Technik | Energie, 01.03.2025

Doppelte Ernte

Agri-PV: Ernährungssicherheit und Klimaschutz für eine nachhaltige Zukunft

Photovoltaik und Landwirtschaft auf derselben Fläche? Was unrealistisch klingen mag, ist dank Agri-Photovoltaik längst Realität. Peter Schrum, Gründer von SUNfarming, erklärt im forum-Interview mit Hermann Anzinger, warum diese Technologie Energie liefern und die Landwirtschaft revolutionieren kann.
 Agri-PV optimiert die Haltung von Hühnern, Gänsen oder auch Rindern. © Sunfarming
Herr Schrum, warum ist der Name SUNfarming Programm und wie sind Sie auf die Idee gekommen, Photovoltaik mit Landwirtschaft zu kombinieren?
Das hat mit meiner Geschichte zu tun – ich habe Landwirtschaft studiert. Jeder Quadratmeter Ackerland, der für den Anbau von Nahrungsmitteln genutzt werden kann, sollte auch dafür verwendet werden. Wenn wir über Solaranlagen auf Feldern sprechen, sollte das aus meiner Sicht immer in Kombination mit Landwirtschaft geschehen. So entsteht eine Doppelnutzung, die sowohl der Nahrungsmittelproduktion als auch der Schaffung von Arbeitsplätzen und der Energiegewinnung zugutekommt – alles in einem.

Was waren die ersten Schritte in diesem Prozess?
Vor etwa 24 Jahren haben wir die ersten Schritte in Afrika unternommen. Damals wurden dort Glas-Glas-Module eingesetzt, die damals noch fast fünfmal so teuer waren wie heute. Diese Module ließen etwas Licht von oben durch, und in den teilweise schattierten Bereichen darunter begannen wir mit dem Anbau von Gemüse. Mittlerweile betreiben wir dort Anlagen die bis zu fünf oder sechs Hektar groß sind. Sie dienen als Ausbildungszentren mit berufsschulintegrierten dualen Systemen. Dies geschah zunächst mit Unterstützung der Deutschen Bundesbank und der IHK –Später wurde das Projekt an die Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (GIZ – damals noch GTZ) übergeben, um die Ausbildung weiter voranzutreiben. Im dualen System werden dort Biolandwirte und -landwirtinnen in der Gärtnerei unter den Modulen ausgebildet, während gleichzeitig eine Solateur-Ausbildung angeboten wird.
 
Warum Agri-PV statt herkömmlicher PV?
Wegen der Doppelnutzung! Die Nahrungsmittelproduktion ist weltweit ein großes Thema, insbesondere in ariden Gebieten. Dort, wo es sehr heiß ist und die Sonne intensiv scheint, wachsen auf kargen Böden kaum noch Pflanzen. Eine Beschattung – sei es mit Netzen oder Solarpanels – kann das Wachstum begünstigen. Solarpanels bieten dabei den zusätzlichen Vorteil, gleichzeitig Energie zu erzeugen. So entsteht eine doppelte Nutzung mit doppeltem Gewinn: für die Landwirtschaft und die Stromerzeugung vor Ort.

Die SUNfarming Gruppe ist ein international aufgestelltes Familien- Unternehmen. Über 100 Mitarbeiter*innen arbeiten in über 15 Ländern daran, die notwendige Energiewende mit Öko- und Agri-Solarparks inklusive innovativen Doppelnutzungskonzepten voranzutreiben.© Sunfarming 
Bewährt sich Agri-PV auch in Deutschland?
In Deutschland sollte Agri-PV gezielt auf weniger ertragreichen Böden eingesetzt werden – also auf Ackerflächen mit niedriger Bodenpunktzahl, die für großflächige Bewirtschaftung mit Mais, Weizen oder Rüben wenig geeignet sind. Hochwertige Böden sollten weiterhin der traditionellen Landwirtschaft vorbehalten bleiben. Aber gerade dort, wo Trockenheit im Sommer zunehmend problematisch und Ackerbau aufgrund der Bodenqualität ohnehin schwierig ist, bietet Agri-PV eine sinnvolle Alternative. Auch Grünland- und Moorflächen haben in Deutschland eine hohe Priorität für Agri-PV. Hier kommen transparente Solarmodule mit Regenwasserverteilung zum Einsatz. Diese lassen einen Teil des Lichts durch, sodass die Pflanzen weiterhin dem Sonnenlicht folgen können – ein Prinzip, das Fachleute als positiv phototropes Wachstum bezeichnen. Zudem kann durch eine einfache Tropfbewässerung das Regenwasser direkt unter den Modulen verteilt werden, sodass es optimal den Pflanzen zugutekommt.
 
