Julia Hager

Die Formel 1 der Wärmewende

Eine Forschungsstation und gleichzeitig Innovationslabor für Energie- und Wärmetechniken am Rand der Antarktis

Die belgische Antarktisstation Princess Elisabeth Antarctica ist die weltweit erste und immer noch einzige emissionsfreie Polarforschungsstation, die ausschließlich mit Wind- und Sonnenenergie betrieben wird. Die globalen Klimaveränderungen werden hier nicht nur erforscht, sondern von den Forschenden auch hautnah erlebt. Umso wichtiger ist es, dass auch die Infrastruktur der Forschenden dem Klima nicht weiter schadet. Mit ständigen Experimenten und Innovationen trägt die Station nicht nur zur Polarfoschung bei, sondern auch zur Entwicklung und Erprobung neuer Technologien unter Extrembedingungen. Seit 15 Jahren dient die Station internationalen Wissenschaftlern als Basis für ihre Feldforschung. Initiiert, geplant und gebaut wurde sie von der International Polar Foundation (IPF), die jetzt ihr 22-jähriges Bestehen feiert. Die IPF ist vom belgischen Polarsekretariat als Betreiberin der Antarktisstation beauftragt worden.

Die Station liegt 220 Kilometer von der Küste entfernt und ist fest verankert auf dem Granitrücken von Utsteinen Nunatak in einer Höhe von 1382 Metern. © International Polar FoundationAnfang Januar 2024: Ein Frachtschiff, vollgepackt mit Ausrüstung, neuesten Forschungs-Materialien und einer Handvoll Wissenschaftler*innen, legt am Schelfeis nahe der antarktischen Forschungsstation „Princess Elisabeth Antarctica" (PEA) an. Nach mühsamen Manövern durch das Packeis hat das Schiff sein Ziel erreicht und die Wissenschaftler*innen werden überschwänglich vom Traverse-Team unter der Leitung von Alain Hubert, Gründer und Präsident der International Polar Foundation, in Empfang genommen. Gemeinsam wird die wertvolle Fracht entladen und die neu angekommenen Forschenden machen sich warm eingepackt auf ihren Weg zur Polarstation. Sie wird in den nächsten Wochen ihre Heimstatt in eisiger Kälte und bezaubernder Schönheit sein. Und – sie ist eine ganz besondere Einrichtung in der Antarktis.

Emissionsfreie Klimaforschung
Das Snow Eagle-Flugzeug führt Radarmessungen entlang der Erdungslinien des Schelfeises in der Ostantarktis durch. © International Polar FoundationPrincess Elisabeth Antarctica ist die erste und noch immer die einzige Polarforschungsstation, die emissionsfrei ausschließlich mit Wind- und Sonnenenergie betrieben wird. Seit 15 Jahren schon dient die Station internationalen Wissenschaftlern als Basis für ihre Feldforschung. Initiiert, geplant und gebaut wurde sie von der International Polar Foundation (IPF), die jetzt ihr 22-jähriges Bestehen feiert.

Forschung in der Antarktis hinterlässt wegen des hohen Energiebedarfs im Allgemeinen einen beträchtlichen ökologischen Fußabdruck. Mehrere Stationen nutzen zwar bereits erneuerbare Energien, sind aber dennoch von fossilen Brennstoffen abhängig, um den Energiebedarf für die Forschung und Wärmeproduktion zu decken.

Die belgische Station Princess Elisabeth Antarctica hingegen wurde von Beginn an als emissionsfreie Station geplant und entwickelt. Nach zwei antarktischen Sommern Bauzeit wurde sie im Februar 2009 eingeweiht und bietet seitdem internationalen Polarforschenden in den Sommermonaten (November bis Februar) die Möglichkeit, ihre Projekte umweltfreundlich und nachhaltig durchzuführen. Nach wie vor ist sie der weltweite Maßstab für die Reduzierung des ökologischen Fußabdrucks in der Polarforschung.

