EU-Lieferkettengesetz auf der Kippe
FDP und Wirtschaftslobby attackieren Kompromissentwurf
Kurz vor der finalen Abstimmung stellen Lobbyverbände klare
Forderungen an die Bundesregierung - das zeigen unveröffentlichte
Schreiben, die CORRECTIV vorliegen. Zugleich stellt sich die FDP
plötzlich gegen den aktuellen Entwurf und sorgt in Brüssel für
Befremden.
Das EU-Lieferkettengesetz könnte in praktisch letzter Minute am Widerstand von Wirtschaftslobby und FDP scheitern: CORRECTIV liegen bisher unveröffentlichte Schreiben vor, die belegen, dass mehrere Spitzenverbände die Ampelkoalition seit Wochen zu einer Abkehr von den jüngsten Einigungen auf EU-Ebene auffordern.
"Mit Bestürzung und vollkommenem Unverständnis haben wir zur Kenntnis genommen, dass sich die Bundesregierung mittlerweile nicht mehr an" frühere Positionen "gebunden fühlt", schreibt der Verband Gesamtmetall an die Minister Hubertus Heil (SPD), Marco Buschmann (FDP) und Robert Habeck (Grüne), dies komme einem "Wortbruch" gleich.
Verbände und FDP fordern "Safe Harbour" für Unternehmen
Damit bezieht sich der Verband auf eine Beschränkung der Haftungsrisiken für Unternehmen, die Zertifizierungen oder Prüfsiegel verwenden. Diese sogenannte "Safe-Harbour-Klausel" zählt zu den Kernforderungen der Verbände. Auch der Bundesverband der deutschen Industrie (BDI), die Bundesvereinigung der deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) und weitere Verbände appellierten an die Bundesregierung, sich "für die Safe-Harbour-Regelung einzusetzen und hiervon nicht abzurücken."
Auffällig ist, dass die FDP wenige Wochen später eine Kehrtwende in Bezug auf das Lieferkettengesetz vollzog, und auch inhaltlich zeigen sich Parallelen: In einem Präsidiumsbeschluss vom 15. Januar 2024 fordert die FDP einen Stopp für den aktuellen Entwurf der Richtlinie. "Bedauerlich ist, dass es nicht gelungen ist, die Haftungsregelungen durch eine Privilegierung (Safe Harbour) abzumildern", heißt es in dem Beschluss.
Mit der Lieferketten-Richtlinie will die EU Unternehmen verpflichten, bei ihren Zulieferern auf die Einhaltung von Umweltschutz und Menschenrechten zu achten. Am 14. Dezember hatten Rat und Parlament ihren Kompromissentwurf vorgestellt. Damit galt das Gesetz politisch als praktisch beschlossen.
Einige Beobachter und Politiker reagierten mit Empörung auf die Kehrtwende der FDP. "Das bedeutet, dass wir als Deutschland als extrem unzuverlässig dastehen", sagt die Grüne EU-Abgeordnete Anna Cavazzini. Möglich sei, dass sich die Bundesregierung bei der Abstimmung enthält und auch andere Länder ins Zweifeln kommen. "Es kann schon sein, dass das ganze Ding kippt", sagt Cavazzini, "und das wäre eine Katastrophe."
Für Unmut in Berlin und Brüssel sorgt auch, dass die FDP die Position der Ampelkoalition in Bezug auf das Lieferkettengesetz bis zuletzt mitgetragen hat: CORRECTIV liegen interne Dokumente der Bundesregierung vor, die dies belegen. Armin Paasch von der Organisation Misereor geht deswegen von einem Wahlkampf-Manöver aus: "Die distanzieren sich jetzt komplett von dem, was ihr eigener Minister in der Bundesregierung die ganze Zeit mitverhandelt hat", sagt er. "Das ist völlig unglaubwürdig."
Die ganze Recherche lesen Sie hier.
