Mikrofinanz: Selbsthilfe oder Schuldenfalle?
Experten diskutieren über Entwicklungen in der Mikrofinanzbranche
Auf Einladung von Oikocredit und Opportunity International trafen sich am 2. März 2011 Vertreter aus Wissenschaft und Praxis in Bonn, um aktuelle Geschehnisse im Mikrofinanzsektor kritisch zu diskutieren. Anlass für das Fachgespräch mit dem Titel "Mikrofinanz: Selbsthilfe oder Schuldenfalle?" war die Berichterstattung über Selbstmorde von Kleinkreditnehmern im indischen Bundesstaat Andhra Pradesh, die mit Überschuldung und hohen Gewinnversprechen einiger kommerzieller Mikrofinanzanbieter in Zusammenhang gebracht wurden. Ziel der Veranstaltung war es, das Fachpublikum differenziert über die aktuelle Situation zu informieren, die Hintergründe von Fehlentwicklungen in einigen Bereichen aufzuzeigen und verschiedene Lösungsansätze zu diskutieren.
"Die Anbieter, die in die Kritik geraten sind, täten gut daran, schnelles Wachstum hinten anzustellen und sich auf die Vorzüge des traditionellen Mikrofinanzwesens zu besinnen", so Prof. Dr. Gertrud Buchenrieder von der Universität der Bundeswehr München, die über traditionelle Formen von Spar- und Kreditvereinen in Afrika forschte. "Dazu gehören eine gezieltere Kundenauswahl, mehr Kundennähe und die Einrichtung von Hilfs- und Risikofonds." Prof. Buchenrieder gab zu bedenken, dass durch solche Zusatzleistungen auch weitere Kosten entstünden. "Wenn die Kosten nicht durch einen sozialen Träger aufgefangen werden, müssen sie vom Kunden über die Zinssätze getragen werden."
"Mikrofinanz hat viel vollbracht, aber bei weitem noch nicht so viele Menschen erreicht wie nötig", sagte Dr. Oliver Schmidt, der seit vielen Jahren in Uganda und Indien Mikrofinanztrainings durchführt. "Die Mehrheit der Menschen in den Ländern des Südens spart unter der Matratze, leiht von Nachbarn oder Händlern und ist bei Notfällen sofort ohne finanzielle Optionen." Eine weitere Kommerzialisierung des Sektors unter Einbezug von nachhaltigen Produkten und marktorientierter Finanzierung sei die einzige Alternative, so Dr. Schmidt. "Leider haben sich viele Mikrofinanzinsitutionen nicht so schnell qualifiziert, wie sie gewachsen sind, aber die Problematik ist nun erkannt und wird angegangen."
"Die in Andhra Pradesh aufgetretenen Fälle von Missständen dürfen nicht dazu führen, dass die Idee der Mikrofinanz als Ganzes diskreditiert wird", sorgte sich Stefan Knüppel, Vorstand von Opportunity International. Deswegen sei die Regulierung von Mikrofinanzmärkten von besonderer Bedeutung. "Die Regulierung darf aber nicht die Kräfte privater Initiativen abwürgen", betonte Knüppel. Mikrofinanz müsse als ganzheitlicher Ansatz verstanden und umgesetzt werden. Zentral sei dabei die soziale Zielsetzung der Arbeit. Wie jeder Kredit sollten Mikrokredite nur nach genauer Auswahl und Prüfung vergeben und auf diese Weise Überschuldung vermieden werden. Zudem sollten Schulungen den Kredit begleiten und die Möglichkeit auf Mikrosparen und den Abschluss von Mikroversicherungen bestehen. So könne eine nachhaltige Armutsreduktion erreicht werden. "Das ist unsere Definition sozialer Mikrofinanz", so Knüppel.
"Durch unsere jahrzehntelange Erfahrung in der Vergabe von Darlehen an Mikrofinanzpartner wissen wir, dass Mikrofinanz dann einen Beitrag zur Armutsbekämpfung leistet, wenn die Mikrofinanzinstutionen verantwortungsbewusst mit dem Instrument umgehen", sagte Dr. Florian Grohs, Geschäftsführer von Oikocredit Deutschland. Diese Verantwortung könne aber nicht nur von Mikrofinanzinstitutionen verlangt werden, auch deren Investoren müssten sich verstärkt zu ethischen Praktiken verpflichten. "Investoren sollten von ihren Mikrofinanzpartnern verlangen, dass sie die international anerkannten Kundenschutzrichtlinien für Endkunden einhalten", so Dr. Grohs weiter. Darüber hinaus sei es genauso wichtig, Partner in der Anwendung von Instrumenten zu schulen, die die soziale Wirkung von Mikrofinanz sicherstellen und kontrollieren.