Stolze Errungenschaft der International Polar Foundation
Wissenschaftler stellten einen automatischen Probennehmer auf, um in der Atmosphäre vorhandene flüchtige organische Verbindungen zu sammeln und zu untersuchen. © International Polar Foundation„Wir haben die International Polar Foundation vor 22 Jahren gegründet, um die Öffentlichkeit über die Bedeutung der Polarforschung für das Verständnis des Klimawandels zu informieren und zu zeigen, was jeder Einzelne tun kann, um nachhaltiger zu leben", sagt Alain Hubert, Vorsitzender und Gründer der International Polar Foundation in einer Pressemitteilung. „Als emissionsfreie Plattform, die die wissenschaftliche Forschung unterstützt, ist die Princess Elisabeth Antarctica Station die stolzeste Errungenschaft der Stiftung."

Die Stiftung unterstützt jedoch nicht nur die Forschung als solche, worauf ihr Hauptaugenmerk liegt, sondern auch innovative Projekte und nachhaltige Lösungen für den Forschungsbetrieb. Die Princess Elisabeth Antarctica Station wurde deshalb als Prototyp für klimaneutrale Forschung konzipiert und wird kontinuierlich optimiert. Die neuesten Verbesserungen in der Energieerzeugung, im Energiemanagement und im Wasseraufbereitungssystem ermöglichen nun bereits die Aufnahme von 50 Personen gleichzeitig. Die Energie wird von neun Windturbinen mit 54kW Spitzenleistung und 284 Photovoltaik-Solarpaneelen, die bis zu 420 kWh pro Tag erzeugen, zur Verfügung gestellt. Gespeichert wird die erzeugte Energie in 192 Blei-Säure-Batterien. Für Warmwasser in der Station sorgen 30 Solarthermie-Paneele.

Revolutionäre Energiemanagement- Systeme
Revolutionär sind das intelligente Mikronetz und das automatische Energiemanagementsystem der Station. Die programmierbare Steuerung bestimmt die Prioritäten für die Energienutzung in der Station. „Die Sicherstellung eines intelligenten Energiemanagements ist für die Polarstation von existenzieller Bedeutung", so David Orgaz, CEO von Schneider Electric Belgien und den Niederlanden. „Unsere Teams waren an der Entwicklung des weltweit ersten Microgrids beteiligt. Die von Windrädern und Sonnenkollektoren erzeugte Energie wird entweder in Batterien gespeichert oder sofort genutzt. Das Gleichgewicht zwischen Erzeugung und Verbrauch ist entscheidend, um den Energieverbrauch der Station zu minimieren und Energieverschwendung zu vermeiden."
 
„Wir suchen innovative und ambitionierte Partner aus der Wirtschaft. Nicht nur für Projekte in der Princess Elisabeth Antarctica, sondern auch für Andromeda, die nächste emissionsfreie Polarforschungsstation und erste Universität in der Antarktis."
IPF-Gründer und -Präsident Alain Hubert

Die Venturi Antarctica, das weltweit erste vollelektrische Polarforschungsfahrzeug, wurde auf der Princess Elisabeth Antarctica getestet. © Venturi Antarctica / International Polar FoundationLaut Orgaz könnten die Erkenntnisse von der Princess Elisabeth Antarctica auf den Rest der Welt übertragen werden. „Wenn wir eine Netto-Null-Forschungsstation in der extremsten Umgebung der Erde bauen können, dann weiß ich, dass wir alles haben, was wir brauchen, um unsere eigenen Städte, Gebäude und Industrien auf einen Netto-Null-Kurs zu bringen und die Ziele zu erreichen, die die Europäische Union in ihrem Programm ‹Fit for 55› festgelegt hat."

Eine der Herausforderungen, die es noch zu meistern gilt, ist die Verringerung des Fußabdrucks beim Transport von Wissenschaftlern, Technikern und Guides zu ihren Forschungsstandorten. Ein erster Schritt ist mit „Venturi Antarctica", dem ersten elektrisch betriebenen Polarforschungsfahrzeug, bereits gelungen. In Auftrag gegeben von Fürst Albert II. von Monaco, wurde Venturi Antarctica im Dezember 2021 zur Station geliefert und war die letzten zwei Jahre im Einsatz.

