"Der Klimawandel bedeutet nicht automatisch Verzicht"

Branchenexpert*innen trafen sich zum Austausch über die Herausforderungen des Klimawandels für die Tourismusbranche

„Wir haben bei der Klimakrise einen riesigen Fehler in der Kommunikation gemacht". So brachte Prof. Dr. Stefan Gössling, Professor für Tourismusforschung an der Linnaeus University in Schweden, in seiner Keynote „Tourismus im Zeichen des Klimawandels" auf der Jahrestagung des Bayerischen Zentrums für Tourismus (BZT) eine der Kernaussagen und -ergebnisse der zahlreichen teilnehmenden Branchenexpert*innen auf den Punkt. „Die Klimakrise wird mittlerweile von der Weltbevölkerung nur noch als Bedrohung gesehen, da sie in ihren Augen Verzicht bedeutet. Wichtig ist es, die positiven Prozesse in der aktuellen Entwicklung in den Vordergrund zu stellen", lautete sein Appell.
 
Im Fokus der BZT-Jahrestagung stand die Frage, welche Auswirkungen der Klimawandel für die Tourismusbranche haben wird. © dassel, pixabay.comRund 100 Vertreter*innen aus Wissenschaft, Praxis und Politik tauschten sich auf der ersten BZT-Jahrestagung, die in Präsenz stattfinden konnte, bei Diskussionen, Workshops und Vorträgen zum Leitthema „Tourismus im Zeichen des Klimawandels – Wachstum, neue Verantwortung, Verzicht …?" aus. Inhaltlich im Fokus stand dabei die Frage, welche Folgen der Klimawandel für die Tourismusbranche haben wird.
 
„Die Menschen müssen daran glauben, dass sie noch auf den Klimawandel einwirken und etwas nachhaltig verändern können", appellierte Petra Thomas (Geschäftsführerin forum anders reisen e.V.) im Rahmen der Podiumsdiskussion, die von SZ-Journalist Dominik Prantl moderiert wurde. Sie beschäftigte sich mit den möglichen Auswirkungen und Folgen, aber auch Chancen und Herausforderungen des Klimawandels für den Tourismus. Die Podiumsteilnehmer*innen, darunter auch Prof. Dr. Stefan Gössling, Marcus Smola (Geschäftsführer BHW Hotel Group Central Europe GmbH) sowie Linus Dolder (Communications & Social Media von Fridays for Future), waren sich darin einig, dass die Botschaften zum globalen Problem des Klimawandels an die Bevölkerung positiver gestaltet werden müssen. Gefordert wurde auch deutlich mehr Eigeninitiative aus der Wirtschaft. „Man kann jeden Tag eine neue Weiche in Richtung Zukunftsgestaltung stellen", lautete die übereinstimmende Meinung des Plenums. Eine weitere: „Der Anspruch an Unternehmen, nachhaltig zu wirtschaften, wird steigen."
 
Nach der Grußadresse des BZT-Vorsitzenden Prof. Dr. Alfred Bauer hob Dr. Ulrike Wolf, Ministerialdirektorin im Bayerischen Staatsministerium für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie, die Bedeutung des Themenkomplexes „Nachhaltigkeit" für die touristische Zukunft des Freistaats Bayern hervor. „Bayern setzt mit seinem Leitbild ‚Tourismus in Bayern - im Einklang mit Mensch und Natur‘ schon länger auf nachhaltigen Qualitätstourismus. Mit unserem Förderprogramm ‚Fit für die Zukunft‘ unterstützen wir die weitere Ertüchtigung besonders der kleineren Betriebe im Hinblick auf Nachhaltigkeit, Digitalisierung und Barrierefreiheit. Zunächst hoffe ich aber auf einen erfolgreichen Tourismus-Sommer 2022 in Bayern."
 
In kurzen Impulsvorträgen äußerte sich Ralf Zednik (Leitung Marktforschung von München Tourismus) zum Thema Städtetourismus, Rita Hagen (Gründerin/Geschäftsführerin Hagen Alpin Tours) bezog zur Situation der Reiseveranstalter Stellung und Hans-Jürgen Nägerl (Geschäftsführer Landhotel Weißes Roß und Bezirksvorsitzender der DEHOGA Bayern) verwies auf aktuelle Problematiken in den Bereichen Hotellerie/Gastronomie. Zudem analysierte Fritz Rasp (Projektmanager im Bergsteigerdorf Ramsau) die klimabedingten Herausforderungen für die Destinationen und Ralf Schmid (CEO der Flughafen Memmingen GmbH und stellv. Vorsitzender der Interessengemeinschaft der regionalen Flugplätze e.V. / IDRF) verwies auf die Innovationen, denen sich die Mobilitätsbranche zukünftig stellen muss.
 
