Monika Czernin

Bildung unternehmen!

Wenn Mut, Gemeinschaft und Unternehmergeist Bildung möglich machen.

Die Filmemacherin und Bestseller­autorin Monika Czernin stellt ab dieser Ausgabe von forum mutige Unternehmerinnen vor, die Geschichte geschrieben haben oder schreiben werden. Für forum interviewte sie Victoria Peill, von der sie glaubt, dass sie mit ihrem Unternehmen Duara eine Bildungsrevolution in Afrika bewirken wird.

Victoria Peill vor der Schule in Gathiga, der ersten Duara Microschule, gegründet im November 2023. © DuaraFrau Peill, wie kam es dazu, dass Sie, eine junge Frau aus Deutschland, ein Bildungsunternehmen in Kenia gegründet haben?
Mit 18 habe ich eine wichtige Erfahrung machen dürfen. Ich unterrichtete für ein paar Monate an einer Grundschule in Peru und erlebte dort den großen Kontrast zwischen unzureichenden öffentlichen Schulen und fast unbezahlbaren Privatschulen. Das kannte ich so aus Deutschland nicht. Es hat mich sehr bewegt: Warum kann gute Bildung nicht für alle Kinder zugänglich sein? Das muss doch in unserer Zeit möglich sein! 15 Jahre später haben Sie „Duara" gegründet, ein Social-Franchise-Unternehmen für gemeindebasierte Mikro-Schulen.
 
Duara ist ein Swahili-Wort, nicht wahr?
Ja! Es bedeutet „Kreis". Das spiegelt unseren Ansatz auf vielen Ebenen wider: Lehrerinnen verändern ihre eigene Gemeinschaft, indem sie zu Schulgründerinnen werden, und bilden anschließend mit anderen Duara-Schulen starke Netzwerke, die voneinander lernen. So werden aus Schulen und Communities „vehicles of change". Unser Logo greift diesen Prozess auf: Es ist eine Spirale.
 
Ihre Idee klingt nach einem Paradigmenwechsel für die Bildungslandschaft.
Es ist der Versuch, einen Beitrag dazu zu leisten. Das Problem ist allein in Sub-Sahara-Afrika riesengroß: 450 Millionen Kinder haben keinen Zugang zu qualitativ hochwertiger Bildung. Sie können trotz abgeschlossener Grundschule kaum lesen und schreiben. Das kommt daher, dass viele öffentliche Schulen zu wenig Ressourcen, überfüllte Klassen mit bis zu 80 oder 100 Kindern und unterqualifizierte Lehrkräfte haben. Es ist ein massives Problem.
 
Sind die Eltern dort überhaupt in der Lage, ihren Kindern Bildung zu ermöglichen?
Die Eltern wissen, dass Bildung der Schlüssel für eine gute Zukunft ist. Und somit sind sie bereit, etwas dafür zu zahlen. Deswegen gibt es überall sogenannte Low-Fee-Private-Schools. Doch die sind oft nur marginal besser als die öffentlichen Schulen. Wir wollen eine Alternative bieten, die in ihrer Qualität einer „sehr teuren" Privatschule gleicht, gleichzeitig jedoch, was die Kosten betrifft, für untere Einkommensgruppen in jeder Community erschwinglich ist.
 
Sie haben Duara nicht als Non-Profit-Entwicklungshilfeprojekt, sondern als Social-Franchise-Unternehmen gestartet. Warum sehen Sie hier ein so großes Wachstumspotenzial?
Für mich ist Bildung eine der wichtigsten Herausforderungen unserer Zeit und gleichzeitig eine unglaubliche Chance! 2050 wird Afrika das Zuhause von 50 Prozent der globalen Jugend sein. Diese brauchen eine gute Bildung. Duara ist zwar noch ganz am Anfang, aber wir glauben, dass unser Modell sehr skalierbar ist. Derzeit haben wir drei Mikro-Schulen, bis Ostern 2025 werden drei weitere hinzukommen, Ende 2025 werden es bereits 15 Schulen sein. Bis 2032 wollen wir eine Million Schüler erreichen, auch durch Partnerschaften mit Regierungen.
 
„Dank Duara bin ich nicht länger nur Irgendjemand hier in Gathiga. Ich bin jetzt eine Führungsperson in unserer Community.
Schulgründerin Flora, Gathiga
 
Der Bildungsexperte John Hattie hat in seinen bahn­brechenden Studien stets betont, dass der Schlüssel für eine gute Schule ein guter Lehrer ist.
Genau da setzen wir an. Wir befähigen passionierte Lehrerinnen, ihre eigene Schule zu gründen.
 
Nur Lehrerinnen? Will Duara auch noch eine Frauen-Empowerment-Initiative sein?
Ja, das ist es! Viele Lehrerinnen träumen davon, ihre eigene Schule zu gründen, sind nachhaltig wirtschaftende Unternehmerinnen und schätzen Zusammenarbeit und Gemeinschaftssinn. Außerdem sind gerade Frauen tief in ihrer Community verwurzelt. Das ist die zweite wichtige Säule unseres Konzepts, denn wir glauben, dass unsere Mikro-Schulen nur durch die Verwurzelung in der lokalen Gemeinschaft wachsen und gedeihen können. Eingebunden in eine Gemeinschaft, entsteht am ehesten Verantwortung und Vertrauen. Und tatsächlich fehlten unsere Schulgründerinnen bisher an keinem Schultag: Gleichzeitig werden sie zu wichtigen Führungspersönlichkeiten in ihrer Gemeinschaft.
 
Wie früher der Lehrer im Dorf?
Genau, er war eine geachtete und wichtige Persönlichkeit. Wir füllen diese Idee mit neuem Leben und einer modernen Umsetzung.
 
