G7-Gipfel – 170 Millionen für eine Show

Der aktuelle Kommentar von Alrun Vogt

170 Millionen Euro kostete am Ende der G7-Gipfel auf Schloss Elmau. Eine absurde Summe. Haben wir von dem Treffen wenigstens große Veränderungen zu erwarten? Wohl kaum – gemessen daran, was alles nicht angesprochen wurde.

Es gab vegetarische und vegane Mahlzeiten, das Essen wurde auf Holztellern serviert. Man wollte sich nachhaltig zeigen. In keinem Verhältnis dazu standen die monströsen Sicherheitsmaßnahmen rund um das Treffen: Allein die unzähligen Hubschrauberflüge um den Gipfel hinterlassen einen CO2-Abdruck, den kein Holzteller wettmachen kann; 18.000 Polizisten waren im Einsatz, Zehntausende Gullideckel wurden versiegelt, ein ganzes Gebirgstal verrammelt.  Für die Menschen vor Ort bedeutete der Gipfel zudem fragliche Zumutungen: Sportmöglichkeiten waren monatelang eingeschränkt, weil die Sporthallen von Sicherheitsleuten besetzt waren, Schüler konnten nicht zur Schule gehen, Straßen wurden stundenlang abgeriegelt.
 
Es geht um die Show
Schloss Elmau - eine schöne Kulisse für viel Geld. © DrFrank, pixabay.comAbstruse 170 Millionen Euro hat der Gipfel am Ende gekostet. Und das nur, damit sich die Staats- und Regierungschefs vor einer bayerischen Idylle mit Bergkulisse inszenieren konnten. In Zeiten von Krieg, Energie- und Umweltkrisen, Knappheiten und Hunger ein Signal, das abgehoben und hochmütig daherkommt. Was hätte man alles Gute mit diesem Geld tun können!
 
Freilich ist das Gespräch, ist eine konstruktive Zusammenarbeit der Nationen von entscheidender Bedeutung für eine friedliche Welt. Doch das Wesen solcher Gipfel wie in Elmau ist die Inszenierung, die Show. Würden es die Staatschefs wirklich drauf anlegen, könnten sie sich auch an einem nicht öffentlich bekannt gemachten Ort treffen, online oder so wie in Italien im vergangenen Jahr beim G20-Gipfel: Die Gastgeber mieteten damals schlichtweg eine einfache Messehalle an. Eine beeindruckende Kulisse gab es zwar nicht, doch dafür weniger Aufwand und einen umweltfreundlicheren Gipfel.

Was ist von den Ergebnissen zu erwarten?

Was ist inhaltlich bei dem Gipfel herausgekommen? Da wurden einmal weitere Sanktionen gegen Russland verhängt, darunter Strafzölle auf russische Produkte. Allerdings ist dies eher ein unbeholfenes Mittel, mit dem wir vor allem unsere eigene Wirtschaft schwächen. Denn Indien, China, Brasilien und Südafrika, die mit dem Kreml partnerschaftlich in der Gruppe der sogenannten Brics-Staaten sitzen, machen dabei nicht mit. Damit nicht genug. Indien zum Beispiel kauft nicht nur im großen Stil Waffen bei Putin, es deckt sich auch zunehmend mit russischem Öl ein, um es dann zu Benzin und Diesel zu verarbeiten und ins Ausland weiter zu verkaufen – auch an uns. Es macht damit aus den Strafmaßnahmen des Westens ein Geschäft – und saß dennoch in Elmau wie selbstverständlich am Gästetisch.
 
Als herausragendste Vereinbarung des Gipfels steht die Absicht: Innerhalb von 15 Jahren sollen 500 Millionen Menschen vom Hunger befreit werden. Es wäre zu hoffen, dass dies erreicht werden könnte! Doch sollten wir uns daran erinnern, dass an Gipfeltreffen und großen Absichtserklärungen zu Hunger und Nachhaltigkeit in den letzten Jahrzehnten kein Mangel geherrscht hat und dass es Hunger weltweit dennoch nach wie vor im Überfluss gibt. Warum?
Absichtserklärungen sind schnell gegeben und gut für das Image. Freilich fließen Gelder in die Hungerhilfe, doch bekanntlich sind die Hilfen oft so gestaltet, dass sie die Wirtschaft der Geberländer unterstützen und die Empfänger in Abhängigkeiten halten. Der Weg sollte nicht nur sein, die Symptome unseres maroden Wirtschaftssystems zu mildern. Weit mehr kommt es darauf an, die Ursachen von Armut, Hunger und Krieg zu beseitigen.
 
