Alexander Appel
Technik | Green IT, 13.12.2025
Wandel zu Netto-Null
Klimaneutralität digital und wirtschaftlich denken
Die aktuelle Debatte um das deutsche Klimaneutralitätsziel – 2040 versus 2050 – verdeutlicht: Die Frage ist nicht, ob Unternehmen den Wandel hin zu Netto-Null gestalten, sondern wie effizient. Wesentlich ist, die CO2-Emissionen nicht nur zu bilanzieren, sondern auch wirtschaftlich zu steuern.
Seit dem Pariser Klimaabkommen gilt das 1,5-Grad-Ziel. Doch neue Untersuchungen zeigen, dass dieses schon jetzt kaum noch zu halten ist. Selbst drei Grad bis 2050 können nicht mehr ausgeschlossen werden. Die Belastungsgrenzen des Planeten werden immer weiter überschritten, und es müssen dringend Lösungen gefunden werden, um den Schutz und die Widerstandsfähigkeit zu stärken. Laut dem Planetary Health Check bleiben etwa fünf Jahre, um den Kurs zu ändern. Die Studie, die unter der Leitung des Potsdam-Instituts für Klimaforschung erstellt wird, untersucht jährlich systematisch und ganzheitlich den Zustand der Erde. Nach Ansicht der Forscher müssen die CO2-Emissionen bis 2030 um die Hälfte reduziert werden, um das ganze System in ein gesundes Gleichgewicht zurückzuführen.
Unternehmen stehen damit mehr denn je in der Verantwortung, ihren Beitrag zum Klimawandel zu leisten. Das lohnt sich nicht nur ökologisch, sondern auch ökonomisch. Länder, die zielstrebig auf erneuerbare Energieträger umstellen, verbessern ihre Chancen auf wirtschaftliche Stabilität und Wettbewerbsfähigkeit. Die relative Geschwindigkeit der Energiewende ist dabei entscheidend - Nachzügler sind deutlich höheren Transformationsrisiken ausgesetzt.
Vom Plan zur Aktion
Laut der internationalen Non-Profit-Organisation CDP hat zwar knapp die Hälfte der europäischen Betriebe grundsätzlich Klimaschutzpläne, die sich am Klimaabkommen orientieren. Doch weniger als fünf Prozent können nachweisen, wie sie diese erreichen und umsetzen wollen. Es fehlen eine konkrete Dekarbonisierungsstrategie und der Nachweis, dass ernsthafte Maßnahmen ergriffen werden.
In diesem Zuge ist es nicht von Vorteil, dass die Politik mit Maßnahmen wie den Omnibus-Paketen zusätzlich den Druck zur Transformation nimmt. So werden rund 80 Prozent der Unternehmen aus dem Scope der CSRD entnommen, die Zeitleiste der Reportingpflichten wird nach hinten verschoben und die Schwellenwerte, die Überwachung von Lieferanten und Sanktionen erheblich reduziert.
Dekarbonisierung Budget-kompatibel ausrichtenDa es durchschnittlich zweieinhalb Jahre dauert, eine 1,5-Grad-Strategie zu entwickeln, sollten Unternehmen ihre Bemühungen zeitnah intensivieren. Den Anfang einer nachhaltigen Transformation bildet eine individuelle und zielgerichtete "Sustainability Roadmap". Damit haben Unternehmen einen transparenten, ganzheitlichen und messbaren Fahrplan für die Transformation zu nachhaltigeren Produkten, Dienstleistungen, Prozessen und einer wertorientierten Unternehmensführung an der Hand. Nachhaltigkeitsziele werden dabei mit den übergeordneten Unternehmenszielen abgestimmt beziehungsweise daraus abgeleitet.
Sind die Ziele einmal gesetzt, bedarf es effektiver und effizienter Steuerungsmechanismen, mit denen zum einen emissionsintensive Hotspots aufgedeckt und zum anderen der Unternehmensbeitrag zur nachhaltigen Entwicklung in Echtzeit messbar und transparent gemacht werden kann. Unternehmen sollten KPIs identifizieren, die im Einklang mit den Sustainability Development Goals der UN sowie den ESG-Kriterien des Finanzmarkts stehen.
Ein zentraler Steuerungsindikator im unternehmerischen Klimamanagement ist die ökonomische Emissionsintensität: Wie viele CO2-Emissionen entstehen pro Euro Umsatz, Tonne Produkt oder Dienstleistungseinheit? Diese Kennzahl verbindet Klimawirkung mit wirtschaftlicher Effizienz – und ist damit besonders relevant für Industrieunternehmen.