Über CORRECTIV
CORRECTIV ist ein gemeinwohlortientiertes Medienhaus, das Demokratie stärkt. Als vielfach ausgezeichnetes Medium steht CORRECTIV für investigativen Journalismus. Die Redaktion bringt systematische Missstände ans Licht und will Veränderung anstoßen. Mit unabhängigen Recherchen und Faktenchecks schafft sie das informative Fundament für Debatten und Meinungsbildung und stärkt eine demokratische und offene Zivilgesellschaft.
Das EU-Lieferkettengesetz könnte in praktisch letzter Minute am Widerstand von Wirtschaftslobby und FDP scheitern: CORRECTIV liegen bisher unveröffentlichte Schreiben vor, die belegen, dass mehrere Spitzenverbände die Ampelkoalition seit Wochen zu einer Abkehr von den jüngsten Einigungen auf EU-Ebene auffordern.
"Mit Bestürzung und vollkommenem Unverständnis haben wir zur Kenntnis genommen, dass sich die Bundesregierung mittlerweile nicht mehr an" frühere Positionen "gebunden fühlt", schreibt der Verband Gesamtmetall an die Minister Hubertus Heil (SPD), Marco Buschmann (FDP) und Robert Habeck (Grüne), dies komme einem "Wortbruch" gleich.
Verbände und FDP fordern "Safe Harbour" für Unternehmen
Damit bezieht sich der Verband auf eine Beschränkung der Haftungsrisiken für Unternehmen, die Zertifizierungen oder Prüfsiegel verwenden. Diese sogenannte "Safe-Harbour-Klausel" zählt zu den Kernforderungen der Verbände. Auch der Bundesverband der deutschen Industrie (BDI), die Bundesvereinigung der deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) und weitere Verbände appellierten an die Bundesregierung, sich "für die Safe-Harbour-Regelung einzusetzen und hiervon nicht abzurücken."
Auffällig ist, dass die FDP wenige Wochen später eine Kehrtwende in Bezug auf das Lieferkettengesetz vollzog, und auch inhaltlich zeigen sich Parallelen: In einem Präsidiumsbeschluss vom 15. Januar 2024 fordert die FDP einen Stopp für den aktuellen Entwurf der Richtlinie. "Bedauerlich ist, dass es nicht gelungen ist, die Haftungsregelungen durch eine Privilegierung (Safe Harbour) abzumildern", heißt es in dem Beschluss.
Mit der Lieferketten-Richtlinie will die EU Unternehmen verpflichten, bei ihren Zulieferern auf die Einhaltung von Umweltschutz und Menschenrechten zu achten. Am 14. Dezember hatten Rat und Parlament ihren Kompromissentwurf vorgestellt. Damit galt das Gesetz politisch als praktisch beschlossen.
Einige Beobachter und Politiker reagierten mit Empörung auf die Kehrtwende der FDP. "Das bedeutet, dass wir als Deutschland als extrem unzuverlässig dastehen", sagt die Grüne EU-Abgeordnete Anna Cavazzini. Möglich sei, dass sich die Bundesregierung bei der Abstimmung enthält und auch andere Länder ins Zweifeln kommen. "Es kann schon sein, dass das ganze Ding kippt", sagt Cavazzini, "und das wäre eine Katastrophe."
Für Unmut in Berlin und Brüssel sorgt auch, dass die FDP die Position der Ampelkoalition in Bezug auf das Lieferkettengesetz bis zuletzt mitgetragen hat: CORRECTIV liegen interne Dokumente der Bundesregierung vor, die dies belegen. Armin Paasch von der Organisation Misereor geht deswegen von einem Wahlkampf-Manöver aus: "Die distanzieren sich jetzt komplett von dem, was ihr eigener Minister in der Bundesregierung die ganze Zeit mitverhandelt hat", sagt er. "Das ist völlig unglaubwürdig."
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Kontakt: CORRECTIV – Recherchen für die Gesellschaft gGmbH, Gabriela Keller | gabriela.keller@correctiv.org | www.correctiv.org
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