Kreislaufwirtschaft am Bau
Wärmedämmungs-Verbundsysteme stellen besondere Herausforderungen dar
Der Ressourcenverbrauch übersteigt die reproduzierbaren Kapazitäten der Erde. Die Baubranche spielt hierbei eine entscheidende Rolle, da sie weltweit 30-40 Prozent der Ressourcenförderung beansprucht und in Deutschland für über die Hälfte des Abfallaufkommens verantwortlich ist. forum befragte Eike Messow nach dem Stand der Kreislaufwirtschaft bei Wärmedämm-Verbundsystemen (WDVS).
Herr Messow, wo liegen die Probleme von Wärmedämm-Verbundsystemen (WDVS) in Sachen Kreislauffähigkeit?
Das Wärmedämm-Verbundsystem ist, wie der Name schon sagt, ein Verbundsystem. Durch die Verbindungen der einzelnen Komponenten erhält ein WDVS seine Stabilität und Dauerhaftigkeit. Um ein hochwertiges Recycling zu ermöglichen, bedarf es einer möglichst hohen Sortenreinheit der einzelnen Materialien nach dem Rückbau. Hier ist der Knackpunkt: Mit seiner Langlebigkeit erfüllt es zwar das wichtigste Ziel einer Kreislaufwirtschaft, die Abfallvermeidung, durch die Verbünde lassen sich die einzelnen Komponenten heute jedoch noch nicht immer komplett sortenrein voneinander trennen.
Können denn Komponenten nach ihrer Trennung überhaupt wiederverwertet werden?
Aus den Dämmstoffen können bei Sortenreinheit und Sauberkeit neue Dämmplatten entstehen. Alte Armierungsgewebe und Dübel können recycelt werden und als Rohstoffe für neue Kunststoffprodukte dienen. Schrauben werden dem etablierten Altmetall-Recyclingprozess zugeführt und Putzreste finden zum Beispiel Einsatz als Füllstoff im Straßenbau. Die praktische Umsetzung dieser Möglichkeiten scheitert jedoch unter anderem an (noch) geringen Stoffmengen und einer Aufbereitung bis zur Sortenreinheit, die mit zusätzlichen Kosten verbunden ist.
Aber wie kann man eine sortenreine Erfassung von fest miteinander verbundenen Materialien sicherstellen?
Zum einen untersuchen wir Möglichkeiten, das WDVS-Design kreislauffähiger zu gestalten, um eine sortenreine Trennung der Komponenten am Nutzungsende zu ermöglichen. Da dies nicht bei dem bereits existierenden Gebäudebestand hilft, testen wir zusätzlich selektive Rückbaumethoden und Werkzeuge, die einen größtmöglichen sortenreinen Rückbau ermöglichen.
In der Praxis beschränkt sich gegenwärtig das systematische Recycling der Dämmstoffe auf Produktionsabfälle und Verschnitt-Reste, die auf der Baustelle anfallen. Wie viele davon werden wirklich gesammelt?
Glücklicherweise können wir teilweise schon hohe Quoten verbuchen, zum Beispiel beim Dämmstoff EPS, da hier bereits vor vielen Jahren ein flächendeckendes Sammelsystem eingeführt wurde, das gut funktioniert. Das gilt zunehmend auch für andere Dämm- und Baustoffe und ist wesentlich davon abhängig, ob die Rücknahme einfach organisiert ist und wirtschaftlich relevante Mengen aufkommen.
Für rückgebaute WDVS gestaltet sich das Recycling viel schwieriger. An welchen Lösungskonzepten forschen Sie dazu gegenwärtig?
Wir verfolgen hierzu mehrere Lösungswege. Zusammen mit Partnern aus der Wissenschaft arbeiten wir beispielsweise an einer vollständigen Verwertung von WDVS mit EPS in Zementwerken. Hierbei werden die mineralischen Fraktionen stofflich und die Kunststoff-Fraktionen thermisch/energetisch verwertet. Unser mittelfristiges Ziel ist es, wirtschaftlich und logistisch tragfähige Verwertungsmöglichkeiten zu finden, und dieser Lösungsweg bietet dafür sehr gute Voraussetzungen. Unser langfristiger Anspruch ist es, die WDVS-Komponenten sortenrein stofflich zu verwerten und Kreisläufe zu schließen. Dafür benötigt es kosteneffiziente und technologisch umsetzbare Rückbaumöglichkeiten, um die WDVS-Komponenten voneinander zu trennen und aufzubereiten. An mehreren Praxisobjekten und mit unterschiedlichen Werkzeugen haben wir hierzu bereits Versuche durchgeführt und Erfahrungen gesammelt.
Noch fallen sehr geringe Mengen an genutzten WDVS an. Tendenz steigend. Wie soll dann zukünftig die Erfassung und Trennung der Werkstoffe erfolgen?
Naheliegend ist, an die vorhandenen Rücknahmesysteme, zum Beispiel für Dämmstoffe oder mineralische Bauabfälle, anzuknüpfen und mit der Aufbereitung entweder direkt am Ort des Rückbaus oder an Recyclinghöfen zu beginnen. Hier treffen wir auf das typische Henne-Ei-Problem: Hat man keine größeren Mengen, lohnt es sich nicht, in Anlagen zu investieren, aber ohne diese Investitionen ist es nicht rentabel genug, Abfälle zu einem Aufbereitungsort zu transportieren. Wir suchen mit Recyclingbetrieben, Kommunen und weiteren Partnern nach Lösungen, um den Ball ins Rollen zu bringen. Das geht nur gemeinsam.
Herr Messow, wir danken für das Gespräch.
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