Um zu ergründen, ob dies ernsthaft angestrebt wird, sollten wir einmal nicht darauf schauen, was beschlossen wird – gute Absichten sind, wie gesagt, schnell formuliert und ihre Umsetzung hat oft machtpolitische Haken. Wir sollten vielmehr einmal darauf schauen, was nicht beschlossen wird und welche Probleme nicht angesprochen werden.
 
Was wird nicht gesagt?
Da steht an vorderster Stelle unser Geldsystem. Wurde jemals auf einem Wirtschaftsgipfel zum Thema gemacht, dass unser System zwangsläufig zu Armuts- und Umweltkriesen, führt, da es auf leistungslosen Einkommen, stetigem Vermögenswachstum und damit auf Ausbeutung  basiert? Es ist schon schizophren: Einerseits gehört es zum tiefen Selbstverständnis der demokratischen Gesellschaften, dass man glaubt, das Sklaventum, den Feudalismus und die kolonialistische Ausbeutung früherer Zeiten überwunden zu glauben und all dies heftig verurteilt. Gleichzeitig gilt es als völlig normal, sein Geld irgendwo anzulegen und es „arbeiten" zu lassen; sprich andere Menschen arbeiten zu lassen, die einem die Rendite erwirtschaften.
 
Wurde im Zusammenhang mit dem Schuldenabbau jemals angesprochen, dass unser Geld bereits als Kredit, also unter Schulden in die Welt kommt? Dass Schuldenabbau deshalb gleichzeitig eine Reduzierung der Geldmenge bedeutet, da die Geldmenge bei einer Kreditrückzahlung gelöscht wird, und dass wir deshalb in dem Dilemma stecken, Schulden zu brauchen? Wurde jemals offen gesagt, was jedem Menschen bei genauerer Betrachtung offensichtlich sein muss: Dass die mittlerweile angehäuften Schulden niemals zurückbezahlt werden können? Ein Beispiel dafür: Angenommen die deutsche Regierung würde ab heute keine Schulden mehr aufnehmen, sondern neben allen anderen Ausgaben jeden Monat eine Milliarde Euro an Schulden tilgen, dann würde es circa bis zum Jahr 2200 brauchen, bis der Schuldenberg abgetragen ist – ein unrealistisches Szenario. In vielen anderen Ländern sieht es noch weit schlimmer aus.
 
Wurde jemals angeprangert, dass es möglich ist, mit Geld ganze Konzerne mit tausenden von Mitarbeitern zu kaufen, um sie für die eigene Rendite auszupressen? Und wurde die beispiellose Machtkonzentration von Konzernen kritisiert, die in den letzten Jahren aufgebaut wurde? Ein Beispiel: Die Firma BlackRock verwaltet mehr als sieben Billionen Dollar, ist Miteigentümer von 18.000 Unternehmen und Banken, ist Großaktionär von Google, Amazon, Apple, Microsoft und Facebook sowie der großen Öl-, Kohle-, Agrobusiness- und Rüstungskonzerne. Ebenso aller DAX-Konzerne.
 
Was können wir hoffen?
Alrun Vogt, © privatDie Staatschefs wissen sicherlich, dass unser System einer Korrektur bedarf, aber sie lassen es auf einen Zusammenbruch hinauslaufen. Solange die grundsätzlichen Ungerechtigkeiten unseres Geld- und Wirtschaftssystems nicht angegangen werden, können wir leider auch nicht allzu viel Hoffnung in die Absichtserklärungen der großen Gipfeltreffen legen. Denn solange an unserem System nichts geändert wird, haben wir auch eine automatische Umverteilung von der Arbeit zum Kapital mit all ihren Folgen, solange haben wir auch einen Wachstumszwang und solange sind umweltpolitische Maßnahmen nur Flickwerk.
 
Um an den Fundamenten unseres Systems etwas zu ändern, braucht es vielleicht eine noch tiefere Krise. Obwohl wir bei diesem Schritt noch nicht angekommen sind, können wir dennoch erst einmal hoffen, dass die Gelder, die jetzt zugesagt wurden, schnell und unkompliziert bereitgestellt werden – zum Beispiel für Länder wie Burundi oder Eritrea, in denen teilweise mehr als 40 Prozent der Bevölkerung Hunger leiden.
 
Alrun Vogt, Autorin des Buches „Wirtschaft anders denken" (oekom 2016), ist Mitglied der forum-Redaktion.

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Gesellschaft | Politik, 29.06.2022

     
        
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