energiemais auf den Äckern gewachsen ist. Aigners Resümee: "In manchen Regionen steuert die Landwirtschaft mittlerweile auf Probleme zu, weil es eine wachsende Konkurrenz zwischen Nahrungsmittel- und Energierohstoff-Produktion gibt." Daher will die Bundeslandwirtschaftsministerin prüfen, wie es in Zukunft mit der Biogas-Förderung im "Erneuerbare-Energien-Gesetz" (EEG) weitergeht.

Es gibt aber auch einen anderen Weg, den die "Bayerische Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau" (LWG) eingeschlagen hat: Dort ist die Biologin Dr. Birgit Vollrath als wissenschaftliche Mitarbeiterin tätig (Abteilung Landespflege) und leitet die Versuche im Projekt "Energie aus Wildpflanzen". Die Idee dazu stammt aus früheren Projekten, in denen es um eine gezielte Begrünung von Brache- und Stilllegungsflächen ging (zum Beispiel im Projekt "Lebensraum Brache"). Dr. Vollrath: "Wir stellten fest, dass bei einigen Saatgutmischungen sehr hohe Zuwächse an Biomasse auftraten". So kamen die Wissenschaftler darauf, Wildpflanzen-Mischungen speziell zur Produktion von Biomasse einzusetzen.

Mais-Monokulturen: Schlecht für den Tourismus
Denn Alternativen sind wichtig: "Im Umfeld von Biogas-Anlagen kommt es häufig zu einer Dominanz bestimmter Kulturen wie Silomais", so die Biologin. Die Folge: In bestimmten Kulturen fühlen sich nur wenige Tier- und Pflanzenarten heimisch. "Wenn eine Kultur stark dominiert, ist die Artenvielfalt dadurch eingeschränkt". Im Weser-Ems-Gebiet gibt es Regionen, wo der Anteil des Maisanbaus rund 60 Prozent beträgt. Hinzu kommt: "Wenn die Leute mit dem Rad nur an Maiswänden entlang fahren, büßt die Landschaft an Attraktivität ein", erläutert Dr. Vollrath. Dadurch sind negative Auswirkungen auf den Tourismus zu befürchten - und die Bereitschaft der Bevölkerung schwindet, Biogas als Teil einer Klimaschutzstrategie zu akzeptieren.

Wie lief das Projekt "Energie aus Wildpflanzen" ab? 2008 wurden erste Versuchs- und Praxisflächen angelegt, und zwar in Bayern und Niedersachsen. "Dabei sind wir bewusst in zwei ganz unterschiedliche Regionen gegangen", berichtet die Projektleiterin. Die niedersächsischen Standorte zeichneten sich durch leichte Sandböden aus, die trotz vieler Niederschläge mit Trockenheit zu kämpfen hatten. Die bayerischen Böden waren schwerer und nährstoffreicher. Zuerst wurden überall dieselben Saatgutmischungen ausgebracht. "So konnten wir sehen, wo sich welche Arten am besten entwickeln", sagt Dr. Vollrath. Später passen die Wissenschaftler die Mischungen an, speziell für jede Region.

Zusätzlicher Lebensraum für Tiere und Pflanzen
Energie und Biodiversität im Einklang: Die Malve gehörte zur ersten Testmischung, mit der die "Bayerische Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau" (LWG) Biomasse aus Wildpflanzen herstellte.
Foto: © LWG
Die erste Testmischung bestand vor allem aus einjährigen Kulturen wie Sonnenblumen oder Malven. Im Laufe des Projekts kamen aber mehrjährige Ansaaten zum Einsatz, weil sie zu einer "ganzjährigen Bodenbedeckung" führen, wie die Biologin betont. "Wir haben die Arten so gewählt, dass sie möglichst spät blühen und geerntet werden, und zwar nach den Brutzeiten der meisten Vögel." Das wirkt sich positiv auf die Habitat-Funktion aus, es entsteht ein zusätzlicher Lebensraum für Tiere und Pflanzen. Eine Fläche kann so mehrere Funktionen ausüben und die Flächenkonkurrenz wird entschärft. Außerdem haben viele Blütenpflanzen einen positiven Einfluss auf das Landschaftsbild - und sind wichtig für Insekten: Weil die Wildpflanzen noch im August blühen, finden Bienen auch spät im Jahr Nahrung. Genauso wie andere Insekten, die zum Beispiel von Fledermäusen gejagt werden. Und der Boden selbst? Die Erosionsgefahr geht zurück, weil die Wurzeln der Wildpflanzen tief in das Erdreich eindringen und der Boden ganzjährig bedeckt ist. Die gesamte Bodenbiologie verbessert sich, und die Fruchtbarkeit nimmt zu. Dr. Vollrath: "Der Boden wird nicht so oft gestört, etwa durch das Befahren mit schweren Maschinen."

