Michael Leitl
Umwelt | Ressourcen, 01.03.2025
Der Weg zur zirkulären Wirtschaft
Schlüssel zur Klimaneutralität
Zirkuläres Wirtschaften gilt als Schlüssel zur Klimaneutralität. Der Circularity Index bietet Unternehmen dazu eine Bewertungsgrundlage. Er hilft, die eigenen Ambitionen mit denen anderer Unternehmen zu vergleichen, Fortschritte in der Transformation zu verfolgen und das Erreichen von Klimazielen zu erkennen.
Der Europäische Green Deal strebt an, Europa bis 2050 klimaneutral zu machen. Ein zentraler Bestandteil dieses Plans ist die Förderung einer zirkulären Wirtschaft. In einer solchen Wirtschaft werden Produkte und Materialien so lange wie möglich genutzt, um Ressourcen zu schonen und Abfall zu minimieren. Für Unternehmen bedeutet dies oft eine grundlegende Umstellung ihrer Geschäftsmodelle. Ein von dem Design- und Innovationsunternehmen INDEED Innovation entwickelter Circularity Index bietet Unternehmen eine Grundlage, ihren Fortschritt auf dem Weg zur zirkulären Wirtschaft zu messen und ist ein Instrument, um branchenspezifische Transformationspfade zu entwickeln.Der Circularity Index: ein Bewertungsinstrument
Der Index bewertet, wie ambitioniert Unternehmen zirkuläre Ziele formulieren und sich damit öffentlich festlegen. Dabei werden folgende Aspekte untersucht:
- Haben Unternehmen ein konkretes, messbares Ziel formuliert, um alle Produkte und Services zirkulär zu gestalten?
- Nennen sie konkrete Zwischenziele, die den Prozess der Transformation transparent machen?
- Dokumentieren sie ihre Fortschritte in Nachhaltigkeitsberichten nachvollziehbar?
Um dies zu analysieren, werden die Aktivitäten der Unternehmen in fünf Stufen eingeteilt – je höher die Stufe, desto höher die Ambition, zirkulär zu werden.
- Ressourceneffizienz: Optimierung des Energie- und Materialverbrauchs.
- Zirkuläres Produktdesign: Entwicklung langlebiger, reparierbarer und recycelbarer Produkte.
- Rücknahmeprozesse: Etablierung von Programmen zur Wiederaufbereitung und Wiederverwendung von Produkten.
- Zirkuläre Geschäftsmodelle: Einführung von Modellen wie Leasing, Sharing oder Service (XaaS), die den Materialkreislauf schließen.
- Branchenübergreifende Netzwerke: Zusammenarbeit zur Schaffung geschlossener Stoffkreisläufe.
Welchen Effekt die nachhaltigen Aktivitäten insgesamt haben, zeigt der Abgleich der Unternehmensaktivitäten mit der Kennzahl „Implied Temperatur Rise" des Finanzdienstleisters MSCI. Sie ist ein Wert dafür, inwieweit Unternehmensaktivitäten das EU-Klimaziel von 1.5 Grad Erderwärmung bis 2050 unterstützen oder behindern und enthält unter anderem auch Annahmen zu den Emissionen entlang der Wertschöpfungskette (Scope 3).
Berücksichtigt wird auch der Status der einzelnen, veröffentlichten Aktivitäten: Sind sie eher ein Pilotprojekt, wird eine ganze Produktkategorie oder ein Geschäftsbereich transformiert oder ist es sogar eine Initiative, die das gesamte Unternehmen in allen Ländergesellschaften betrifft? Das ist bei vielen Unternehmen zum Beispiel auf der untersten Stufe, der Ressourceneffizienz der Fall: Der Wechsel zu regenerativen Energien steht bei den meisten Unternehmen auf der Agenda oder ist bereits vollzogen.
Doch darüber hinaus legen sich die Unternehmen sehr unterschiedlich fest, wie die Analyse der 40 größten deutschen Unternehmen (DAX 40) auf der Basis ihrer Nachhaltigkeitsberichte zeigte:
- 51 Prozent der Unternehmen bekennen sich grundsätzlich zur Circular Economy.
- Nur 13 Prozent haben konkrete Ziele definiert.
- 36 Prozent zeigen bisher keinerlei Ambitionen in diesem Bereich.
Ein herausragendes Beispiel für einen erfolgreichen Transformationspfad zu einem zirkulären Unternehmen ist die Deutsche Telekom, die bis 2030 die vollständige Zirkularität ihrer Geräte in Europa anstrebt. Das Unternehmen hat ein Rücknahmesystem eingeführt, nachhaltige Verpackungslösungen entwickelt und bereits über 8 Millionen Mobiltelefone wiederaufbereitet. Das Beispiel illustriert aber auch, wie sehr die Historie eines Unternehmens die Transformation erleichtert – oder erschwert. So hatte die Deutsche Telekom seit jeher ein Mietmodell für ihre Geräte. Das heißt, ein wesentlicher Baustein der für zirkuläre Systeme notwendigen Rücknahmeinfrastruktur existierte bereits.
Herausforderungen: der Weg in den Kreislauf
Die Umstellung auf eine zirkuläre Wirtschaft bringt also für Unternehmen je nach Branche unterschiedliche Herausforderungen mit sich:
- Infrastruktur: Bestehende Produktionsprozesse und Lieferketten müssen umgestaltet werden.
- Regulatorische Unsicherheiten: Rechtliche Rahmenbedingungen erschweren Investitionen.
- Kosten: Die Implementierung zirkulärer Systeme erfordert hohe Anfangsinvestitionen; eine langfristige, strategische Perspektive ist unerlässlich.
