Wirtschaft | Branchen & Verbände, 09.12.2025
Vom Trend zur Transformation
Wie Nachhaltigkeit die Modebranche neu ausrichtet
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Nachhaltigkeit ist zu einem wichtigen Unterscheidungsmerkmal in der Modebranche geworden. Das gestiegene Umweltbewusstsein beeinflusst auch die Entscheidung der Konsumenten beim Kauf von Bekleidung, Schuhen und Textilien.
Klimaschutz und Langlebigkeit werden zunehmend als wichtige Kriterien angesehen. Die Zahl der jährlich neu gekauften Kleidungsstücke sinkt langsam, während die Tragedauer einzelner Artikel steigt. Der Wandel der Modeindustrie hin zu mehr Nachhaltigkeit ist jedoch mehr als eine Markenstrategie. Umfassende neue EU-Vorschriften verändern die Modebranche grundlegend und zwingen Hersteller dazu, ihre Herangehensweise bei der Ressourcenbeschaffung, Produktion und dem Abfallmanagement zu überdenken. Das Analystenhaus Global Market Insights prognostiziert für Europa, dass bis 2034 der Markt für nachhaltige Bekleidung jährlich um durchschnittlich 8,7 % wächst. Der Wandel in Richtung mehr Nachhaltigkeit bringt für Unternehmen zwar große Herausforderungen mit sich, eröffnet aber auch wertvolle Chancen für Innovation, Effizienz und langfristiges Wachstum.
Die Regulierung nimmt zu
Der Ruf nach Bürokratieabbau wird lauter, doch gleichzeitig wächst die Erkenntnis, dass sich das Ziel einer nachhaltigeren Wirtschaft nur durch klare Regeln und Vorschriften erreichen lässt. Die Modebranche, die in der Vergangenheit erheblich zur Ressourcenverschwendung und Umweltverschmutzung beigetragen hat, wird mit einer Reihe anderer Branchen strenger reguliert und kontrolliert. Die drei wichtigsten Richtlinien sind:
- Die Ökodesign-Verordnung für nachhaltige Produkte (ESPR), die Langlebigkeit, Recyclingfähigkeit und Transparenz bei der Produktgestaltung vorschreibt.
- Die Richtlinie über die Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen (CSRD), die große Unternehmen dazu verpflichtet, detaillierte Daten zu ihren ökologischen und sozialen Auswirkungen offenzulegen.
- Richtlinie zur erweiterten Herstellerverantwortung (EPR), die Produzenten und Markenhersteller für die Umweltauswirkungen ihrer Produkte über den gesamten Lebenszyklus hinweg – insbesondere an dessen Ende – in die Verantwortung nimmt, damit sich das Abfallvolumen reduziert und die Recyclingquote erhöht.
Unternehmen der Modebranche bemühen sich, darauf Antworten zu finden. Sie erarbeiten Strategien für eine langfristige Agenda, manche haben sich auch öffentlichkeitswirksam zu einer deutlichen Reduzierung ihrer CO2-Emissionen verpflichtet. Die Realität hinkt diesen Ambitionen jedoch hinterher. Eine globale Studie von McKinsey zeigt, dass Modeunternehmen sich zwar im Schnitt dazu verpflichtet haben, ihre Scope-1 (direkte Emissionen, die aus Quellen stammen, die ein Unternehmen besitzt oder kontrolliert) und Scope-2-Emissionen (indirekte Emissionen, die durch den Verbrauch von eingekaufter Energie wie Strom, Wärme oder Kühlung entstehen) bis 2030 um etwa 55 % zu reduzieren. Bei den Scope-3-Emissionen (indirekte Emissionen, die entlang der gesamten Wertschöpfungskette entstehen, aber nicht direkt vom Unternehmen kontrolliert werden oder in dessen Besitz sind) soll die Reduktion etwa 35 % betragen. Aber nur 37 % der Hersteller sind auf dem Weg, ihre Dekarbonisierungsziele tatsächlich bis 2030 zu erreichen.
Nachhaltigkeit begünstigt Innovationen und Wachstum
Viele Modeunternehmen – insbesondere kleinere, mittelständische Betriebe – stehen im Zuge dieser Vorschriften vor großen Herausforderungen. Ähnlich wie andere Branchen, beklagt auch der Schuh- und Bekleidungssektor die andauernde Wirtschaftsflaute und dadurch bedingte Umsatzeinbußen, während gleichzeitig die Kosten für Personal und Rohstoffbeschaffung steigen. Vorausschauende Unternehmen haben jedoch erkannt, dass Complianceanforderungen nicht nur Kosten verursachen, sondern auch Innovationen vorantreiben und zu neuen Geschäftsmodellen führen können. Vor allem die Bereiche zirkuläre Mode, also kreislauffähige Bekleidung, Reparatur und nachhaltige Materialien bieten gute Möglichkeiten für nachhaltige und zukunftsfähige Ansätze.
