Die Natur kann ohne uns leben – wir nicht ohne sie

Ein globaler Paradigmenwechsel im Verhältnis von Mensch und Natur durch visionäre Gesetzgebungen

Die Beziehung des Menschen zur Natur war nicht immer so entfremdet wie heute. Früher galt der Mensch als Teil der natürlichen Ordnung, geprägt von Religionen, Philosophie und spirituellen Traditionen. Erst mit der industriellen Revolution setzte eine Trennung ein: Natur wurde zur Ressource degradiert – mit weitreichenden ökologischen und sozialen Folgen.

Neshan Gunasekera, CEO des World Future Council und Kathryn Gwiazdon, IUCN-Ratsmitglied übergeben den Global Impact Award für das Te Award Tubus-Gesetz stellvertretend an Aroha Mead, Politikwissenschaftlerin, Expertin für indigenes und Maori-Recht. ©IUCN/Abhi Indrarajan/Workers Photos
Heute steht die Menschheit vor einer existenziellen Herausforderung: Umweltzerstörung, Artensterben und Klimakrise erfordern ein Umdenken. Dabei wird deutlich: Eine gesunde Natur ist nicht Luxus, sondern Grundlage für Gesundheit, Wohlstand, Innovation und Frieden. Der Mensch ist Teil eines vernetzten Systems – nicht dessen Mittelpunkt.

Ein Paradigmenwechsel ist notwendig. Der diesjährige World Future Policy Award der Stiftung World Future Council würdigt Gesetze, die neue Wege aufzeigen: Politische Rahmenwerke, die der Natur eigene Rechte zusprechen und eine ethisch fundierte Beziehung zwischen Mensch und Umwelt stärken. Einige stellen wir hier vor.

Bhutan etwa verfolgt mit dem Prinzip des „Bruttonationalglücks" einen ganzheitlichen Ansatz, der ökologische, soziale und spirituelle Werte integriert. Das dortige Biodiversitätsgesetz schützt nicht nur die Umwelt, sondern stärkt auch lokale Gemeinschaften und tradiertes Wissen.

Das Gruppenbild zeigt alle Preisträger und WFC-Delegation auf der Bühne der Preisverleihung am 11. Oktober 2025 in Abu Dhabi ©IUCN/Abhi Indrarajan/Workers Photos
Auch Südafrika und Uganda beeindrucken mit ambitionierten Biodiversitätsgesetzen. Ugandas Umweltgesetz von 2019 ist besonders fortschrittlich: Es verpflichtet zu Umweltverträglichkeitsprüfungen und anerkennt als erstes afrikanisches Gesetz die Rechte der Natur.
 
Diese Idee gewinnt weltweit an Bedeutung – besonders durch die Bewegung der Earth Jurisprudence (Erdrechtsprechung), die der Natur Eigenwert und Rechtsstatus zuschreibt. 2008 wurde Ecuador zum Pionier: Als erstes Land verankerte es die Rechte der Natur in seiner Verfassung. Seither wurden dort sogar Rohstoffprojekte durch Gerichte gestoppt – zum Schutz von Ökosystemen.
 
Auch Kolumbien und Bolivien folgten diesem Beispiel. Panama griff all die neuen Entwicklungen auf und hat mit Gesetz 287 die Natur als Ganzes als Rechtssubjekt anerkannt und sich verpflichtet zu deren Schutz auf allen Ebenen staatlichen Handelns. Beeindruckend: Die Initiative ging von jungen Menschen aus – eine neue Generation setzt Maßstäbe. Dafür gab es den World Future Policy Award.
 
„Was mich bei den Gesprächen im Zuge der Recherchearbeiten zum World Future Policy Award 2025 am meisten berührte, war die Leidenschaft und Ausdauer der Menschen hinter den Gesetzen, die Natur zu achten und zu erhalten. Sie zeigten mir, dass es nie zu spät ist, unsere Lebensgrundlage zu schützen."
Samia Kassid 

In Aotearoa Neuseeland erkennt das Gesetz „Te Awa Tupua" den Whanganui-Fluss als lebendiges Wesen mit eigenen Rechten an – Ausdruck einer indigenen Weltsicht, die Mensch und Natur als untrennbar verbunden versteht. Diese Anerkennung traditioneller Konzepte wie Kaitiakitanga (Hüterschaft) inspiriert weltweit. Für diesen Ansatz erhielt Neuseeland den „Global Impact Award".

Kritiker zweifeln, ob solche Modelle auf westliche Rechtssysteme übertragbar sind. Doch Spanien hat gezeigt, dass es geht: Die Lagune Mar Menor erhielt mit Gesetz 19/2022 als erstes Ökosystem Europas den Status einer juristischen Person – dank einer zivilgesellschaftlichen Initiative unter Leitung der Rechtsphilosophin Teresa Vicente. 

Auf regionaler Ebene wirkt die Tiroler Umweltanwaltschaft seit über 20 Jahren als Stimme der Natur in politischen Prozessen und vor Gericht – ein Vorbild für kooperative, nachhaltige Raumplanung.

Global stärkt auch das neue UN-Abkommen zum Schutz der marinen Biodiversität außerhalb nationaler Hoheitsgebiete (BBNJ) diesen Wandel. Es erkennt die Ozeane als gemeinsames Erbe der Menschheit an und betont Kooperation, Gerechtigkeit und Verantwortung. Hierfür gab es den Vision-Award.

Ein neues Nachhaltigkeitsverständnis braucht narrative und rechtliche Innovation: Nur wenn auch kulturelle und spirituelle Perspektiven, indigenes und lokales Wissen sowie ökologische Ethik zusammenwirken, lassen sich gerechte und zukunftsfähige Lebensgrundlagen sichern.
 
© Samia KassidSamia Kassid ist Dipl. Volkswirtin mit Schwerpunkt Entwicklungszusammenarbeit und Umweltpolitik. Seit 2014 arbeitet sie zu den Rechten von Kindern und jungen Menschen, zukünftigen Generationen sowie der Natur bei der Stiftung World Future Council. Sie leitet das Projekt „World Future Policy Award 2025 Living in Harmony with Nature and Future Generations”.  Die Preisverleihung fand auf dem Kongress der Internationalen Union for Conservation of Nature (IUCN) in Abu Dhabi am 11.10.2025 statt und kann.
 
Mehr informationen auf www.worldfuturecouncil.org
 
Hinweis: In der forum-Ausgabe 02/2026 finden Sie weitere Artikel zum Thema „Rechte der Natur" und Biodiversität.

Für mehr Informationen zu den „Rechte der Natur „Initiativen weltweit und in Deutschland:

Quelle: World Future Council. Stimme zukünftiger Generationen



     
        
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