Die Revolution der Nachhaltigkeitskommunikation
Wie Unternehmen im Internet mit ihren Zielgruppen in Dialog treten können - und dabei Fallstricke vermeiden
Wenn Unternehmen über ihre CSR- und Nachhaltigkeitsaktivitäten informieren, ist das eigentlich nichts Besonderes mehr. Doch die Nachhaltigkeitskommunikation steht vor einem Paradigmenwechsel: Durch Beteiligung und Vernetzung im Internet, kurz "Web 2.0". Unternehmen, die so mit ihren Stakeholdern in Dialog treten und einige wichtige Regeln beachten, können einen großen Vertrauensvorsprung und damit Wettbewerbsvorteile erzielen.
Am 23. April 2010 erschien in überregionalen Tageszeitungen eine doppelseitige Anzeige der Deutschen Telekom mit dem "Utopia Changemaker Manifest". Am Tag zuvor hatte René Obermann, Vorstandschef des Unternehmens, die zehn Selbstverpflichtungen mit ihren Zielen und konkreten Maßnahmen im Rahmen einer Pressekonferenz unterzeichnet. Zeitgleich wurden diese Informationen auf der Website der Telekom und auf Utopia mit allen Details veröffentlicht. Der Schritt des Telekommunikationskonzerns ist bisher einmalig, weil er zur Diskussion einlädt und einen neuen Umgang mit Kunden, Kritikern und neuen Zielgruppen wagt.
Web 2.0 - aktive Beteiligung und Vernetzung
Eine Studie des Branchenverbandes BITKOM belegt, dass 87,4 Prozent von 400 befragten deutschen Unternehmen der Meinung sind, dass Web 2.0-Technologien in ihrem Unternehmen an Bedeutung gewinnen werden. Mehr als 40 Millionen Menschen sind in Deutschland online. Viele von ihnen nutzen das Internet auch, indem sie sich aktiv an der Erstellung von Inhalten beteiligen, sich vernetzen und sehr schnell einflussreiche Meinungspools entstehen lassen. Sie recherchieren regelmäßig im Netz über Produkte und Dienstleistungen, informieren sich über die Hersteller, stellen Preisvergleiche an oder berücksichtigen Kommentare und Diskussionsbeiträge anderer Nutzer. Das tun sie vor allem in den sozialen Netzwerken: etwa die Hälfte der 40 Millionen nutzen Facebook, Xing und andere Angebote der sozialen Vernetzung. Da erstaunt es nicht, dass immer mehr Unternehmen Web 2.0 ernst nehmen. Auch im Nachhaltigkeitsbereich lohnt sich das: so sind auf utopia.de, Deutschlands größter Internetplattform für "strategischen Konsum und nachhaltigen Lebensstil", mehr als 60.000 Nutzer ("Utopisten") registriert. Neben den Beiträgen der Utopia Redaktion sind sie es, die die inhaltliche Qualität der Seite prägen: sie stellen Blog-Beiträge online, diskutieren über Unternehmen, bewerten mehr als 7.000 Produkte, die im Utopia-Produktguide zusammengefasst sind und sie helfen sich gegenseitig mit Tipps und Empfehlungen.
