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Die populärsten Sackgassen ins Neue

Sackgasse #3: Das drohende Ende verhindern

Tiefgreifender Wandel ist dringend notwendig, doch leider schwierig und anstrengend. Angeblich. Die gute Nachricht: Wir sorgen selbst dafür. Gedankliche Sackgassen der Trans­formation helfen, sich beschäftigt, beruhigt und unterwegs zu fühlen, auch wenn wir keine Fortschritte machen. Tragisch, oder? Wie Sie die populärsten Sackgassen ins Neue rechtzeitig erkennen, zeigt Rainer Peraus in dieser Kolumne. Die Sackgasse #3 lautet: Das drohende Ende verhindern.

© Rainer PerausVor genau 50 Jahren erschien der Bericht „Die Grenzen des Wachstums" des Club of Rome. Seither ist viel passiert. Sehr viel Gerede, viele gutgemeinte grüne Initiativen, aber noch viel mehr Wirtschaftswachstum, das Wohlstand für einige wenige, jedoch die Ausbeutung vieler Menschen und natürlicher Ressourcen bedeutet.
 
Ein bisschen weniger von immer mehr ist trotzdem immer mehr.

50 Jahre, in denen es nicht gelang, die zunehmende Beschleunigung des gegen die Wand rasenden Zuges ernsthaft zu verringern. Stattdessen haben wir ökologische Anliegen in die vorherrschende ökonomische Logik inkorporiert und das grenzenlose Wachstum nicht wirklich hinterfragt. Ein „smarter Move". Wäre nur noch zu diskutieren, wohin wir eigentlich mit all dem smarten Wachstum wollen. Das passiert, während, obwohl oder weil wir, die Umwelt­besorgten und ökologischen Besserwisser, seit 50 Jahren aktiv und im System so herrlich lösungsfixiert sind. Und dennoch bleibt eine echte ökologische Transformation ein Add-on, das erst auf der Agenda Platz findet, wenn Wirtschaftswachstum, Vollbeschäftigung und Sicherheit geregelt sind. Umweltschutz müsse man sich eben leisten können, meinen Politiker*innen und ökonomisch bedrängte Bürger*innen. Darum sollten wir darüber reden, ob es nicht Zeit für ein Ende all der gut gemeinten grünen Optimierungs- und Rettungsversuche ist. Gut gemeint ist ja oft das Gegenteil von gut.

Verdrängen hilft nicht wirklich
Die aktuelle ökologische Symptombehandlung bringt vor allem Beruhigung und Verdrängung hervor. Beruhigung darüber, dass wir die Zeichen der Zeit verstanden hätten und Hilfe unterwegs ist, und dass wir das Richtige tun. Verdrängung, da wir den fundamentalen Fragen, die sich durch die vielgestaltigen ökologischen Katastrophen offenbaren, elegant – weil unbewusst – ausweichen. Radikale Kapitalismuskritik, die schmerzhafte Frage nach dem Wohin und Wozu? Fehlanzeige! Denn wir ökologisch Neuaufgeklärten wollen uns nicht wie die Fundi-Väter und Protest-Mütter am alten Fahrrad abstrampeln, sondern Big-green-business denken, das „smart" verwirklicht und kein Widerspruch zu den Grenzen des Wachstums ist. Im Gegenteil! Green-Technology ist die Wachstumschance für Europa. Also alles im grünen Bereich! Daher ab in den Flieger, um sich vom Green-Job im Green-Start-up, ermöglicht durch Green-Finance, auszuspannen. Flugzeug wie auch der SUV zum Flughafen werden natürlich mit Batterien oder E-Fuels betrieben. Was dachten Sie denn?

Im nachhaltigkeitsinteressierten Mainstream ist man sich heute einig: Es gibt Lösungen ohne gesellschaftliche Umwälzungen entlang der gut geübten Pfade im bestehenden System. Laut Francis Fukujama, Erfolgsautor von „The End of History and the Last Man", leben wir am glücklichen Ende der Geschichte und münden im ewig währenden spätkapitalistischen Paradies. Heutige Krisen sind demnach temporäre Funktionsstörungen eines an sich richtigen Systems, das nur repariert und optimiert werden muss.

Ende gut, alles gut?
Doch die gegenwärtigen Probleme können auch Symptome des natürlichen Niedergangs eines dahinter laufenden Entwicklungsbogens sein und so das Ende einer Ära anzeigen. Wie das Altern eines Menschen keine Krankheit, sondern eine endogene, normale Entwicklung ist, die Krankheit, Schwäche und Verfall mit sich bringt, beschreiben auch soziale, technologische oder gesellschaftliche Entwicklungen eine Art epochalen Lebensbogen aus Geburt, Aufstieg, Höhepunkt, Abstieg und Ende. Krisen sind sichtbare Symptome dieser Abfolge und kennzeichnen mit ihrer Zunahme die schwindende Lösungskraft der Wirklichkeitserzählung einer Epoche.

