Mareen Ewender

Aufsichts-Rat für Klima

Welche Verantwortung sollte der Aufsichtsrat für Klima und Nachhaltigkeit übernehmen?

Immer mehr setzt sich die Überzeugung durch, dass die Rolle des Aufsichtsrates weit über die bloße Kontrolle von Finanzkennzahlen hinausgehen muss. Er sollte vielmehr aktiv dazu beitragen, dass sich Unternehmen innovativ auf eine zukunftsfähige, nachhaltige Entwicklung ausrichten und damit langfristigen Erfolg sichern. Dabei gilt es, Krisen und Trends zu antizipieren – allen voran den Klimawandel und die damit verbundenen Folgen. Die Climate Governance Initiative und ihr Chapter Germany wollen dabei helfen. Werner Schnappauf vom Rat für Nachhaltige Entwicklung (RNE), der Repräsentant der deutschen Abteilung der Initiative, schildert im forum-Interview die wachsende Bedeutung und Verantwortung des Aufsichtsrates und die Zielsetzungen der Initiative.

Herr Dr. Schnappauf, wer steht hinter der Climate Governance Initiative und ihrem Chapter Germany?
Werner Schnappauf, Rat für Nachhaltige Entwicklung (RNE). © RNE / Viviane Wild
Die Climate Governance Initiative (CGI) wurde vom Weltwirtschaftsforum angestoßen: Aufsichtsräte sollen darin unterstützt und bestärkt werden, ihre Unternehmen strategisch auf die Folgen des Klimawandels vorzubereiten und die Transformation des Unternehmens für mehr Klimaschutz und Nachhaltigkeit voranzutreiben. Bei der CGI liegt der Fokus neben dem Klimaschutz auch immer stärker auf dem Schutz der Biodiversität. Deutsche Unternehmen müssen nicht nur „climate ready", sondern auch „nature ready" werden, um international wettbewerbsfähig zu bleiben. Der Rat für Nachhaltige Entwicklung (RNE) hat gemeinsam mit seinen deutschen Partnerorganisationen, der ESMT Berlin und der Board Academy e.V., im Februar 2021 das Chapter Germany gegründet. Hier setzen wir uns gemeinsam mit Aufsichtsratsmitgliedern und anderen Stakeholdern dafür ein, dass Klima- und Umweltschutz in deutschen Unternehmen vorangebracht werden.
 
Was sind die Ziele und gegenwärtigen Aktivitäten der Initiative?
Wir wollen Bewusstsein für die Folgen des Klimawandels und anderer Umweltkrisen schaffen und unseren Mitgliedern Wissen und Kompetenzen vermitteln, um Klima- und Umweltfragen bei der Entscheidungsfindung in Aufsichtsräten zu berücksichtigen. Die Themen Klima und Biodiversität müssen aus der Nische der „nice-to-haves" zu einem verbindlichen Erfolgskriterium in den Aufsichtsräten werden. Genauso wie CEOs an der jährlichen Rendite gemessen werden, sollten Aufsichtsräte bei der Berufung aufgrund ihrer Expertise und ihres nachhaltigen Mindsets ausgewählt werden.
 
Welche Rolle spielt dabei das weltweite Netzwerk von Aufsichtsräten in der Initiative?
Das globale Netzwerk der Climate Governance Initiative (CGI) besteht aus mehr als 30 lokalen Untergruppen mit insgesamt mehr als 100.000 Mitgliedern. Das globale CGI-Sekretariat mit Sitz in Cambridge, Großbritannien, fördert den internationalen Erfahrungsaustausch und teilt Produkte und Ressourcen mit allen Mitgliedern. Ein Beispiel ist der gerade veröffentlichte und kostenlose Online-Kurs für Aufsichtsratsmitglieder, in dem Grundlagen für Aufsichtsräte zu den Themen Klimawandel, Nachhaltigkeit und die Transformation hin zu einer Net-Zero-Welt dargestellt werden.

"Ich glaube, dass in erster Linie auf die Eigenverantwortung der Marktteilnehmer gesetzt werden sollte.”

Welche Änderungen im Deutschen Corporate Governance Kodex beeinflussen die Aufgabenbereiche der Aufsichtsratsmitglieder in Bezug auf Nachhaltigkeit?
Die jüngsten Veränderungen im Deutschen Corporate Governance Kodex haben eine direkte Auswirkung auf die Verantwortlichkeiten der Aufsichtsratsmitglieder in Bezug auf Nachhaltigkeit. Zunächst wurde die allgemeine Bedeutung von Nachhaltigkeit in der Unternehmensführung gestärkt. Insbesondere wurde ein Abschnitt eingeführt, der von Aufsichtsräten verlangt, die strategische Ausrichtung des Unternehmens, einschließlich seiner Nachhaltigkeitsziele, zu überwachen.
 
Darüber hinaus wurden die Anforderungen an die Berichterstattung über Nachhaltigkeitsaspekte verschärft, und es wird nun erwartet, dass Aufsichtsräte über ausreichende Kenntnisse und Erfahrungen verfügen, um die Nachhaltigkeitsstrategie des Unternehmens angemessen zu verstehen und zu bewerten. Ein weiterer, bedeutender Schritt war die Empfehlung zur Integration von ESG-Kriterien (Umwelt, Soziales und Governance) in die Unternehmensstrategie. Diese Änderungen im Deutschen Corporate Governance Kodex spiegeln den wachsenden Druck von Investoren, Regulierungsbehörden und der Öffentlichkeit auf Unternehmen wider, sich stärker mit Nachhaltigkeit auseinanderzusetzen. Dies bedeutet auch, dass Aufsichtsräte zunehmend in die Verantwortung genommen werden, was letztlich ein positiver Schritt ist.
 
