Neben der Produktion von Lebensmitteln und Rohstoffen leisten Landwirt:innen täglich Beiträge zu Klima und Umwelt, Gesundheit und Wohlbefinden, Tierwohl sowie zur Artenvielfalt. Je nach Form kann sich die Landwirtschaft dabei negativ oder positiv auf die vorgenannten Faktoren auswirken. Aktuell werden weder die negativen Effekte entsprechend eingepreist noch die positiven Effekte honoriert.
Der bisherige Strukturwandel in der Landwirtschaft hat zu Wirtschaftsweisen geführt, die weder ökologisch, tierethisch und sozial zukunftsfähig noch in der Lage sind, in geschlossenen, natürlichen Stoffkreisläufen und im Rahmen planetarer Belastungsgrenzen zu wirtschaften. Damit verursacht die Landwirtschaft aktuell knapp 9 Prozent der deutschen Treibhausgasemissionen (1). Gleichzeitig ist sie selbst vom Klimawandel und den damit einhergehenden Klimarisiken betroffen. Längere Dürreperioden und Trockenphasen sowie vermehrt auftretende Starkniederschläge, Stürme und Hochwasserereignisse erschweren die landwirtschaftliche Produktion.
Der Agrarsektor braucht eine tiefgreifende Transformation, die jedoch weder in der alleinigen Verantwortung der Landwirt:innen liegt, noch von diesen allein gestemmt werden kann. Auch Banken können den Prozess begleiten und mitgestalten: nicht nur durch die Bereitstellung der notwendigen Finanzmittel, sondern auch durch die gemeinsame Identifizierung von Nachhaltigkeitschancen und -risiken.
Transformation braucht Investitionen
Zentrale Maßnahmen zur Weiterentwicklung eines resilienten, bodenfruchtbarkeitsfördernden und erosionsmindernden Agrarsystems sind in der ökologischen Landwirtschaft aufgrund der Richtlinien der Öko-Anbauverbände besonders häufig ausgeprägt, was sich an einer höheren Bodenqualität im ökologischen Landbau zeigt (2). Dennoch ist ein systemweiter Transformationsprozess notwendig, um Klima- und Umweltziele zu erreichen und vor allem die mögliche positive Wirkung der Landwirtschaft zu steigern. Dies erfordert umfangreiche Investitionen, für die aktuell nicht (ausreichend) Finanzmittel bereitgestellt werden. Laut Bericht der fi-compass, einer Beratungsstelle für Finanzinstrumente des europäischen Struktur- und Investitionsfonds, wird von Finanzierungslücken in der Landwirtschaft der Europäischen Union von bis zu 46,6 Mrd. Euro und im Agrar- und Lebensmittelsektor von über 12,8 Mrd. Euro ausgegangen (3).
Investitionen auf Nachhaltigkeitswirkung prüfen
Über verschiedene Maßnahmen versucht der Gesetzgeber, Investoren und Finanzinstitute dazu zu motivieren, Kapital stärker als bisher in sozial-ökologische Unternehmen oder Projekte zu investieren. Davon könnte besonders die Landwirtschaft profitieren.
Wenn ein Betrieb einen Kredit etwa für einen neuen Kuhstall anfragt, muss er perspektivisch gesondert Daten über die Nachhaltigkeit seines Geschäftsmodells und seiner Investition angeben. Diese Angaben können sich von der Bauweise über die Nutzungsart bis hin zur Energieeffizienz des Stalls erstrecken. Solch eine Auseinandersetzung mit der Nachhaltigkeitswirkung einer geplanten Investition ist für Landwirt:innen ein guter Anlass, sich aktiv mit der Zukunftsfähigkeit des eigenen Geschäftsmodells auseinanderzusetzen. Je früher sie die Nachhaltigkeitsrisiken und -potenziale des eigenen Betriebs erkennen, desto geringer werden ihre Anpassungs- und Transformationskosten auf Dauer sein.