Eine optimale, komfortable Forschungseinrichtung
Brandon van Schaik bereitet sich darauf vor, den 30 Meter hohen Windmessturm neben der Princess Elisabeth Antarctica zu besteigen. © International Polar FoundationDie Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die an der Station forschen, sind froh, dass die innovativen Maßnahmen die Umweltauswirkungen ihrer Arbeit verringern. „Als Wissenschaftler gehen wir in die Antarktis, um den Klimawandel zu erforschen, also müssen wir bei unserer Forschung wirklich auf die Umwelt achten", erklärte Kate Winter, Dozentin für extreme Umweltbedingungen an der Northumbria University, die zwei Jahre auf der Station verbracht hat, um über bioverfügbares Eisen zu forschen. „In dieser Hinsicht ist die Princess Elisabeth Antarctica eine fantastische Forschungseinrichtung, die ein warmes, komfortables Arbeiten an einem Ort ermöglicht, an dem es bis zu -40 °C kalt wird, ohne fossile Brennstoffe zu verwenden. Wir können sogar unsere gesamte Forschungsausrüstung mit emissionsfreier Energie aufladen, die vor Ort erzeugt wird."

Von ihren Erfolgen angespornt, arbeitet die belgische Stiftung mit ihren Partnern weiter an Verbesserungen der Station und testet auch in diesem Jahr innovative Technologien und Ideen, um die wissenschaftliche Forschung in der weltweit ersten emissionsfreien Polarforschungsstation noch nachhaltiger zu gestalten und damit ein Vorbild für andere Forschungseinrichtungen, aber auch ein Experimentierfeld für die Energiewende zu sein.

Princess Elisabeth Antarctica

Zahlen und Fakten der Zero-Emission-Station
  • Passives Gebäude: Ausgeklügelte Belüftungs- und Luftzirkulationssysteme ermöglichen es, mit geringem Energieaufwand eine angenehme Umgebungstemperatur im Gebäude zu halten.
  • Erneuerbare Energien: Die Station wird ganzjährig durch Windenergie mit Strom versorgt und durch Solarenergie im australischen Sommer sowohl mit Strom (Photovoltaik-Paneele) als auch mit Warmwasser (Solarthermie-Paneele).
  • Intelligentes Stromnetz: Eine speicherprogrammierbare Steuerung gewährleistet optimale Arbeits- und Lebensbedingungen in der Station und macht sie zum energieeffizientesten System der Welt. Dieses intelligente Netz ist dreimal effizienter als jedes herkömmliche System und kann im Winter aus der Ferne gesteuert werden.
  • Wasseraufbereitung: Je zwei Bioreaktoren und Filtereinheiten der speziell entwickelten Wasseraufbereitungsanlage, welche nach dem Vorbild der für die Raumfahrt entwickelten Technologie gebaut wurde, ermöglichen es der Station, 100% ihres Grau- und Schwarzwassers aufzubereiten. Für das Recycling von Abwasser wird 50 Mal weniger Energie benötigt als für das Schmelzen von Schnee!

Hinweis: Mit freundlicher Genehmigung der Autorin und von PolarJournal, unter dessen Website polarjournal.ch Sie weitere, äußerst spannende Informationen rund um die Polarregionen finden. Die Bandbreite reicht von Wissenschaft über Kultur, Wirtschaft, Tourismus und Politik.

Julia Hager hat Meeresbiologie studiert und nahm an zahlreichen wissenschaftlichen Schiffsexpeditionen in die Antarktis, im Beringmeer, im Nordpazifik und im Nordatlantik teil. Ihre Erfahrungen und ihr Wissen, insbesondere zur globalen Plastikverschmutzung, gibt sie auch an Polarreisende in ihrer Funktion als Reiseleiterin weiter. Seit 2019 ist sie im Team von PolarJournal.

Dieser Artikel ist in forum Nachhaltig Wirtschaften 02/2024 mit dem Schwerpunkt "Der Weg zum Mehrweg – Transport und Logistik" - Jede Menge gute Nachrichten erschienen.



     
        
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