Gelassenheit und Seelenruhe

Christoph Quarch leistet - mit Blick auf Donald Trumps Regierungsantritt - philosophische Lebenshilfe

Eines muss man Donald Trump lassen: Ihm ist es wieder einmal gelungen, die Aufmerksamkeit der Weltöffentlichkeit auf sich zu lenken. Alle Welt blickt man nach Washington, selten optimistisch, meistens besorgt. Kein Wunder, denn die meisten der Nachrichten sind alles andere als ermutigend: Austritt der USA aus dem Pariser Klimaschutzabkommen, Begnadigung von Kapitolstürmern, Entlassungen von unliebsamen Regierungsangestellten. Da fällt es schwer, gelassen der Dinge zu harren, die da kommen werden. Man möchte man sich aber auch nicht von Sorgen übermannen lassen. Was tun? Kann die Philosophie hier weiterhelfen? Einer der es wissen müsste, ist der Philosoph und Autor Christoph Quarch.
 
Herr Quarch, können Sie uns ein bisschen philosophische Lebenshilfe leisten und verraten, wie es gelingen kann, bei allem Trubel um Trump dennoch gelassen zu bleiben?
© heblo, pixabay.comWenn es um philosophische Lebenshilfe geht, ist man ganz gut beraten, sich an die Stoiker zu halten. Zumal dann, wenn es um politische Themen geht. Denn damit kannten sich diese Denker aus. Seneca war Berater des römischen Kaisers Nero. Marcus Aurelius stand selbst an der Spitze des römischen Reichs – beides Leute, die in unruhigen Zeiten lebten und viel aushalten mussten. Vielleicht ist das der Grund dafür, dass sie sich vorzugsweise mit Themen wie „Gemütsruhe" und „Gelassenheit" beschäftigten. Allerdings taten sie das unter anderen Voraussetzungen als wir. Marc Aurel war ein frommer Mann, der seine Gelassenheit aus dem Vertrauen darauf zog, dass im Hintergrund der Welt eine göttliche Intelligenz waltet, die dafür sorgt, dass sich – on the long run – alles zum Besten kehrt.

So eine Einstellung ist heutzutage wohl eher die Seltenheit. Jedenfalls wird es kaum einen Trump-Gegner beruhigen, wenn man ihm sagt, am Ende werde sich doch sicher alles zum Guten kehren.
Das stimmt. Deshalb halten wir uns bei diesem Thema vielleicht lieber an seinen Kollegen Seneca. Der war nicht so religiöse wie Kaiser Marc Aurel und hatte es in Gestalt von Nero mit einem ähnlichen Potentaten wie Trump zu tun. Seneca setzt denn auch nicht auf eine göttliche Regie, sondern er glaubt ans Fatum – ans Schicksal. Seine Haltung kann man etwa so beschreiben: Es kommt ohnehin so, wie es kommen muss. Auf den großen Lauf der Dinge kann ich keinen Einfluss nehmen. Also konzentriere ich mich lieber auf das, was in der Reichweite meiner Möglichkeiten liegt und sehe zu, dass ich hier meiner Verantwortung genüge. 

Aber hat das nicht ein bisschen was von einer Vogel-Strauß-Haltung: Kopf in den Sand stecken, wegducken und hoffen, dass es keiner sieht – bzw. dass alles gut geht?
Ja, auch dem kann ich nicht widersprechen. Von daher komme ich doch lieber noch einmal auf Marc Aurel zu sprechen. In dessen Konzept der Gelassenheit mitschwingt noch eine Komponente, die uns vielleicht weiterhilft. Für ihn haben Gelassenheit und Seelenruhe sehr viel damit zu tun, dass man sich selbst nicht zu wichtig nimmt. Es ist bemerkenswert, dass er das als römischer Kaiser sagt. Aber er meint es ernst. Er ruft sich dauernd ins Bewusstsein, dass er trotz all seiner Macht eigentlich ein kleiner Fisch ist, der nur noch wenige Jahre zu leben hat und den man eines Tages vergessen wird. Gelassenheit bedeutet für ihn deshalb vor allem: loslassen – sich selbst loslassen und sich einlassen auf das, was geschieht. Bei ihm waren es politische Querelen und Kriege. Bei uns ist es die Präsidentschaft von Trump.

Läuft das aber nicht darauf hinaus, dass man sich zurückzieht und darauf verzichtet, irgendetwas zu unternehmen, um Trump wieder los zu werden oder auf die Folgen seiner Maßnahmen zu reagieren?
Nein, das gerade nicht. Marc Aurel war unglaublich fleißig. Der Mann hat rund um die Uhr gearbeitet und hat sich offenbar nie aus der Verantwortung gezogen. Nicht seine Pflichten hat er losgelassen, sondern sein Ego. Und genau das hat es ihm erlaubt, mit Gelassenheit seine Arbeit zu verrichten. Nach dem Motto: Ich gebe bei allem, was ich tue, mein Bestes. Mehr geht nicht. Was ich damit ausrichte und bewirke, kann ich nicht absehen. Vielleicht bewirke ich nichts. Aber deshalb muss ich mich nicht grämen, weil ich nicht so wichtig bin. – Ich denke, davon können wir tatsächlich etwas lernen – auch in der jetzigen Situation. Auf Trump habe ich keinen Einfluss. Und er hat keinen Einfluss auf mich. Ich tue, was zu tun ist. Was aus mir dabei wird, ist nicht so wichtig. Wichtig ist, dass ich es tue. Zum Beispiel für Klimaschutz eintreten. Gelassen und entschlossen zugleich.
 
Der Philosoph Christoph Quarch schreibt regelmäßig für forum Nachhaltig Wirtschaften. © Christoph Quarch

Der Philosoph, Speaker und Bestseller-Autor Christoph Quarch begleitet Unternehmen, unterrichtet an verschiedenen Hochschulen und veranstaltet philosophische Reisen. In seinen Vorträgen und Büchern greift er auf die großen Werke der abendländischen Philosophie zurück, um diese in eine zeitgemäße Lebenskunst und Weltdeutung zu übersetzen. Gemeinsam mit seiner Frau Christine Teufel gründete er die Neue Platonische Akademie für eine geistige Erneuerung der Gesellschaft.
 
 
Mehr zu ihm unter christophquarch.de und akademie-3.org


     
        
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