Mein Ziel ist es, unseren Kindern und Enkelkindern eine bessere Welt zu schaffen. Daher setze ich mich unternehmerisch und persönlich für die Bekämpfung von Armut und Mangelernährung und den nachhaltigen Schutz der Umwelt ein."
 
Für welche Anwendungen und Kulturen eignet sich Agri-PV?
Die Trends gehen klar in Richtung Sonderkulturen wie Beeren-, Obst- und Weinbau. Ein entscheidender Faktor ist die zunehmende Hagelgefahr in Deutschland, insbesondere während der Erntezeit. Durch den Klimawandel haben sich die Hagelperioden verschoben, sodass extreme Wetterereignisse genau dann auftreten, wenn Früchte wie Äpfel, Birnen, Kirschen oder Wein reif sind. Herkömmliche Hagelschutznetze reichen oft nicht mehr aus, da die Hagelkörner inzwischen so groß sind, dass sie Netze oder Folien durchschlagen.
 
Besonders betroffen sind Regionen wie das Alte Land bei Hamburg, wo ein Großteil der deutschen Apfel- und Birnenproduktion angesiedelt ist, sowie die südlichen Weinbaugebiete. Hier setzt Sunfarming auf sogenannte Umbrellas – regenschirmähnliche PV-Konstruktionen mit hoher Lichtdurchlässigkeit. Diese sind patentiert und ermöglichen den Pflanzen eine gleichbleibende oder sogar gesteigerte Produktivität, während sie gleichzeitig vor Hagel und übermäßiger Feuchtigkeit geschützt werden. Ein zusätzlicher Vorteil dieser Systeme ist die Reduktion von Pflanzenschutzmitteln, insbesondere gegen Pilzbefall. Da die Feuchtigkeit nicht dauerhaft auf Blättern, Blüten und Früchten steht, verringert sich das Risiko von Pilzerkrankungen erheblich.
 
Wie sieht die Förderlandschaft für Agri-PV in Deutschland aus?
Die Förderung ist aktuell noch begrenzt und hängt stark von der zukünftigen Gesetzgebung ab, insbesondere vom Solarpaket I. Eine direkte finanzielle Unterstützung gibt es kaum. Allerdings haben Agri-PV-Projekte die Möglichkeit, an speziellen Ausschreibungen teilzunehmen. Falls sie dort erfolgreich sind, können sie eine etwas höhere Vergütung erhalten – in der Regel etwa einen Cent mehr pro Kilowattstunde. Das liegt daran, dass Agri-PV als doppelte Nutzung sowohl zur Energieerzeugung als auch zur landwirtschaftlichen Produktion beiträgt und damit einen volkswirtschaftlichen Mehrwert schafft. Statt einer Vergütung von beispielsweise sechs Cent pro Kilowattstunde könnte man so sieben Cent erhalten.
 
Können deutsche Komponentenhersteller in diesem Bereich noch mithalten, oder dominieren chinesische Anbieter den Markt?
Sunfarming produziert nach wie vor viele Komponenten selbst oder mit Partnern – mit Ausnahme der Solarmodule. Früher haben wir auch Module in Deutschland hergestellt, allerdings wurden viele Produktionsstätten hierzulande geschlossen. Dennoch setzen wir weiterhin auf höchste Qualitätsstandards, beispielsweise durch eine verstärkte Hagelschutzklasse für das Glas oder Module mit einer Leistungstoleranz von +5 bis 8 Prozent, also mehr Leistung als offiziell angegeben.
 