Eine thematische Einführung in das Fachgespräch Mikrofinanz gab Mathias Mogge, Vorstand Programme bei der Welthungerhilfe. Dr. Rupert Neudeck, Vorstand von Grünhelme e.V. und Gründer von Cap Anamur e.V., führte als Moderator durch die Veranstaltung.
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Fachgespräch "Mikrofinanz: Selbsthilfe oder Schuldenfalle?" |
"Mikrofinanz hat viel vollbracht, aber bei weitem noch nicht so viele Menschen erreicht wie nötig", sagte Dr. Oliver Schmidt, der seit vielen Jahren in Uganda und Indien Mikrofinanztrainings durchführt. "Die Mehrheit der Menschen in den Ländern des Südens spart unter der Matratze, leiht von Nachbarn oder Händlern und ist bei Notfällen sofort ohne finanzielle Optionen." Eine weitere Kommerzialisierung des Sektors unter Einbezug von nachhaltigen Produkten und marktorientierter Finanzierung sei die einzige Alternative, so Dr. Schmidt. "Leider haben sich viele Mikrofinanzinsitutionen nicht so schnell qualifiziert, wie sie gewachsen sind, aber die Problematik ist nun erkannt und wird angegangen."
"Die in Andhra Pradesh aufgetretenen Fälle von Missständen dürfen nicht dazu führen, dass die Idee der Mikrofinanz als Ganzes diskreditiert wird", sorgte sich Stefan Knüppel, Vorstand von Opportunity International. Deswegen sei die Regulierung von Mikrofinanzmärkten von besonderer Bedeutung. "Die Regulierung darf aber nicht die Kräfte privater Initiativen abwürgen", betonte Knüppel. Mikrofinanz müsse als ganzheitlicher Ansatz verstanden und umgesetzt werden. Zentral sei dabei die soziale Zielsetzung der Arbeit. Wie jeder Kredit sollten Mikrokredite nur nach genauer Auswahl und Prüfung vergeben und auf diese Weise Überschuldung vermieden werden. Zudem sollten Schulungen den Kredit begleiten und die Möglichkeit auf Mikrosparen und den Abschluss von Mikroversicherungen bestehen. So könne eine nachhaltige Armutsreduktion erreicht werden. "Das ist unsere Definition sozialer Mikrofinanz", so Knüppel.
"Durch unsere jahrzehntelange Erfahrung in der Vergabe von Darlehen an Mikrofinanzpartner wissen wir, dass Mikrofinanz dann einen Beitrag zur Armutsbekämpfung leistet, wenn die Mikrofinanzinstutionen verantwortungsbewusst mit dem Instrument umgehen", sagte Dr. Florian Grohs, Geschäftsführer von Oikocredit Deutschland. Diese Verantwortung könne aber nicht nur von Mikrofinanzinstitutionen verlangt werden, auch deren Investoren müssten sich verstärkt zu ethischen Praktiken verpflichten. "Investoren sollten von ihren Mikrofinanzpartnern verlangen, dass sie die international anerkannten Kundenschutzrichtlinien für Endkunden einhalten", so Dr. Grohs weiter. Darüber hinaus sei es genauso wichtig, Partner in der Anwendung von Instrumenten zu schulen, die die soziale Wirkung von Mikrofinanz sicherstellen und kontrollieren.
Eine thematische Einführung in das Fachgespräch Mikrofinanz gab Mathias Mogge, Vorstand Programme bei der Welthungerhilfe. Dr. Rupert Neudeck, Vorstand von Grünhelme e.V. und Gründer von Cap Anamur e.V., führte als Moderator durch die Veranstaltung.
Über Opportunity International Opportunity International ist Deutschlands größte gemeinnützige Stiftung für soziale Mikrofinanz. Gemeinsam mit den ebenfalls spendenfinanzierten Partnern im internationalen Opportunity-Netzwerk werden über 2,2 Millionen arme Menschen in 25 Ländern mit Schulungen, Kleinkrediten, Mikrosparen und Mikroversicherungen gezielt beim Aufbau eines kleinen Unternehmens unterstützt. www.oid.org Über Oikocredit Oikocredit ist eine internationale Entwicklungsgenossenschaft, die Menschen auf ihrem Weg aus der Armut hilft, indem sie Kredite und Kapitalbeteiligungen für Mikrofinanzinstitutionen, Genossenschaften sowie kleine und mittlere Unternehmen in Entwicklungsländern bereitstellt. Oikocredit wurde 1975 auf Initiative des Ökumenischen Rates der Kirchen gegründet. Rund 36.000 Einzelpersonen und Organisationen unterstützen Oikocredit mit einer Geldanlage für ethische Zwecke. www.oikocredit.de |
Quelle:
Gesellschaft | Social Business, 03.03.2011

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