Wir träumen Europa

Die Träume Europas - Das Schluss-Communiqué der 1. Sommerakademie der Akademie 3

Ende Juni 2023 versammelten sich rund 50 Mitglieder und Unterstützer der Neuen Platonischen Akademie in einem Schloss nahe von Bamberg, um aus unterschiedlichen Perspektiven über die Zukunft Europas nachzudenken; darunter ein Dutzend junger Erwachsener, die zum Ende dieser Sommerakademie gemeinsam ein Papier verfassten, das konkrete Visionen für ein einiges, künftiges Europa zu formulieren wagt. Wir von forum Nachhaltig Wirtschaften halten den Text für so bedeutsam, dass wir ihn gekürzt wiedergeben:

© chickenonline, pixabay.comWir Europäer, wir Frauen, Männer und alle dazwischen, wir Zu- und Fortgereiste, wir aus dem Norden, Süden, Osten und Westen, von hier und da und dort, wir Lehrerinnen, die einst Schülerinnen waren, Schüler, die eines Tages Lehrer werden, wir FC-Bayern-, Dyna­mo-Kyiw- und AC-Mailand-Fans, wir Ballett- und Flamencotänzerinnen, wir Schuhplattler, wir, die Shakespeare, Goethe, Cervantes und Solar lesen, die Chopin, Französisch-Rap und spanische Gitarre hören, die konservativ und progressiv gesinnt sind, die Sliwowitz und Brännvin trinken, die Guláš und danach Pastel de Nata essen, wir träumen uns ein Europa…

Wir träumen von einem gesunden Europa. In unserem Traum sehe ich uns in Gärten stehen, wo einst Parkplätze Mutter Natur zum Schweigen brachten. Dort, wo Menschen ihre Heimat durch Kohlebaggern verloren, sehe ich grüne Landschaften erblühen und höre Vögel singen. Aus breiten Straßen, die Städte trennten, sind grüne Alleen geworden, in denen sich Menschen aus Spanien, Serbien, Griechenland und Dänemark begegnen und in Abwesenheit von lauten Motoren durch die Städte dieses Kontinents flanieren. Aus Krankenhäusern wurden Gesundheitshäuser, die von Jahr zu Jahr weniger Menschen behandeln müssen, weil wir wieder in Einklang mit unserer Mitwelt leben, Kohle gegen Wind, Wasser und Sonne eintauschten und genügsam geworden sind.

Wir träumen von einem digitalen Europa, in dem die digitale Transformation erfolgreich bewältigt und eine für alle erreichbare und verständliche digitale Infrastruktur gebildet wurde. Wir sehen Europäerinnen und Europäer, die eGovernance-Angebote nutzen können, künstliche Intelligenzen verstehen und anwenden können sowie digital administrative und kreative Aufgaben bewältigen. Wir träumen von einem Europa, in dem die Bürgerinnen und Bürger sich durch ein hohes digitales Verständnis und eine ausgeprägte Medienkompetenz auszeichnen; wo sie auch den digitalen Raum kritisch hinterfragen, kollaborativ Neues entstehen lassen und sich trotzdem keine Sorgen über Datenschutz oder -sicherheit machen müssen.

Wir träumen von einem Europa, das sich wirtschaftlich entfalten kann, wo neue Ideen Wege des Fortschritts ebnen; wo rauschende Wasserwege durch einstige Staudämme der Bürokratie und Schluchten der Verweigerung fließen; wo Nachhaltigkeit von einem Schlagwort zu einer wirtschaftlichen Schlag- beziehungsweise Pflanzkraft geworden ist und Start-ups noch europäischer arbeiten können; wo unsere Tugenden Unternehmen nicht abschrecken, sondern ein Magnet der Investition sind; wo Europas Sterne zu einer Sonne verschmelzen, die uns und anderen Ländern neues Licht spendet.

Wir träumen von einem dialogischen Europa, in dem wir die Visionen, Herausforderungen und Empfindungen eines jeden anderen kennen und verstehen. Wir sind nicht mehr angewiesen auf eine interpretierende Übersetzung einer nationalen Medienlandschaft. Diese haben wir, ohne unsere Vielfalt zu verlieren, durch Einführen einer gemeinsamen, einheitlichen, zweiten, europaweiten Amtssprache erreicht. Am Frühstückstisch im Hotel in Paris lesen wir in der App von Europe News die neuesten Nachrichten mit einem Kommentar aus Malta, Estland oder Portugal. Im Hintergrund laufen die Nachrichten vom europäischen öffentlichen Rundfunk in verschiedenen Sprachen wie Schwedisch, Bulgarisch, Ungarisch oder Italienisch.

Wir träumen von einem partizipativen Europa, in dem die Jugendlichen nach der Schule und die Menschen kurz vor dem Renteneintritt ein Jahr im Dienste Europas verbringen – einerseits, um in jungen Jahren zu erfahren, was ein gemeinsamer europäischer Geist bewirken kann, andererseits, um älteren Menschen die Chance zu bieten, ihr Wissen und ihre Fähigkeiten einzubringen und weiterzugeben. Zu dieser Partizipation gehören ebenso direkte Bürgerräte, um den Sorgen und Hoffnungen aller Gehör zu verschaffen. Der Geist Europas würde zum Alltag werden und für jeden spürbar sein.

