Claudia Detsch
Lifestyle | Geld & Investment, 01.07.2022
Unter dem Radar der Öffentlichkeit
forum- Interview über die Monopolstellung von BlackRock
Der weltgrößte Vermögensverwalter BlackRock verwaltet mehr als 7 Billionen Dollar, ist Miteigentümer von 18.000 Unternehmen und Banken, ist Großaktionär von Google, Amazon, Apple, Microsoft und Facebook sowie der großen Öl-, Kohle-, Agrobusiness- und Rüstungskonzerne. Ebenso aller DAX-Konzerne. An der Deutschen Börse ist er der größte Einzelaktionär. Gleichwohl ist der Firmengigant in der breiten Öffentlichkeit wenig bekannt. Kritiker werfen dem Unternehmen vor, dass es seine Monopolstellung zur Kartellbildung ausnutze, Anlegern zur Steuerflucht verhelfe, von Umweltzerstörung profitiere, sowie Lobbyismus und Greenwashing betreibe. Grund genug, Heike Buchter, Journalistin und Autorin des Buches „BlackRock: Eine heimliche Weltmacht greift nach unserem Geld" über die Hintergründe zu befragen.
Frau Buchter, der Bundestagsabgeordnete Friedrich Merz bewarb sich schon 2018 um den Vorsitz der CDU, während er zugleich Chef des Aufsichtsrats beim Vermögensverwalter BlackRock Deutschland war. Muss eine enge Verquickung von Politik und Wirtschaft per se unvorteilhaft sein? Immerhin kennen sich Politiker dann gut in Wirtschafts- und Finanzfragen aus.
Heike Buchter ist Journalistin und Autorin mit Fokus auf Wirtschaft und Finanzen. Seit 2001 berichtet sie von der Wall Street und ist heute Auslandskorrespondentin für Die ZEIT in New York. 2020 erschien in Neuauflage ihr Buch 'BlackRock: Eine heimliche Weltmacht greift nach unserem Geld'. © new york germanpressProblematisch finde ich an dem Vorhaben von Friedrich Merz allerdings, dass er von BlackRock wegen seiner politischen Position angeheuert wurde und nicht etwa wegen seiner einschlägigen Erfahrung in diesem Geschäftsbereich. Es geht also nicht um Erfahrungen, sondern um Verbindungen. Die Gefahr besteht bei einer solchen Übernahme eines hohen Amtes in der Politik auch darin, dass der Betreffende sich die Sichtweise seines Arbeitgebers zu eigen gemacht hat. Die Finanzkrise ist ein Beispiel dafür, dass eine zu große persönliche Nähe von Branche und Aufsicht desaströse Konsequenzen haben kann.
Wie sind die Aktivitäten von BlackRock einzuschätzen? Was ist so problematisch an dem Unternehmen?
Einen Konzern wie BlackRock hat es noch nie gegeben. Da ist zum einen seine schiere Größe – über zehn Billionen Dollar verwalten die New Yorker, das ist weit mehr als das Doppelte der deutschen Wirtschaftsleistung. Niemand hat einen vergleichbaren Einblick in Unternehmen, Regierungen, Regulierer und Notenbanken wie BlackRock. Von Goldminen in Ghana, über Pharmalabors in den USA bis hin zu Onlinehändlern in China – überall ist der Konzern beteiligt. Nicht zuletzt in Deutschland hat das Unternehmen viele Interessen. Über seine Fonds ist BlackRock an allen großen Konzernen des Landes beteiligt, oft ist es der größte Einzelaktionär. BlackRock ist zudem einer der führenden Investoren in deutschen Immobiliengesellschaften, denen rund 700 000 Wohnungen gehören. Mit diesem Konzern darf es sich kein Manager verderben.
Überwacht werden diese Anlagen von einem gigantischen Datenverarbeitungssystem mit dem märchenhaften Namen Aladdin, das teilweise sogar sekündlich ausrechnet, welchen Wert Aktien, Bonds, Devisen oder Kreditpapiere haben. Mehr als 200 Pensionsfonds, Vermögensverwalter, Versicherer, Staatsfonds und Stiftungen lassen über 18 Billionen Dollar von Aladdin durchleuchten. Aladdin häuft einen Informationsschatz an, den es noch nie zuvor gegeben hat. Bisher hat es BlackRock trotz alledem geschafft, weitgehend unter dem Radar der öffentlichen Wahrnehmung zu fliegen.
In den letzten Jahren haben sich einige transnationale Konzerne zunehmend zu gigantischen Akteuren der Globalisierung entwickelt. Welche Konsequenzen bringt das mit sich?
Problematisch finde ich aus der Sicht Deutschlands, dass die Eigentümer und Kapitalgeber inzwischen vielfach aus dem Ausland kommen. Damit hat die Doktrin des „Shareholder Value”, nach der der Sinn eines Unternehmens in erster Linie die Maximierung des Gewinns der Anteilseigner ist, auch in Deutschland Einzug gehalten. Die Mehrheit der Aktien der Dax-Konzerne – bei denen fast zwei Millionen Arbeitnehmer in Deutschland arbeiten –, gehört inzwischen ausländischen Anlegern, den Großteil stellen angelsächsische Investoren. Bei der Deutschen Börse, Adidas, Bayer und Infineon sind es laut einer Studie der Unternehmensberatung EY vom Frühjahr 2018 sogar 70 Prozent. Die Manager richten sich nach ihren Großaktionären. Das schlägt sich in Abspaltungen großer Unternehmensteile, Zukäufen in großem Stil und einem Wandel der Strukturen und Geschäftsmodelle nieder. Für die ausländischen Eigentümer spielen Arbeitsplätze in deutschen Stahlwerken keine Rolle. Was die Auflösung gewachsener Standorte für die betroffenen Kommunen bedeutet, muss sie nicht kümmern.