Wandel stellt sich so als unverzichtbare Ablöse einer in die Jahre gekommenen Weltsicht dar und braucht ein neues Wirklichkeitsbetriebssystem zur Neu-Deutung des Wahrzunehmenden. Echter Wandel bedeutet immer, das Ende der bisherigen Erfolgsgeschichte zuzulassen und dafür ein vorübergehendes narratives Vakuum inklusive dem zwangläufig orientierungslosen und beunruhigenden Dazwischen zu riskieren. Übertragen auf die aktuelle Realität sind beispielsweise die Klimakrise und weitere globale Kipppunkte als Symptome eines zu Ende gehenden Paradigmas und nicht als Ineffizienz eines sonst ewigen Systems zu interpretieren. Denn wenn der Nutzen einer Wirklichkeitskonvention (wachsender Wohlstand durch materielle Versorgung) deren Kosten (Zerstörung des Planeten, Ungleichheit) bei weitem übersteigt, muss diese Wahrheit enden dürfen. Obwohl sie für nie dagewesenen Wohlstand vieler gesorgt hat. Eine diesen großen Verdienst würdigende Abschiedsfeier wäre angebracht, die gleichzeitig den Aufbruch in eine neue Epoche markiert. 

Doch der scheinbare Wahrheitsverlust erzeugt einen Orientierungs- und damit Kontrollverlust über die bis dahin als absolut gedachte Realität. Woran noch glauben, wofür kämpfen, worauf bauen, wenn die Wirklichkeit in weiten Teilen als Fantasieprodukt erkennbar wird? Ein Ende mit zwangsläufig ungewissem Ausgang erschreckt viele Menschen und verhindert den Weg ins Neue. Was kann den Aufbruch erleichtern?

ZU- UND AUFGEBEN. Ein Ende zuzugeben, entlastet. Die Wirren, die sich im Vorfeld jedes epochalen Wandels ergeben, werden mit den Akronymen VUCA oder neuerdings BANI bezeichnet. Diese unsichere, unverständliche und chaotische Situation strengt an. Wer einen Endpunkt setzt, den Abschied betrauert und vor sich selbst zugibt, dass etwas zu Ende ist und sein darf, gewinnt Klarheit und ein Gefühl der Entlastung.

WÜRDIGEN UND FEIERN. Begräbnisse sind schmerzhaft, doch der gemeinsame Akt des für alle sicht- und spürbar zu Grabe Tragens einer Ära, nicht ohne die Verdienste zu würdigen, hilft, das Unglaubliche zu begreifen, den Verlust zu akzeptieren, zu verarbeiten, aber auch Abschied zu nehmen.
 
®EVOLUTION WAGEN. Einstein meinte sinngemäß, man könne Probleme, die durch die Logik eines (Denk-) Systems verursacht wurden, nicht in diesem Denkrahmen bzw. Bewusstsein lösen. Dann ermöglicht nur der Aus- und Umbruch, den wir so fürchten, den Sprung zu neuen Möglichkeiten. Es ist Zeit, ®evolution als Kompetenz von Menschen und Systemen zu fordern und zu fördern.
 
REALITÄT VERLERNEN. So sehr ein konsistentes und eindimensionales Weltbild orientiert, so sehr beschränkt es den Blick und macht abhängig. Die spielerische Entmachtung von der einzig denkbaren Gegenwart befreit. Üben Sie daher (rechtzeitig), alternative Wirklichkeiten und auch sich und ihre Wahrheiten nicht allzu zu ernst zu nehmen.

ZUKÜNFTE ÜBEN steht damit in unmittelbarer Verbindung. Denn das lustvolle Spiel mit Szenarien und Utopien hilft, das Ende einer Epoche nicht mit dem Ende der Welt zu verwechseln, und nährt neue Hoffnungen.

Mag. Rainer Peraus kennt als Unternehmensberater, Zukunftsrevolutionär, Transformations-Empowerment-Aktivist und bekennender Utopist viele Sackgassen aus nächster Nähe. Als Keynote-Speaker lädt er dazu ein, Wandel aus einer anderen Perspektive zu betrachten.

Gesellschaft | Pioniere & Visionen, 01.08.2022
Dieser Artikel ist in forum Nachhaltig Wirtschaften 03/2022 mit dem Schwerpunkt: Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft - Ist die Party vorbei? erschienen.
     
        
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