So weit die ökologischen Aspekte - wie sahen aber die ökonomischen Ergebnisse aus? Wie viel Methan ließ sich durch die Wildpflanzen-Mischungen gewinnen?
Die Wissenschaftler verfolgen in ihrem Projekt zwei Stoßrichtungen: Einen Teil der Mischungen optimieren sie in ökologischer Hinsicht, zum Beispiel durch die ausschließliche Wahl einheimischer Pflanzen. "Da hatten wir eine hohe Artenvielfalt", erklärt Dr. Vollrath, "wobei aber nicht alle Arten viel Biomasse produzierten." Das führte zu Einbußen bei der Methanerzeugung. Andere Mischungen enthalten Stauden fremder Kulturräume, zum Beispiel aus der nordamerikanischen Prärie. Sie sind ökonomisch optimiert, um eine hohe Methanausbeute zu erreichen. "Wir verfolgen immer beide Ziele", so Dr. Vollrath, "mal fällt der Schwerpunkt auf die Ökologie, mal auf die Ökonomie."

Die Messlatte für den ökonomischen Erfolg lag hoch: Der Methan-Ertrag der Wildpflanzen sollte der Ausbeute gleichen, die sich bei Silomais erzielen lässt. Am Standort Miltenberg lag dieser Ertrag 2009 kaum unter den Silomais-Werten der Referenzbetriebe in der Region: Die Wildpflanzen-Mischungen erreichten um die 4.000 Normliter/Hektar, während die Maispflanzen einen Wert von 4.000 bis 5.000 Normliter/Hektar erzielten.

Kosten sparen durch Wildpflanzen
"Um wirtschaftlich zu sein, müssen wir aber nicht die Ergebnisse des Silomaises erreichen", erklärt Dr. Vollrath. Der Grund: Die Wildpflanzen-Mischungen lassen sich extensiv anbauen - viel weniger Dünger ist nötig, und die Bodenbearbeitung erfolgt deutlich seltener. "Da können Landwirte viele Kosten einsparen".

Im Profil

Ingo Leipner, Dipl.-Volkswirt, arbeitet als freier Journalist für Print- und Online-Medien. Sein Schwerpunkt mit der Textagentur EcoWords sind Themen an der Schnittstelle von Ökologie und Ökonomie.
www.ecowords.de
Doch im Moment sind die Methanerträge noch geringer als beim Mais. Daher hat die LWG für 2011 ein Folgeprojekt angesetzt. Eine Frage ist dabei, wie sich die Wildpflanzen-Mischungen am besten in den Produktionsablauf integrieren lassen. Sollten sie in einem Betrieb fünf bis zehn Prozent des herkömmlichen Maisanbaus ersetzen, wäre das bereits ein großer Erfolg. Und Dr. Vollrath kann sich schon jetzt über eine starke Resonanz freuen: "Aus ganz Deutschland kommen Anfragen von Biogasanlagenbetreibern, die mit den Wildpflanzen-Mischungen arbeiten wollen, um etwas gegen die kritische Stimmung in der Bevölkerung zu unternehmen."

Quelle:

Dieser Artikel ist in forum Nachhaltig Wirtschaften 03/2011 - Schöne Aussichten erschienen.



     
        
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