Glückliche Kinder, glückliche Eltern: „Danke, dass Sie unsere Kinder so gut unterstützen und ihnen wichtige menschliche Werte beibringen. Wir sind sehr stolz darauf, Teil der Duara-Gemeinschaft zu sein.Was macht die Dachorganisation von Duara?
Duara Hub – so nennen wir uns als Franchisegeber – wählt die Schulgründerinnen aus, unterstützt sie mit Training, Coaching und einem Schritt-für-Schritt-Programm zur Schulgründung. Das nennen wir unseren „Incubator". Später erhält jede Schulunternehmerin unseren sogenannten „Seedling" – die Lehrmaterialien, Systeme, Prozesse und Technologien, die es braucht, um eine Schule zu leiten.
 
Gleichzeitig nimmt Duara ihnen teure und aufwändige Aufgaben ab, wie Buchhaltung oder Compliance, schult die Gründerinnen durchgehend weiter und teilt Best Practices und Innovation im Duara-Netzwerk und mit der internationalen Bildungs-Community. So können wir für gute Qualität sorgen und mit jeder Schule stärker werden.
 
Und wo steckt die Skalierbarkeit?
Skalierbar wird das Ganze durch die Integration einiger Ansätze, die in sich teils altbewährt, teils innovativ sind. Der wichtigste Aspekt: Jede Community hat mindestens eine Lehrerin, die davon träumt, eine Schule zu gründen – und mit unserer Unterstützung kann sie es auch schaffen. So gründen sich die Schulen wie von selbst. Dazu kommt das vernetzte Social-Franchise-System, das Skalierungseffekte schafft: Eine einzige Schule könnte sich keine Experten in Curriculum-Design oder frühkindlicher Entwicklung leisten und auch keine Schulmanagement-Software. Durch den Franchise-Ansatz können wir das zentral entwickeln und den Schulen zur Verfügung stellen. Je mehr Schulen und Schüler wir unter dem Duara-Dach vereinen, desto stärker können wir mit dem Preis nach unten gehen. Unser Ziel ist es, gute Bildung für 100 US-Dollar im Jahr zugänglich zu machen.
 
Sie haben bereits erfolgreich Startkapital eingesammelt, etwa beim Global School Forum. Dieses Frühjahr sind Sie in den USA und Deutschland unterwegs, um Duara vorzustellen.
Ja, um von drei auf 40 Schulen bis Ende 2026 zu kommen, ist es wichtig, ein starkes Fundament zu bauen. Dafür sammle ich aktuell Gelder ein, mit denen wir dann unsere Produkte und Systeme für alle Schulen und Unternehmerinnen verbessern können.
 
Ihre eigene Ausbildung hätte eher eine klassische Wirtschaftskarriere vermuten lassen: Volkswirtschaft in St. Gallen, Boston Consulting Group, berufliche Erfahrungen bei Rocket Internet. Warum dann Afrika?
Nach meiner sehr prägenden Erfahrung in Peru bin ich immer wieder auf dieselbe Frage in der Bildung gestoßen: Wie funktioniert eine gute Bildung, die für alle zugänglich ist? Um eine Lösung zu finden, habe ich mit vielen Gründern aus dem Bildungsbereich gesprochen. Viele bauten Apps und KI-basierte Learning-Tools, also Technologie. Ich aber merkte, dass ich am Ort „Schule" arbeiten will. Vor neun Jahren lernte ich dann den Gründer der African Leadership University kennen, Fred Swaniker, der die Vision hat, eine gute, erschwingliche Universitätsbildung zu ermöglichen.
 
Haben Sie mit ihm zusammengearbeitet, bevor Sie Duara gegründet haben?
Ja, er ist ein unglaublicher Visionär, von dem ich sehr viel lernen durfte. Ich wusste schon beim ersten Gespräch mit Fred, dass ich etwas Ähnliches für Schulen aufbauen will.
 
Was wird in den kommenden Jahren die größte Herausforderung für Sie sein?
Unserer Vision treu zu bleiben, diesem Modell, organisch durch den Austausch mit den Schulunternehmerinnen und in Zusammenarbeit mit den Communities zu wachsen und nicht zuerst auf Kontrolle und Struktur zu setzen.
 
Wieso ist Ihnen der Community-Ansatz so wichtig?
Mein Glauben an die Kraft der Gemeinschaft wurde aus meiner eigenen Erfahrung über die Jahre und auch durch das „WonderHouse" geprägt, ein Community Space mitten in Nairobi, den ich gegründet habe. Dort geht es darum, Menschen mit sich selbst und anderen zu verbinden, um gemeinsam stärker zu sein.
 
Duara ist also mehr als nur ein Bildungsunternehmen?
Absolut. Es ist Teil einer Bewegung, die die Bildungslandschaft aus dem Inneren einer jeden Community verändern will. Die beste Zeit ist jetzt, um mit Offenheit und innovativen Ansätzen neue Wege zu gehen.
 
Dazu braucht es aber eine gute Portion Mut!
Mutig sein ist mein Nordstern. Mut, etwas zu machen, was auch unbequem ist. Mut, die eigenen Gefühle zu zeigen und zu berücksichtigen. Etwas im Leben zu tun, was hoffentlich längerfristig Substanz hat.
 
Vielen Dank für das Gespräch, Victoria!
Wir wünschen viel Erfolg.
 
Monika Czernin ist freie Autorin und Filmemacherin. Sie hat immer wieder über Ostafrika, insbesondere Tansania („Jenes herrliche Gefühl der Freiheit. Frieda von Bülow und die Sehnsucht nach Afrika", List Verlag 2008) geschrieben. Chole, das sie seit 10 Jahren kennt und regelmäßig besucht, ist ihr ein Herzensanliegen.

Dieser Artikel ist in forum 02/2025 - Save the Ocean erschienen.

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