(Hinweis für unsere Leser: Der Deutsche Corporate Governance Kodex ist ein Regelwerk, das vor allem Empfehlungen und Anregungen für börsennotierte Unternehmen zur guten Unternehmensführung enthält.)
 
Warum waren diese Änderungen im Deutschen Corporate Governance Kodex so wichtig?
Die Änderungen waren entscheidend, da sie Unternehmen darauf vorbereiten, mit den Herausforderungen globaler Krisen umzugehen. Eine nachhaltige Unternehmenskultur, die etwa auf Kreislaufwirtschaft oder Klimaneutralität setzt, bietet nicht nur Effizienzsteigerungen und Kostenersparnisse, sondern auch einen Wettbewerbsvorteil.
Aufsichtsratsmitglieder tragen die Verantwortung, ihre Organisation strategisch durch Herausforderungen wie Klimawandel und Umweltverschmutzung zu führen. Zum Beispiel können Extremwetterereignisse die physische Infrastruktur gefährden und damit Versicherungs- und Haftungsrisiken mit sich bringen. Insgesamt ermutigen diese Änderungen Unternehmen, proaktiv Nachhaltigkeitsstrategien zu entwickeln. Dies fördert langfristiges Wachstum und Resilienz und trägt zu einer positiven Entwicklung von Gesellschaft und Umwelt bei.

Ist es Ihrer Meinung nach notwendig, dass Aufsichts­ratsmitglieder gesetzlich dazu verpflichtet werden, sich mit Nachhaltigkeit und Klimaschutz zu befassen?
Ich glaube, dass in erster Linie auf die Eigenverantwortung der Marktteilnehmer gesetzt werden sollte. Es ist jedoch wichtig anzumerken, dass Aufsichtsratsmitglieder in Deutschland keine direkte Kontrolle über die operativen Entscheidungen von Unternehmen haben. Ihre Einflussnahme ist daher mittelbar und begrenzt. Jegliche Regulierungen müssen daher genau auf die Aufgaben des Aufsichtsrats als Überwacher und Berater zugeschnitten sein.
 
Braucht es einen Nachhaltigkeitsausschuss, die Einführung verpflichtender Schulungen für Aufsichts­ratsmitglieder oder gar die verpflichtende Integration von Nachhaltigkeitsexperten in bestehende Aufsichtsratsgremien?
RNE
 
Der Rat für Nachhaltige Entwicklung (RNE) ist eine wichtige Unterstützung für die Bundesregierung in allen Fragen der nachhaltigen Entwicklung. Seine Mitglieder, vom Bundeskanzler für drei Jahre ernannt, decken verschiedene Fachgebiete wie Ökolo-
gie, Ökonomie, Soziales und globale Angelegenheiten ab. Der Rat für Nachhaltige Entwicklung agiert dabei unabhängig. Dr. Werner Schnappauf war von 2020 bis 2023 Vorsitzender des Rates. Im Januar 2023 wurde er für eine weitere Ratsperiode berufen. www.nachhaltigkeitsrat.de
Sie haben hier einige wichtige Punkte angesprochen, die dazu beitragen können, die Nachhaltigkeit in Aufsichtsratsgremien zu stärken. Die Einführung eines Nachhaltigkeitsausschusses könnte sicherlich dazu beitragen, eine systematische Auseinandersetzung und Überwachung von Nachhaltigkeitsfragen zu fördern. Dieser Ausschuss könnte sich beispielsweise mit der Entwicklung und Überwachung von Nachhaltigkeitsstrategien, der Prüfung von ESG-Berichten oder der Integration von Nachhaltigkeitsaspekten in die Unternehmensstrategie befassen
 
In unseren Gesprächen mit Aufsichtsräten wird immer wieder der Bedarf nach guten und umfassenden Schulungen zu Nachhaltigkeit im Unternehmen und der Rolle der Aufsichtsräte deutlich. Dies zeigt, dass es noch einen Bildungsbedarf gibt, um sicherzustellen, dass Aufsichtsratsmitglieder über das erforderliche Wissen und Verständnis für Nachhaltigkeitsthemen verfügen. Die Integration von Nachhaltigkeitsexperten, beispielsweise in den Prüfungsausschuss, halte ich für besonders wichtig. Dies würde eine verbesserte fachliche Expertise im Gremium sicherstellen. Es könnte auch sinnvoll sein, gelegentlich externe Experten hinzuzuziehen. In jedem Fall ist es entscheidend, dass Aufsichtsratsgremien die notwendige Unterstützung erhalten, um ihrer Verantwortung für die Zukunft gerecht zu werden.
 
Herr Dr. Schnappauf, wir bedanken uns für das Gespräch und werden diese Zielsetzung nach Kräften unterstützen.

 

Dieser Artikel ist in forum 02/2025 - Save the Ocean erschienen.



     
        
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