- Kultureller Wandel: Unternehmen müssen eine Nachhaltigkeitsmentalität entwickeln – und entsprechend auch die Zielvereinbarungen für ihre Mitarbeitenden anpassen.
Lösungsansätze umfassen die Integration digitaler Tools zur Materialrückverfolgung und eine engere Zusammenarbeit in branchenspezifischen Netzwerken. Ein systematischer Ansatz mit klarer Vision, Strategie und Roadmap ist entscheidend, um diese Hürden zu überwinden.
Praxisbeispiele: Erfolgsfaktoren der Circular Economy
Bis heute gibt es kaum Unternehmen, die vollständig zirkulär wirtschaften. Der Circularity Index kann jedoch aufzeigen, welche Ansätze Unternehmen verfolgen. So nutzt Siemens Healthineers modulare Produktdesigns und hat allein 2023 über 480.000 gebrauchte Teile zurückgenommen, um sie zu reparieren oder wiederzuverwenden. Der Automobilhersteller Mercedes-Benz hat Prozesse zur Wiederverwendung von Fahrzeugbatterien etabliert und plant, bis 2030 den Anteil sekundärer Rohstoffe in der Produktion auf 40 Prozent zu erhöhen. Das Unternehmen konzentriert sich sonst aber eher auf Ressourceneffizienz und recycelte Materialien wie Stahl mit einem Schrottanteil von 70 Prozent. Das ZF-Werk Bielefeld ist dagegen ein absoluter Vorreiter: Es zertifiziert nahezu alle Produkte nach dem Cradle-to-Cradle-Ansatz, reduziert den Ressourcenverbrauch durch Recycling und teilt seine Expertise weltweit. Dafür wurde es mehrfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem Deutschen Nachhaltigkeitspreis.Die drei Beispiele zeigen, dass Unternehmen sehr unterschiedliche Wege beschreiten können, um die vereinbarten Klimaziele zu erreichen.
Fazit: der Weg in die Zukunft
Der Circularity Index verdeutlicht, dass die Transformation zur Circular Economy bereits stattfindet. Unternehmen, die diesen Wandel aktiv gestalten, sichern langfristig ihre Wettbewerbsfähigkeit und tragen dazu bei, die globalen Klimaziele zu erreichen. Folgende drei Schritte helfen Unternehmen zur erfolgreichen Transformation:
- Skizzieren: Das aktuelle Ökosystem analysieren und Vision, Strategie und Roadmap entwickeln.
- Systematisieren: Design-Prinzipien nutzen, die sich zunächst auf Funktion, Ressourceneffizienz und Herstellbarkeit konzentrieren. Diese können ergänzt werden durch Produkt-as-a-Service-Konzepte, Remanufacturing-Angebote und die Verlängerung des Produktlebenszyklus.
- Stimulieren: Überzeugende Wertversprechen entwickeln, die den finanziellen Vorteil zirkulärer Businessinitiativen unterstreichen. Mit einem Maturity Assessment, wie wir es im Zusammenhang mit dem Circularity Index entwickelt haben, kann der Status quo der Zirkularität untersucht, und der Fortschritt sichtbar gemacht werden. Das motiviert nach innen – und überzeugt die Stakeholder außerhalb des Unternehmens. Denn die Zeit zu handeln ist jetzt.
Hier finden Sie den Circularity Index für deutsche und amerikanische Unternehmen.
Michael Leitl ist Executive Director des Innovations- und Design-Unternehmens
INDEED Innovation und begleitet Unternehmen bei der Transformation zur Circular Economy und dem Einsatz von KI. Er entwickelt Strategien für das Schließen von Kreisläufen und analysiert regelmäßig die zirkulären Strategien von Unternehmen.
Gut zu wissen
Zukunft wird mit Mut gemacht
Weiterführendes Material
- Veröffentlichungen von Indeed Innovation, u.a. der „Circular Economy Index 2024":
www.indeed-innovation.com/publications - Whitepaper zum Einsatz von KI in der Circular Economy:
www.prosperkolleg.ruhr/publikationen
Akteure der Kreislaufwirtschaft
- Circular Economy Initiative: entwickelt Strategien, Pilotprojekte und Handlungsempfehlungen, um zirkuläre Wertschöpfungsketten zu fördern.
www.circular-economy-initiative.de - Circular Economy Forum Austria: Organisiert Veranstaltungen, Dialoge und Wissensaustausch, um zirkuläre Geschäftsmodelle voranzutreiben.
www.circulareconomyforum.at - Circular Economy Switzerland: Plattform für Wissensaustausch und Zusammenarbeit zwischen Unternehmen, Politik und Gesellschaft, um den Übergang zur Kreislaufwirtschaft zu fördern.
www.circular-economy-switzerland.ch - Cradle to Cradle NGO: Setzt sich für die Umsetzung des Cradle-to-Cradle-Prinzips ein und fördert Produkte und Prozesse, die von Anfang an für eine vollständige Wiederverwertung konzipiert sind.
www.c2c.ngo - Circulaze: Vernetzt Unternehmen, Start-ups, Wissenschaft und Investoren, um ein dynamisches Ökosystem für die Kreislaufwirtschaft zu schaffen. Fördert nachhaltige Projekte durch Wissensaustausch, Events und professionelle Kommunikation.
www.circulaze.com - Circular Republic: Unterstützt Unternehmen & Start-ups, ihr Geschäftsmodell zirkulär zu gestalten und damit nachhaltiger, resilienter und rentabler zu werden und gleichzeitig ihren wirtschaftlichen Erfolg zu steigern.
www.unternehmertum.de
Weitere wichtige Akteure und Organisationen präsentieren wir in den kommenden Ausgaben von forum Nachhaltig Wirtschaften sowie unter www.forum.csr.net.
Dieser Artikel ist in forum 02/2025 - Save the Ocean erschienen.
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