Wir träumen von einem kulturellen Europa, dessen guter Geist alle Bewohner des Kontinents mit Neugier auf dessen kulturelle Vielfalt erfüllt und wo ein neues europäisches Gedankengut in enger Zusammenarbeit mit den nationalen und regionalen Schulgremien in Lehrbüchern festgehalten wird.

Wir träumen von einem mobilen Europa, in dem ein innovatives und unkompliziertes Schnellbahnnetz nachhaltiges Reisen zwischen großen Städten vereinfacht; das es ermöglicht, kostengünstig durch Europa zu reisen und so den interkulturellen Austausch fördert und den Tourismus nachhaltiger gestaltet. In diesem Europa begegneten sich eine junge slowenische Abiturientin und ein portugiesischer Auszubildender mit einem Lächeln im Zug, weil es mittlerweile nicht nur ein Deutschland-, sondern auch ein Europaticket gäbe. Eine dreiköpfige estnische Familie säße im Abteil nebenan, auf ihrem Weg in den Urlaub nach Italien.

Wir träumen von einem sicheren Europa, in dem die Behörden sich so koordinieren, dass wir am Breitscheid Platz ohne Bedenken stehen, und im Bataclan Musik hören können, ohne uns ständig umdrehen zu müssen; in dem Frauen nachts nach Hause gehen, ohne das Pfefferspray in ihrer Tasche zu umklammern. Wir träumen, dass wir gegenüber dem Ausland geeint und stark auftreten und gemeinsam für unseren Frieden und unsere Werte stehen; dass wir mit unserer wirtschaftlichen und diplomatischen Kraft das Selbstbestimmungsrecht der Völker bekräftigen, Minderheiten schützen und uns in der Welt für friedliche Konfliktlösung einsetzen. Wir träumen von einem Europa, das geeint in seinem Respekt für Menschenrechte dieses höchste Gut
gemeinsam lebt und verteidigt.

Wir träumen von einem offenen Europa, das die historische Vergangenheit seiner Länder anerkennt und trotzdem eine gemeinsame, aber auch differenzierte und kritische Geschichte erzählt. Wir träumen von europäischen Städten, in denen Menschen aus aller Welt ihre Chance bekommen sollen, sich selbst zu verwirklichen und ihren Teil zu einem friedlichen und toleranten Europa beizutragen.

Wir träumen von einem demokratischen Europa, in dem wir in Freiheit, Gleichheit und Geschwisterlichkeit füreinander und miteinander leben; ein Europa, in dem wir sicher sein können, dass unsere individuellen und kollektiven Grundrechte von unabhängigen und transparenten Gerichten geschützt werden; ein Europa, dessen Institutionen nicht abhängig von der momentanen Ausrichtung der politischen Regierung sind. Wir träumen von einer europäischen Republik, die sich in einer partizipativen, verfassungsgebenden Versammlung gründet und für uns eine neue Epoche der europäischen Einigung und Friedensbildung entwickelt. In dieser Versammlung sehen wir Metzger, Bäuerinnen, Juristen, Franzosen, Arbeitslose, Basken, Briten, Bäcker, Kinder, Alte, Frauen, Männer. Wir träumen eine Versammlung, in der alle, wirklich alle Menschen repräsentiert sind. 

Wir träumen von einem diversen Europa, in dem Frauen und Mädchen die gleichen Bildungsmöglichkeiten genießen wie Männer und Jungen; in dem Menschen auf Basis ihrer Leistung bezahlt werden und nicht ihres Geschlechts; in dem Frauen und Männer, Männer und Männer, Frauen und Frauen und alle dazwischen europaweit heiraten und adoptieren dürfen; in dem eine humane Grenzpolitik stattfindet; in dem Herausforderungen in den Krisenländern angegangen werden und nicht an Europas Außengrenzen; in dem Offenheit und Toleranz herrschen und wo man über Stereotype gemeinsam lachen kann.

Von diesem Europa träumten wir, mal ruhig, mal unruhig, schlafwandelnd, im Schlaf säuselnd, bis wir aufwachten und die Augen öffneten, um uns blickten und erkannten, dass der Traum kein Traum mehr, sondern längst in Erfüllung gegangen war. Wir hatten Europa Nacht um Nacht in die Wirklichkeit geträumt. 

 
Von Lisa Behringer | Leonie Weigert | Krisha Kops | Philip Hermes | Tim Balke | Basil Böhtel | Torge Stahl | Krystina Klymniuk | Max Strobel | Benedict Holland | Paul Scheub | Jakob Sonnenholzer

Gesellschaft | Politik, 10.05.2024
Dieser Artikel ist in forum Nachhaltig Wirtschaften 02/2024 mit dem Schwerpunkt "Der Weg zum Mehrweg – Transport und Logistik" - Jede Menge gute Nachrichten erschienen.
     
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