Parkos - eine neue Konsumentengruppe
"Utopisten" gehören zu einer immer größer werdenden Gruppe von Internetnutzern: die "partizipativen Konsumenten", auch "Parkos" genannt. Sie suchen sich ihren Weg selbst, sind aktiv und kritisch. Sie lassen sich nicht von schönen Versprechungen und "Plastikwörtern" in die Irre führen. So nennt der Freiburger Sprachwissenschaftler Uwe Pörksen in einem Artikel in brand eins jene Wörter, die inflationär und inhaltsschwach verwendet werden. Für viele gehört "Nachhaltigkeit" inzwischen dazu. Umso wichtiger ist es gerade für Unternehmen, diesen Begriff mit konkreten Inhalten zu füllen und glaubwürdig zu kommunizieren. Bei der Pressekonferenz zur Vorstellung des Changemaker Manifests betont Telekom-Chef Obermann dann auch, dass es dem Konzern nicht darum gehe, sich auf Utopia zu "präsentieren", sondern den "Dialog zu intensivieren". Die Erwartungen daran sind hoch. Denn mit der offensiven, dialogorientierten Kommunikation nimmt sich das Unternehmen selbst in die Pflicht und wird in die Pflicht genommen. Communitys, Blogs und Webseiten wie Utopia werden somit zu einem Sensorium, das für die Unternehmen Herausforderung und Chance zugleich ist. Die bisherige, absenderorientierte Nachhaltigkeitskommunikation wird auf den Kopf gestellt. Dabei haben die Internetnutzer klare Erwartungen an die Unternehmen:
Regeln für die erfolgreiche Nachhaltigkeitskommunikation
In den ersten zwei Jahren seit der Gründung von Utopia (November 2007) waren mehr als vier Millionen Besucher auf der Webseite und haben sich informiert und ausgetauscht, haben Diskussionen gestartet und mit Unternehmen kritische Debatten geführt. Die für beide Seiten konstruktivsten Dialoge entstanden dann, wenn die Unternehmen die wichtigsten Regeln beachtet haben. Dazu gehören:
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Sicheres Netz oder Fallstricke: Durch die Interaktion im Web 2.0 steht die Unternehmenskommunikation vor neuen Herausforderungen. |
Web 2.0 - aktive Beteiligung und Vernetzung
Eine Studie des Branchenverbandes BITKOM belegt, dass 87,4 Prozent von 400 befragten deutschen Unternehmen der Meinung sind, dass Web 2.0-Technologien in ihrem Unternehmen an Bedeutung gewinnen werden. Mehr als 40 Millionen Menschen sind in Deutschland online. Viele von ihnen nutzen das Internet auch, indem sie sich aktiv an der Erstellung von Inhalten beteiligen, sich vernetzen und sehr schnell einflussreiche Meinungspools entstehen lassen. Sie recherchieren regelmäßig im Netz über Produkte und Dienstleistungen, informieren sich über die Hersteller, stellen Preisvergleiche an oder berücksichtigen Kommentare und Diskussionsbeiträge anderer Nutzer. Das tun sie vor allem in den sozialen Netzwerken: etwa die Hälfte der 40 Millionen nutzen Facebook, Xing und andere Angebote der sozialen Vernetzung. Da erstaunt es nicht, dass immer mehr Unternehmen Web 2.0 ernst nehmen. Auch im Nachhaltigkeitsbereich lohnt sich das: so sind auf utopia.de, Deutschlands größter Internetplattform für "strategischen Konsum und nachhaltigen Lebensstil", mehr als 60.000 Nutzer ("Utopisten") registriert. Neben den Beiträgen der Utopia Redaktion sind sie es, die die inhaltliche Qualität der Seite prägen: sie stellen Blog-Beiträge online, diskutieren über Unternehmen, bewerten mehr als 7.000 Produkte, die im Utopia-Produktguide zusammengefasst sind und sie helfen sich gegenseitig mit Tipps und Empfehlungen.
Parkos - eine neue Konsumentengruppe
"Utopisten" gehören zu einer immer größer werdenden Gruppe von Internetnutzern: die "partizipativen Konsumenten", auch "Parkos" genannt. Sie suchen sich ihren Weg selbst, sind aktiv und kritisch. Sie lassen sich nicht von schönen Versprechungen und "Plastikwörtern" in die Irre führen. So nennt der Freiburger Sprachwissenschaftler Uwe Pörksen in einem Artikel in brand eins jene Wörter, die inflationär und inhaltsschwach verwendet werden. Für viele gehört "Nachhaltigkeit" inzwischen dazu. Umso wichtiger ist es gerade für Unternehmen, diesen Begriff mit konkreten Inhalten zu füllen und glaubwürdig zu kommunizieren. Bei der Pressekonferenz zur Vorstellung des Changemaker Manifests betont Telekom-Chef Obermann dann auch, dass es dem Konzern nicht darum gehe, sich auf Utopia zu "präsentieren", sondern den "Dialog zu intensivieren". Die Erwartungen daran sind hoch. Denn mit der offensiven, dialogorientierten Kommunikation nimmt sich das Unternehmen selbst in die Pflicht und wird in die Pflicht genommen. Communitys, Blogs und Webseiten wie Utopia werden somit zu einem Sensorium, das für die Unternehmen Herausforderung und Chance zugleich ist. Die bisherige, absenderorientierte Nachhaltigkeitskommunikation wird auf den Kopf gestellt. Dabei haben die Internetnutzer klare Erwartungen an die Unternehmen:
- Dass Unternehmen das, was sie sagen, auch tun.