Im Bereich Agri-PV spielen neben den Modulen viele andere technologische Faktoren eine große Rolle, etwa Bewässerungssysteme und automatisierte Robotertechnik. Hier haben deutsche Unternehmen nach wie vor große Chancen, ihre eigenen hochwertigen Komponenten erfolgreich weiterzuentwickeln. Da unter den Modulen eine zusätzliche Wertschöpfung durch Landwirtschaft und Technologie entsteht, bleibt der Innovationsbedarf hoch – und damit auch die Relevanz deutscher Ingenieurskunst.
 
Welche Rolle spielt Künstliche Intelligenz bei Agri-PV-Anlagen?
KI ist bereits ein integraler Bestandteil unserer Anlagen. Besonders innovativ setzen wir sie bei Wilddurchlässen ein. Da unsere Anlagen oft in Jagdgebieten liegen, dienen sie als geschützte Rückzugsorte für Wildtiere – beispielsweise für Rehe und Hirsche, während Raubtiere wie Wölfe draußen bleiben müssen. Die Zugangskontrolle erfolgt durch KI-gestützte Kameras, die Tiere automatisch erkennen und entsprechende Klappen steuern. Dieses System funktioniert auch für Niederwild: Fasane und Hasen dürfen in die Anlage, während Füchse, Dachse oder Luchse draußen bleiben. KI-gesteuerte Kameras erkennen die Tiere und öffnen oder schließen die Klappen entsprechend. Besonders wichtig ist dies natürlich für Agri-PV, die der Haltung von Hühner, Gänsen oder auch Rindern dient.
 
Ein weiteres Anwendungsgebiet sind autonome Roboter, die sich mittels Laserscanning und photometrischer Erkennung statt GPS in den Anlagen orientieren. Diese Roboter übernehmen Aufgaben wie Mähen, Jäten und Hacken unter den Modulen. Darüber hinaus werden sie in Zukunft auch für die Ernte von Sonderkulturen wie Erdbeeren, Äpfeln oder Wein eingesetzt. Selbst der gezielte, minimal dosierte Einsatz von Pflanzenschutzmitteln wird durch KI optimiert – anstatt großflächig zu sprühen, werden Pflanzen punktgenau behandelt.
 
Wie sehen Sie die Zukunft der Energieversorgung – in Deutschland und weltweit?
Ich bin überzeugt, dass Windkraft, Solarenergie und Biomasse den globalen Energiebedarf weitgehend decken können. Ergänzt wird dieses Trio durch Wasserkraft. Ein entscheidender Faktor für eine nachhaltige Energiezukunft ist jedoch die Speicherung erneuerbarer Energie, insbesondere durch grünen Wasserstoff. Mit Technologien wie Power-to-Gas können wir überschüssigen erneuerbaren Strom in Wasserstoff umwandeln und in Gasnetzen oder Zisternen speichern. Dieser Wasserstoff kann dann flexibel eingesetzt werden, beispielsweise zur Überbrückung von Dunkelflauten. Aber noch wichtiger: Auch Biogas-Anlagen lassen sich so steuern, dass sie nur dann Strom liefern, wenn das Netz es erfordert.
 
Deshalb halte ich die oft diskutierten Gaskraftwerke als Reserveleistung für überflüssig. Stattdessen sollten wir auf eine intelligente Kombination aus Biogas, Solar- und Windenergie setzen – ergänzt durch Wasserstoff als Speichermedium. So können wir nicht nur den Stromsektor vollständig dekarbonisieren, sondern auch emissionsfreie Lösungen für den Flug- und Schiffsverkehr entwickeln, wo Batterien aufgrund ihres Gewichts an ihre Grenzen stoßen.
 
Herr Schrum, danke für dieses inspirierende Interview! 
 

Kontakt: SUNfarming Projekt GmbH, Peter Schrum | info@sunfarming.de | sunfarming.de


Dieser Artikel ist in forum 02/2025 - Save the Ocean erschienen.



     
        
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