Wie kann man solchen Entwicklungen entgegenwirken? Immerhin haben wir eine freie Marktwirtschaft und kein staatszentriertes Modell.
Ein Ansatzpunkt wäre, Manager wieder mehr auch anderen Stakeholdern in einem Unternehmen zu verpflichten. Ein Unternehmen gehört nicht allein den Aktionären. Arbeitnehmer, Kunden und Lieferanten tragen ebenfalls zum Unternehmenserfolg bei. Das ist gar keine neue Idee, sondern war eigentlich vor dem Aufstieg der Shareholder-Value-Doktrin eine verbreitete Ansicht. Die Frage ist, wie sich dies wiederbeleben lässt. Die US-Senatorin Elizabeth Warren hat 2018 einen Gesetzesvorschlag eingebracht, den sie „Accountable Capitalism Act" nennt. In jedem Unternehmen mit über einer Milliarde Dollar Jahresumsatz müssten sich die Manager rechtlich verpflichten, neben den Interessen der Aktionäre auch die der anderen Stakeholder zu wahren. Manager könnten sich damit gegen den einseitigen Druck von Großaktionären wehren.
Nach der Finanzkrise 2008 wurde die Regulierung des Finanzmarktsektors nur unzureichend angegangen. Lassen sich weitreichende Reformen gegen Akteure dieser Größenordnung überhaupt durchsetzen?
Während Banken strikter reguliert wurden, haben Regulierer Vermögensverwalter wie BlackRock und andere Nichtbanken weitgehend in Ruhe gelassen. Zwar gab es den Versuch in den USA etwa, die gigantischen Vermögensverwalter wie BlackRock als „too big to fail" zu designieren und strengerer Aufsicht zu unterwerfen. Unter Trump hat der Druck aber deutlich nachgelassen. So sprach sich das US-Finanzministerium in einer Studie dagegen aus, einzelnen Unternehmen das „too big to fail"-Label zu verpassen. Damit ist aber klar, dass BlackRock und andere wie Vanguard nicht mehr von der damit einhergehenden strikteren Aufsicht betroffen sind. Mehr noch: In dem Papier versprachen die Behörden, in offiziellen Dokumenten den Begriff „Schattenbanken" nicht mehr zu verwenden. Das ist ein Begriff, den vor allem BlackRock vehement ablehnt.
Wie lassen sich die politischen Gestaltungsmöglichkeiten bei wichtigen Reformen erhalten?
Heike Buchter: 'Black Rock – Eine heimliche Weltmacht greift nach unserem Geld'Die Politik muss trotz der bisherigen Maßnahmen an dem Thema Kapitalmärkte dranbleiben. Reformen kommen leider meist erst dann, wenn das Kind bereits im Brunnen liegt. Für die Regulierer ist es auch deshalb schwierig, die Vermögensverwalter strikter zu regulieren, weil bisher noch kein schwerwiegender Zwischenfall passiert ist. Darauf verweisen auch die Branchenvertreter und wehren sich gegen die, aus ihrer Sicht, überzogenen Vorschriften. Umso wichtiger werden Studien, die neutralere Erkenntnisse und Diskussionsgrundlagen liefern. Ein gutes Beispiel ist das Wettbewerbsrecht. Weil die Indexfonds oft ganze Branchen abbilden, gehören konkurrierende Unternehmen oft denselben Großaktionären. Das ergibt eine Art Eigentümerkartell. Studien von Wirtschaftswissenschaftlern ergaben, dass dies bei Fluglinien und Banken in den USA zu höheren Preisen und schlechteren Bedingungen für Kunden führte. Solche Erkenntnisse sollten zu einer Diskussion über eine Aktualisierung des Wettbewerbsrechts führen. Das Wettbewerbsrecht ist auch in der Frage von Techriesen wie Amazon und Google ein Bereich, der von enormer Bedeutung für die politischen Gestaltungsmöglichkeiten sein wird.
Frau Buchter, wir danken für das Gespräch.
Ein Interview von Claudia Detsch
Das Interview ist ursprünglich im IPG-Journal der Friedrich-Ebert-Stiftung erschienen. Die Friedrich-Ebert-Stiftung orientiert sich an den Grundwerten der Sozialen Demokratie und fördert diesbezüglich die politische Bildung und Beratung, die Studienförderung und die Aufbereitung der Geschichte der Sozialen Demokratie. Wir danken der Stiftung herzlich für die Genehmigung des Abdrucks.
Dieser Artikel ist in forum Nachhaltig Wirtschaften 02/2022 mit dem Schwerpunkt: Wirtschaft im Wandel - Habeck Superstar? erschienen.
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