- Dass man klar erkennen kann, was sie tun und warum sie es tun.
- Dass Unternehmen mit ihnen proaktiv in Dialog treten.
- Und dass sie das kontinuierlich machen.
Regeln für die erfolgreiche Nachhaltigkeitskommunikation
In den ersten zwei Jahren seit der Gründung von Utopia (November 2007) waren mehr als vier Millionen Besucher auf der Webseite und haben sich informiert und ausgetauscht, haben Diskussionen gestartet und mit Unternehmen kritische Debatten geführt. Die für beide Seiten konstruktivsten Dialoge entstanden dann, wenn die Unternehmen die wichtigsten Regeln beachtet haben. Dazu gehören:
- Glaubwürdigkeit: wer auf dem Prüfstand zwischen Rhetorik und Realität steht und sich in einen permanenten Vertrauens-Check begibt, sollte die dafür nötige Glaubwürdigkeit vorher aufbauen.
- Authentizität: wer sich hinter Marketingsprüchen versteckt, wird nicht ernst genommen. Auch Unternehmensvertreter müssen und dürfen im Web 2.0 persönlich erfahrbar sein und ihre Interessen und Befindlichkeiten vermitteln.
- Dialogbereitschaft: die Nutzer sind an Dialog interessiert - und zwar auf Augenhöhe! Wer zuhören kann und auf Argumente eingeht, erfährt Wertschätzung auch durch die schärfsten Kritiker.
- Transparenz: Probleme und Schwächen dürfen thematisiert werden. Und Verbesserungsvorschläge der Nutzer können Innovationstreiber für die Unternehmen sein.
- Langer Atem: erfolgreiche Web 2.0-Kommunikation braucht Kontinuität. Wer sich in den Dialog begibt und beim ersten Gegenwind wieder verschwindet (denn der wird kommen!), baut kein Vertrauen auf.
Unternehmen, die das Internet für Nachhaltigkeitskommunikation nutzen wollen, befürchten oft den "Kontrollverlust": entstehen ungewollte Diskussionen? Kritische Fragen? Sind wir überzeugend genug mit unseren Argumenten? Das sind nachvollziehbare Bedenken - nur werden sie nicht dadurch aufgehoben, dass Unternehmen sich dem Dialog entziehen. Denn die Diskussionen gibt es trotzdem. Wenn Unternehmen sich daran im Netz nicht beteiligen, werden sie dennoch geführt, nur eben ohne das Unternehmen und seine Argumente. Deshalb führt die Präsenz im Internet durch eine proaktive Web 2.0-Kommunikation nicht zu "Kontrollverlust". Sie erweitert vielmehr die Handlungsmöglichkeiten der Unternehmen. Unter einer Voraussetzung: Web 2.0-Aktivitäten haben nur Sinn, wenn sie Teil einer Gesamtstrategie sind. Wer nur dabei sein will, weil's alle machen, verspielt die Chancen, die sich ihm bieten.
Von Martin Kleene
![]() Martin Kleene führt zusammen mit Gregor Wöltje die auf Nachhaltigkeit spezialisierte Unternehmensberatung KleeneWöltje (www.woeltjekleene.de). Er ist ein Mitgründer von Utopia und begleitet Utopia bis heute als Kurator der Stiftung und als Aufsichtsrat. Er lebt in München, wo er auch Lehrbeauftragter am Institut für Kommunikationswissenschaft der Ludwig-Maximilians-Universität ist. Um den Wissenstransfer zwischen Forschung/Lehre und Unternehmen für nachhaltiges Wirtschaften zu fördern, hat er vor kurzem agimondo gegründet (www.agimondo.de). |
Quelle:
Wirtschaft | Marketing & Kommunikation, 12.08.2010
Dieser Artikel ist in forum Nachhaltig Wirtschaften 03/2010 - Die Verantwortung der Medien erschienen.

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