Wer diese Metrik kennt und verfolgt, kann eine Vergleichbarkeit zwischen Standorten, Produkten oder Geschäftsbereichen herstellen, Benchmarking mit Wettbewerbern durchführen, Hotspots im Unternehmen identifizieren und priorisieren, Entscheidungen in F&E sowie Einkauf und Produktion an Klimazielen ausrichten.
In der Praxis bedeutet das: Statt pauschale Kompensationen oder End-of-Pipe-Technologien, kann gezielt dort angesetzt werden, wo die höchste „CO2-Rendite" erzielt wird – also am meisten Emissionen je investiertem Euro gesenkt werden.
CO2-Steuerung digital abbilden
Das Zusammenspiel von Budgetdenken und Emissionsintensitätsanalyse schafft eine neue Qualität der Dekarbonisierungs-Steuerung. Unternehmen können damit nicht nur Emissionen messen – sondern aktiv priorisieren, wo und wann Investitionen am meisten wirken. Ein Beispiel: Ein Werk verursacht zehn Prozent der Emissionen, aber 30 Prozent des Umsatzes – und seine Intensität sinkt durch Elektrifizierung drastisch. Die Priorität ist hoch.
Ein anderer Bereich hat zwar hohe Emissionen, aber sehr geringe Wertschöpfung und kaum Reduktionspotenzial. Hier sind langfristige Transformation mit Ausgleichsstrategie sinnvoller. Diese Kombination erlaubt die ökonomische Optimierung der Klimastrategie – eine Voraussetzung für fundierte Investitionsentscheidungen.
Ohne digitale Unterstützung ist dieses Steuerungsniveau jedoch kaum erreichbar. Moderne Carbon-Management-Plattformen machen CO2-Budgets, Intensitäten und Szenarien sichtbar, vergleichbar und handlungsleitend. Das schafft Transparenz und Kontrolle. Mit Digital Carbon Management können Unternehmen Scope-1, -2 und -3-Emissionen automatisiert erfassen, in Echtzeit monitoren und Forecastings durchführen, Reduktionsmaßnahmen simulieren, Daten von Lieferanten integrieren sowie Berichtsplichten erfüllen.
Aufbau einer Software-Defined Sustainability OrganizationEine leistungsstarke Datenplattform, wie oben beschrieben, steht im Zentrum einer Software-Defined Sustainability Organization (SDSO), einer Art neues Betriebsmodell. Nachhaltigkeit wird hier nicht nur berichtet, sondern über Abteilungsgrenzen hinweg in Echtzeit aktiv gesteuert und dient als Entscheidungsgrundlage für Einkauf, Produktion und Strategie. Dabei werden interne Systeme mit externen Datenquellen verbunden – so entsteht eine einheitliche, strukturierte und konsistente Datengrundlage.
Ein zentrales Element der SDSO ist der Einsatz von künstlicher Intelligenz als Enabler für bessere Entscheidungen, höhere Qualität und mehr Effizienz. Typische Anwendungsfelder sind Vorhersagen von Emissionen basierend auf Produktionsdaten oder Lieferantenverhalten, Identifikation von Risiken und Vorschläge für Verbesserungsmaßnahmen.
Der Aufbau einer SDSO ist aus mehreren Gründen sinnvoll: Automatisierte Prozesse senken den Personaleinsatz, standardisierte Reports minimieren den Prüfaufwand, Frühwarnsysteme und aktives Risikomanagement verhindern Verstöße oder Lücken und Audit-Trails machen Sustainability Daten prüfungssicher. Zugleich steigert die SDSO das Vertrauen von Investoren und Aufsichtsbehörden – weil Entscheidungen datenbasiert, nachvollziehbar und professionell getroffen werden. Die Transformation lohnt sich also ökologisch sowie ökonomisch.
Um eine solche Organisation umzusetzen, braucht es kein großes Projekt, sondern einen schrittweisen, interdisziplinären Ansatz, bei dem Nachhaltigkeit, IT, Compliance und Strategie gemeinsam agieren. Die Herausforderung liegt weniger in der Technik, als im Denken: die Zukunft von Unternehmen und Planeten liegt in einer nachhaltigen und digitalen Transformation.
Alexander Appel begleitet die ganzheitliche Transformation zur Nachhaltigkeit von Unternehmen von der Strategie bis zur Implementierung. Seine Fokusthemen sind die Etablierung der Kreislaufwirtschaft, die Emissionsberechnung auf Unternehmens- und Produktebene sowie die Entwicklung neuer, nachhaltiger Geschäftsmodelle.
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