Es folgten Break Out-Sessions zu den Themengebieten der fünf Referent*innen sowie eine Zusammenfassung und Diskussion im Plenum. Die Themen wurden beim gemeinsamen Netzwerkabend im historischen Salzstadel vertieft.
 
Am Folgetag stimmte Dr. Michael Braun, Geschäftsführender Vorstand des Tourismusverbands Ostbayern e.V., die Teilnehmer*innen der Jahrestagung in einer Grußadresse auf die Bedeutung von Nachhaltigkeitsinitiativen im Tourismus ein. „Worte alleine genügen nicht, wir müssen handeln", lautete sein Appell. Und weiter: „Wir können den Klimawandel nicht aufhalten, aber wir können dazulernen, um mit der Situation besser umgehen zu können."
 
Vier Impulsvorträge mit anschließender Diskussion, die jeweils im Rahmen von zwei Parallelveranstaltungen durchgeführt wurden, vertieften die aktuellen Themen und Herausforderungen weiter:
 
Nachhaltigkeit: Von „kann" zu „muss"? mit Dr. Harald Zeiss (Professor für Tourismusmanagement und Betriebswirtschaft mit Schwerpunkt internationaler Tourismus und Nachhaltigkeit an der Hochschule Harz) sowie Benjamin Förtsch (Geschäftsführer im Creativhotel Luise Erlangen)
 
Resilienz: Nach der Krise ist vor der Krise? Mit Dr. Harald Pechlaner (Lehrstuhlinhaber Tourismus und Leiter des Zentrums für Entrepreneurship an der Kath. Universität Eichstätt-Ingolstadt) und Yvonne Coulin (Geschäftsführerin der Congress- und Tourismus-Zentrale Nürnberg)
 
Klimawandel: Anpassungsstrategien für den Tourismus mit Robert Heuberger (Naturparkmanager, Naturpark Dobratsch, Kärnten, Österreich) und Prof. Dr. Ulrike Pröbstl-Haider (stellv. Leiterin des Instituts für Landschaftsentwicklung, Erholungs- und Naturschutzplanung an der Universität für Bodenkultur Wien)
 
Gesellschaft: Wer wird wie verreisen? Mit Ulf Sonntag (Geschäftsführer NIT – Institut für Tourismus- und Bäderforschung in Nordeuropa GmbH und Projektleiter Reiseanalyse FUR – Forschungsgemeinschaft Urlaub und Reisen e.V.) und Cathrin Schiemenz (Projektmanagerin für Zielgruppen, Bayerisches Zentrum für Tourismus)
 
Die BZT-Jahrestagung endete inhaltlich mit einer Zusammenfassung der gesamten Tagung. Vor allem der Begriff „Nudging" – er stammt aus der Verhaltensökonomik – wurde dabei immer wieder erwähnt. Das Plenum war sich darin einig, dass „Nachhaltigkeit" Teil eines Qualitätsversprechens an die Bevölkerung sein muss. „Taten müssen gegenüber Worten überwiegen", lautete eine der finalen Kernaussagen.
 
Gekonnt durch die Tagung führte Dr. Wolfgang Isenberg, der zum Abschluss auf die Rede von Prof. Dr. Klaus Töpfer (ehemaliger Bundesminister für Umwelt und Exekutivdirektor des Umweltprogramms der Vereinten Nationen/UNEP) zum Begriff „Zeitenwende" überleitete.
 
Prof. Dr. Klaus Töpfer verwies auf die derzeitigen vier globalen Krisen, die bleibende Auswirkungen auf Wirtschaft und Gesellschaft haben würden: Die Corona-Pandemie, die Klimakrise, den Ukraine-Krieg sowie den dramatischen Umbruch im wirtschaftlichen System.
 

Alle Fachgespräche der Dialogreihe sind nach der Veranstaltung unter in ausgewählten Auszügen abrufbar.
 
Kontakt: Bayerisches Zentrum für Tourismus (BZT), Prof. Dr. Alfred Bauer | a.bauer@bzt.bayern | www.bzt.bayern


     
        
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