Kathrin Lehmann
Technik | Energie, 23.11.2025

Energy Sharing

Die Energie der Zukunft als Gemeinschaftsprojekt

Ein Schlüssel zur dezentralen Energiewende ist Energy Sharing. Mit dem unkomplizierten Teilen von gemeinsam produziertem, überschüssigem Strom aus erneuerbaren Energien sind viele realisierbare Hoffnungen verbunden, insbesondere in der Bürgerenergie-Szene. Was braucht es, um Energy Sharing zu einem echten Booster für die Energiewende zu machen?

Schematische Darstellung Energy Sharing © Österreichische Koordinationsstelle Energiegemeinschaften Stark vereinfacht können zwei Arten von Energy Sharing unterschieden werden: erstens das zeitgleiche Erzeugen, Verbrauchen und Teilen von Grünstrom aus gemeinschaftlich betriebenen Photovoltaik- und Windenergieanlagen, sogenannten Bürgerenergieanlagen, in einer bestimmten Region. Und zweitens der Peer-to-Peer-Handel mit Überschussstrom aus privaten Photovoltaikanlagen, potenziell bundes- bis europaweit. 

Bürgerenergieanlage in Mooshof, © DUHNachfolgend soll es vorrangig um Energy Sharing im Kontext von Bürgerenergieanlagen gehen, denn hier besteht größtes Potenzial für Bürgerbeteiligung, Teilhabe und Akzeptanz – und damit für die weitere Demokratisierung des Energiesystems. Schließlich können alle Bürgerinnen und Bürger, insbesondere auch zur Miete Wohnende, als Teil einer Energy-Sharing-Gemeinschaft an der Energiewende teilhaben und diese mit eigenem Kapital vorantreiben.
 
Es braucht weder ein eigenes Dach noch hohe finanzielle Ressourcen oder eine Zustimmung der Vermietenden, um mitmachen zu können. Das steigert zum einen die Identifikation der Bürgerinnen und Bürger mit dem gemeinsamen Projekt und fördert die Akzeptanz der Energiewende.
 
Durch Regionalisierung und Dezentralisierung ergeben sich zum anderen volkswirtschaftliche Gewinne, da Erzeugung und Verbrauch regional ausgeglichen werden, in dem Fall der Netzausbau reduziert werden könnte, und die lokale Wertschöpfung gestärkt wird.

Ziel: Energie gemeinschaftlich erzeugen und nutzen
Erneuerbaren Strom in gemeinschaftlich betriebenen Bürgerenergieanlagen zu erzeugen, ist bereits seit vielen Jahren gängige Praxis in Energiegenossenschaften. Einziges Manko: Bislang handelte es sich um reine Erzeugergemeinschaften. Denn der Strom wird in der Regel vollständig in das öffentliche Netz eingespeist und über das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) vergütet.
 
Für eine Stärkung der Bürgerenergie-Genossenschaften im Energiesystem der Zukunft und einen zusätzlichen wirtschaftlichen Nutzen für die Mitglieder und die Region sind neben der Erzeugung aber auch der vergünstigte zeitgleiche Verbrauch nötig. 

Um diesen zu schaffen, hat die EU 2018 in Artikel 22 der Erneuerbare-Energien-Richtlinie (RED II) die Voraussetzungen für Energy Sharing geschaffen und festgeschrieben, dass Erneuerbare-Energien-Gemeinschaften gemeinschaftlich Energie produzieren, verbrauchen, speichern und verkaufen dürfen. In vielen Ländern wurden seither unterschiedliche Modelle des Energy Sharings entwickelt und umgesetzt.
 
Das österreichische Vorgehen gilt in der Szene als Vorzeigebeispiel. Im Mai 2024 hat die EU zudem die Novelle der Strommarkt-Richtlinie verabschiedet, welche neue Rechte und Pflichten für Teilnehmende an Energy Sharing etabliert. Diese müssen mit einer Umsetzungsfrist von zwei Jahren in den Mitgliedsstaaten umgesetzt werden.

Deutschland steht bislang – und weiterhin auf der Bremse
Wichtige Akteure & Infos
EU-Grundlage für Energy Sharing:  
Zentrale Umsetzungsvorschläge und Bestandsaufnahmen: 
Wichtige Akteur*innen: 
  • Bündnis Bürgerenergie (BBEn)
  • Deutscher Genossenschafts- und Raiffeisenverband (DGRV)
  • Bundesverband Erneuerbare Energie e. V. (BEE)
  • Bundesverband Neue Energiewirtschaft e. V. (BNE)
  • Ökostromanbieter (Naturstrom AG, Green Planet Energy, EWS Schönau, Bürgerwerke eG)
  • Solarenergie-Förderverein Deutschland e. V. (SFV)
Das brachte nun endlich die Bundesregierung – sechs Jahre nach der ersten EU-Richtlinie – zum Handeln. Während ohne regulatorischen Rahmen die gemeinschaftliche Nutzung und das Teilen von Ökostrom energiewirtschaftlich höchst aufwendig und damit teuer ist, soll der am 21.11.2025 vom Bundesrat verabschiedete Paragraph 42c des Energiewirtschaftsgesetzes den Zugang zum Strommarkt für Haushalte, KMU und öffentliche Einrichtungen mit Energy Sharing öffnen. 

