Wie wird Bildung nachhaltig und zukunftsfähig?
Das Prritti- Bildungsmodell
In Detmold entwickelt sich gerade ein Beispiel für eine Lernlandschaft der Zukunft nach BNE-Maßstäben: Bildung für nachhaltige Entwicklung ist hier eine Gemeinschaftsaufgabe zwischen Schule, Kunst- und Kulturschaffenden, Ausbildungsakademie, Universität und Unternehmen geworden.
Unsere Bildung und unser Schulsystem sind nicht mehr zeitgemäß. Unsere Kinder lernen wenig, was für sie und die gegenwärtige und zukünftige Gesellschaft von Bedeutung ist.
Eine wesentliche verhindernde Struktur ist meines Erachtens, dass in unseren Schulen und Bildungseinrichtungen Menschen nicht darin gefördert werden zu kooperieren, sondern zu Konkurrenten ausbildet werden.
Jeder Lernprozess ist im Ergebnis offen und bringt Neues mit sich. Durch Kooperation wird nicht das Trennende gesucht, sondern gemeinsam die beste Lösung. Das ist es, was wir für die Herausforderungen von morgen brauchen werden: Lösungen, die wir gemeinsam und kreativ erarbeiten. Denn zukünftige Herausforderungen der Menschheit können nicht mit herkömmlichen Mitteln gelöst werden.
Unsere Bildung und unser Schulsystem sind nicht mehr zeitgemäß. Unsere Kinder lernen wenig, was für sie und die gegenwärtige und zukünftige Gesellschaft von Bedeutung ist.
Ausbildung zu Konkurrenten

Bildung sollte nicht von einer simulierten Wirklichkeit handeln und von Bildungsplänen, die wenig mit der Realität und der Zukunft verbindet. Vielmehr sollte Bildung für die Schüler erfahrbar gemacht werden, um eigenverantwortliches und kooperatives Gestalten zu lernen. Dafür müssen Schüler an der Entwicklung der Schule aktiv beteiligt werden und in Projekten lernen, die sie selbst gewählt haben und die nah an der Lebenswirklichkeit der Schüler agieren. Zudem müssen Nachhaltigkeit, Kreativität und künstlerisch-kulturelle Bildung fester Bestandteil der Schulentwicklung sein.
In der Peter Gläsel Schule in Detmold wird ein solches Bildungsmodell praktiziert, erprobt und wissenschaftlich begleitet, das sogenannte prritti®- Bildungsmodell. Dieses-Bildungsmodell eröffnet ein zeitgemäßes und grundsätzlich anderes Verständnis vom Kind. Das Kind im 21. Jahrhundert ist kein Objekt, sondern ein Bildungspartner.
Die Schüler der Schule haben keinen festgelegten Stundenplan und bekommen keine Noten. Sie lernen in Projekten und suchen sich themenentsprechend Partner aus Kultur oder Wirtschaft, um Lösungen zu finden für Aufgaben, die sie sich selbst gestellt haben. Das geschieht in kooperativen Lerngruppen. Die erwachsenen Lernbegleiter (Lehrer, Sozialpädagogen, Künstler…) unterstützen die Kinder bei ihren Vorhaben. Sie kontrollieren und bewerten die Kinder nicht, sondern begleiten sie dabei, Lösungen zu finden, statt Fehler zu dokumentieren. Zufriedene, glückliche Kinder sind hier an der Schule das höchste Qualitätsmerkmal.
Die Herangehensweise von Künstlern
Das prritti®- Bildungsmodell unterscheidet sich dabei signifikant zum Beispiel zu Montessori oder Demokratischen Schulen, denn es stellt die Wirksamkeit von künstlerischen Prozessen in den Mittelpunkt der Schule. So wird an der Schule besonders viel Kunst, Musik, Theater, Film und Tanz angeboten, Fächer, die als Motoren für die Persönlichkeitsentwicklung und als Wegbereiter für Erkenntnisse angesehen werden.Künstler beschäftigen sich wie Kinder sehr oft damit, ihre Umgebung zu erkunden. Wenn sie sich für ein Thema interessieren, experimentieren sie und drücken sich kreativ durch verschiedene Techniken und Formen aus. Genauso sind auch Kinder Forscher und Entdecker. Sie sind offen, vorurteilslos, neugierig und begeisterungsfähig und haben somit viele Gemeinsamkeiten mit der Herangehensweise von Künstlern.
Gemeinsam die besten Lösungen suchen

Eine Gesellschaft, die global relevante Themen und Herausforderungen in lokalen Kooperationsgemeinschaften löst, wird sich im Inneren wie im Äußeren verbunden fühlen und sich quasi automatisch in Richtung Nachhaltigkeit entwickeln, weil sich hier etwas wiederfindet, was ebenfalls verloren gegangen ist: Der Sinn. Eine kooperative Gesellschaft wird die sinnvollsten Lösungen erarbeiten, weil sie den Wert ihrer Gemeinsamkeit und ihrer Gemeinschaft höher einschätzt.
Die Grundlage für Nachhaltigkeit
Erst dann, wenn wir das Kooperationsprinzip einführen und das Konkurrenzsystem abschaffen, wird der Blick frei für die gemeinsame Gestaltung von Beziehungen. Gute Beziehungen sind die Grundlage für Empathie, Mitgefühl und Anerkennung sowie für Zugehörigkeit und Sicherheit. Jedes Kind muss diese Qualitäten in sich wachsen lassen dürfen. Das ist meiner Meinung nach ein wichtiges Nachhaltigkeitsprinzip.Aus meiner Sicht brauchen wir viele weitere "Bildungsdörfer der Zukunft", damit sich Unternehmen und Bildungseinrichtungen gemeinsam in Richtung Nachhaltigkeit transformieren können.
Josef Köhler: Zusammen mit Stefan Wolf, Geschäftsführer der Peter Gläsel Stiftung, und der Stifterin Helga Breuninger, gründete er 2018 die Initiative "Bildungsdörfer der Zukunft" sowie das Manifest Zukunft der Bildung.
Gesellschaft | Bildung, 20.09.2023

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