Resiliente Geschäftsmodelle privilegieren
Banken nutzen die zusätzlichen Nachhaltigkeitsinformationen insbesondere zur Analyse und Bewertung vorliegender Nachhaltigkeitsrisiken. Je stärker die Resilienz eines Geschäftsmodells ist, desto weniger dürften sie von Nachhaltigkeitsrisiken betroffen sein. Das gilt ebenso für den Wert der gestellten Sicherheiten, im Falle der Landwirtschaft häufig landwirtschaftlicher Grundstücke. Obwohl der wahre Wert eines ökologisch bewirtschafteten Bodens aufgrund seiner wesentlich höheren Resilienz gegenüber Umweltveränderungen höher ist als der eines konventionellen, werden Biobetriebe wegen des aktuellen Modus der Beleihungswertermittlung ihrer Böden diskriminiert (4). Eine Privilegierung im Rahmen der Vorschriften für zulässige Formen der Kreditrisikominderungen für Banken scheint deshalb wünschenswert. Eine solche Änderung wäre auch im Sinne des deutschen Landwirtschaftsrechts, das Kredite als Instrument der Agrarpolitik dezidiert nennt (§ 1 LwG). Der Wert der gestellten Sicherheiten sowie das Ausfallrisiko eines Kredits spiegeln sich immer in den Zinskonditionen wider: Je stärker eine Investition zur Resilienz des Geschäftsmodells beiträgt oder je resilienter der jeweilige Betrieb bereits ist, desto günstiger sollten entsprechend auch die Kreditkonditionen ausfallen.
Positiven Effekte bislang nicht honoriert
Gleichzeitig ist nicht zu verkennen, dass ökologisch wirtschaftende Landwirt:innen zusätzlich zur reinen Lebensmittel- und Ressourcenproduktion überaus wertvolle Leistungen im Bereich Landschaftspflege sowie Klima- und Umweltschutz erbringen. Leider werden diese Leistungen – oder positiven externen Effekte – bislang nicht honoriert. Eine Privilegierung im Bereich der Kreditfähigkeitsprüfung wäre ein erster Schritt in diese Richtung. Gleichwohl sollten baldmöglichst Prozesse integriert werden, die entsprechende Leistungen der Landwirt:innen zum Wohle von Umwelt und Gesellschaft entlohnen.
Andererseits stellen landwirtschaftliche Betriebe, die ihre Produktionsgrundlage über den umweltschädlichen Einsatz synthetischer Pestizide und Düngemittel erodieren, für Banken ein höheres Risiko dar: Hohe Preisvolatilitäten durch Abhängigkeiten von fossilen Energien erhöhen ebenso wie geringere Erträge das Ausfallrisiko eines Kredits. Entsprechend sollten Banken mehr Eigenkapital vorhalten, wenn sie Kredite für Investitionen vergeben, die der betriebswirtschaftlichen Resilienz des Betriebs mittelfristig schaden, was zu schlechteren Finanzierungskonditionen führen wird. Dies wäre ein erster Schritt, solche negativen Externalitäten der konventionellen Landwirtschaft zu internalisieren. Eine risikobasierte Mengenabgabe auf Pestizide sowie eine Stickstoffüberschussabgabe würden darüber hinaus wesentlich dazu beitragen, die sozial-ökologische Resilienz der Landwirtschaft zu stärken sowie die physischen Nachhaltigkeitsrisiken bei Banken wesentlich zu reduzieren, da nicht nachhaltige Anbaupraktiken auch auf kurze Sicht nicht wirtschaftlich wären.
Anne Bechmann ist Gesamtbank-Trainee in der GLS Bank, aktuell mit Fokus auf Nachhaltigkeitsrisiken und integrierte Steuerung. Ansonsten liegen ihr Themen wie regenerative Landwirtschaft, Lebensmittelsouveränität und ganzheitliche Gesundheit am Herzen, welche sie auch als Vorstandsmitglied bei EssBO! Ernährungsrat Bochum bewegt.
Timo Hülsdünker ist Referent für Strategie und Entwicklung in der GLS Bank und Doktorand am Lehrstuhl für Verwaltungswissenschaft der Universität Duisburg-Essen. Sowohl beruflich als auch im Rahmen seiner Dissertation setzt er sich dabei hauptsächlich mit Fragen der Nachhaltigkeitspolitik – sowohl aus finanz- als auch aus realwirtschaftlicher Perspektive auseinander.
1) Vgl. Zukunftskommission Landwirtschaft (2021): Zukunft Landwirtschaft. Eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Empfehlungen der Zukunftskommission Landwirtschaft [Abschlussbericht].
2) Vgl. Haller, L., Moakes, S., Niggli, U., Riedel, J., Stolze, M. und Thompson, M. (2020): Entwicklungsperspektiven der ökologischen Landwirtschaft in Deutschland.
3) fi-compass (2020): Financial needs in the agriculture and agri-food sectors in the European Union. https://www.fi-compass.eu/publication/publications/financial-needs-agriculture-and-agri-food-sectors-european-union, abgerufen am 11.04.2023.
4) Hülsdünker, T., Pleye, T. und T. Weimann (2023): Ökologische Leistungen in der landwirtschaftlichen Kreditfähigkeitsprüfung. In: FCH ForderungsPraktiker.