Mit dem neuen Gesetz wird ermöglicht, dass die Vollversorgungspflicht entfällt (ein separater Lieferant also Reststrom liefert) und weitere „formelle" Lieferantenpflichten (darunter Anzeige als Energielieferant, Stromkennzeichnungspflicht) bis zu einem gewissen Schwellenwert der Energieproduktion entfallen.

Während das in der Tat hilfreiche Bestimmungen sind, gibt es dringenden Nachbesserungsbedarf an dem Gesetz, ohne welche das Potential von Energy Sharing zu verpuffen droht:
  1. Finanzielle Incentivierung: Derzeit müssen Energy-Sharing-Projekte die regulären Netzentgelte zahlen, was das Geschäftsmodell absehbar unrentabel macht. Vorstellbar wäre, diese nur für Netzebene 6-7 zu zahlen. Außerdem könnte es eine Anschubfinanzierung für Energy-Sharing-Projekte geben, insbesondere bei Beteiligung vulnerabler Haushalte.
  2. Einrichtung einer zentralen Anlaufstelle: Da wesentliche Bestimmungen des Gesetzes sehr bürokratisch und kompliziert in der Umsetzung sind (Vertragsmodelle, energiewirtschaftliche Abrechnung), sollte nach österreichischem Vorbild eine öffentlich finanzierte Anlaufstelle für alle Energy-Sharing-Interessierte eingeführt werden.
  3. Klarstellung der Rolle der Bürgerenergie: Derzeit sind Akteure, deren primäre Tätigkeit der Anlagenbetrieb ist, vom Energy Sharing ausgeschlossen. Das könnte – neben großen Energiekonzernen, für die das Sinn ergibt – im Grunde alle Bürgerenergiegemeinschaften treffen, welche jedoch zentrale Enabler des Energy Sharing sein sollen. Hier braucht es dringend Klarstellung.
  4. Energy-Sharing als Pflichtanwendungsfall des Smart-Meter-Rollouts: Für eine korrekte Bilanzierung braucht es beim Energy Sharing einen Smart Meter. Damit solche Projekte schnell umgesetzt werden, sollte sie als Pflichtanwendungsfall gelten.
Die Zivilgesellschaft kann handeln
Der neue rechtliche Anspruch auf Energy Sharing ist eine große Chance für die Energiewende in Bürgerhand, die aktuelle Fassung des dazugehörigen Gesetzes bringt aber ernste Fehlstellen mit, die eine Umsetzung in der Breite absehbar behindern werden. Wie so oft liegt es auch an den Verbraucherinnen und Verbrauchern, Energy Sharing in Deutschland Realität werden zu lassen.
 
Aktuell bestehen hier vor allem folgende Hebel: 
  1. Bürgerenergie-Genossenschaften und Dachverbänden beitreten und sich für bessere politische Rahmenbedingungen engagieren.
  2. Beim Netzbetreiber den Einbau eines Smart Meters forcieren.
  3. Petitionen initiieren oder unterstützen und damit z.B. das Recht auf resiliente Energieversorgung gegenüber der Politik einfordern. Zum Beispiel die Petition der DUH: www.mitmachen.duh.de/dezentrale-energiewende 
Zivilgesellschaftliche Organisationen müssen gemeinsam ihre Stimme erheben, um den Druck gegenüber der Bundesregierung hochzuhalten.
 
Ob Bürgerenergie-, Umwelt-, Sozial- und Wohlfahrts- oder kommunaler Spitzenverband – es gibt zahlreiche gute Argumente für Energy Sharing: Bürgerbeteiligung und Akzeptanz, beschleunigter Ausbau der erneuerbaren Energien, Absicherung gegen volatile Energiepreise und regionale Wertschöpfung – um nur die wichtigsten zu nennen. 

Kathrin Lehmann ist Klimaaktivistin und Politikwissenschaftlerin mit Fokus auf globale und lokale Aspekte der Klimagerechtigkeit. Seit 2023 ist sie Referentin für die „Energiewende von unten" bei der Deutschen Umwelthilfe (DUH). Ihr Traum ist es, mit Energy Sharing bestehende Machtungleichheiten am Strommarkt zwischen Großkonzernen und Bürger*innen zugunsten letzterer aufzubrechen.
 
Rupert Wronski ist Politikwissenschaftler und Umweltökonom. Seit 2019 ist er stellvertretender Bereichsleiter im Bereich Kommunaler Umweltschutz bei der DUH. Sein Traum ist es, das Potenzial von Energy Sharing für lokale Teilhabe, Akzeptanz, Demokratisierung und Wertschöpfung zu heben. 


     
        
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