Das Textilabfall-Managemet ist dafür ein gutes Beispiel. Moderne ERP-Systeme (Enterprise Resource Planning), mit denen Unternehmen ihre Ressourcen und Geschäftsprozesse über mehrere Standorte hinweg automatisiert planen und verwalten können, nehmen Hersteller durch ihre Funktionsweise in die Pflicht, Verantwortung für den gesamten Lebenszyklus ihrer Produkte zu übernehmen. Damit treiben sie Innovationen in den Bereichen Material, Design und Recycling voran. Ein zentraler Punkt dabei ist die automatisierte Datenerfassung, die Datenanalyse sowie die Erstellung der erforderlichen Nachhaltigkeitsberichte.
Daten spielen eine zentrale Rolle
Damit die neuen EU-Vorgaben für eine bessere Nachhaltigkeit erfüllt werden können, müssen Unternehmen die verwendeten Materialien sowie die Emissionen und Abfälle, die beim Produktionsprozess entstehen, über die gesamte Lieferkette hinweg verfolgen. Mit der ab 2027 verbindlich festgelegten Einführung von Digitalen Produktpässen (DPP) sowie KI-basierten Analysen werden Unternehmen dabei unterstützt, wertvolle Echtzeit-Einblicke zu gewinnen, die Compliance-Berichterstattung zu optimieren und fundierte Entscheidungen zu treffen. Das führt zu einer Reduzierung der Umweltbelastung und verbessert die betriebliche Effizienz. Die Einbettung einer ESG (Environmental Social Governance)-Strategie sowie die Integration von ESG -Daten in das zentrale ERP-System kann ebenfalls dazu beitragen, die Transparenz zu erhöhen und bessere Einblicke in die Prozesse zu gewinnen.
Entscheidend dabei ist, dass die Voraussetzung für die richtige Datenbasis geschaffen wird – z.B. mittels Datenpflege – denn die Qualität der Daten entscheidet über die Qualität der getroffenen Entscheidungen. Dazu müssen bestehende Datensilos aufgelöst und Daten aus den unterschiedlichen Transaktionssystemen, Lieferketten und anderen Quellen gesammelt werden. Von diesem zentralen Ort im System aus, an dem die Daten zusammengeführt und gespeichert werden, können KI-gestützte Metriken und Echtzeit-Dashboards bereitgestellt werden. Dies ermöglicht es, informierte und datenbasierte Entscheidungen für eine Vielzahl von Anwendungsfällen zu treffen. Die Integration von ESG-Daten kann z.B. Einblicke in die Nachhaltigkeit von Produktverpackungen liefern und Unternehmen helfen, ihre EPR-Verpflichtungen zu erfüllen: Alle relevanten Daten werden zur Verfügung gestellt und dokumentiert – von der CO2-Bilanz bis hin zu detaillierten Informationen über die verwendeten Materialien.
Kreislaufwirtschaft neu gedacht
Die EU-Regulierungen zwingen Hersteller dazu, bereits beim Design von Kleidung, Schuhen und anderen Textilien das Ende der Lebensdauer sowie die Entsorgung ihrer Produkte zu berücksichtigen und stärker auf Recyclingfähigkeit und Materialinnovationen zu setzen. Smarte Lösungen in der Produktion auf Basis von KI und Cloud-Technologie können dabei helfen, den Ressourcenverbrauch zu optimieren, Abfall zu reduzieren und den Übergang zu Kreislauf- und regenerativen Modellen zu unterstützen.
Um eine Kreislaufproduktion in großem Maßstab zu ermöglichen, benötigen Unternehmen integrierte digitale Fähigkeiten, die die Entwicklung, Beschaffung, Fertigung und Logistik in Echtzeit miteinander verbinden. Die Teilabschnitte eines Produktionsprozesses sollten nicht mehr einzeln betrachtet, sondern zusammengeführt und als Ganzes gedacht werden. Technologien wie Cloud-Plattformen und KI-gesteuerte Planungstools ermöglichen es Unternehmen, verschiedene Szenarien zu simulieren und auf Basis dieser Erkenntnisse zu optimieren. Das Ergebnis sind weniger Abfälle, eine höhere Ausbringung und eine bessere Rückverfolgbarkeit.
Fazit:
Modemarken, die den Einsatz smarter Technologien als integralen Bestandteil ihrer Nachhaltigkeitsstrategie begreifen, eröffnen sich erhebliche Potenziale für die Zukunft der Branche. Sie können die Umweltbelastungen senken und gleichzeitig von wirtschaftlichen Vorteilen profitieren. Durch Investitionen in digitale und datenbasierte Prozesse können sie nicht nur den zunehmenden regulatorischen Anforderungen gerecht werden, sondern auch effizientere und ressourcenschonendere Betriebsmodelle entwickeln.
Autorin: Helene Behrenfeldt, Senior Industry Strategy Director Fashion bei Infor
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