Bedingungsloses Grundeinkommen... Nein danke!

Von Gabriele Wickenhäuser

Eigentlich bewundere ich Götz Werner für sein beeindruckendes Lebenswerk als Drogist und als deutscher Unternehmer. Auch seine guten Absichten gegenüber dem Prekariat, dem er durch sein Programm "Bedingungsloses Grundeinkommen" ja helfen will, kann ich hochschätzen. Der Bezug der Grundsicherung für Arbeitssuchende ist von einer persönlichen Antragstellung und von Bedürftigkeit abhängig. Der dazu notwendige Verwaltungsakt kann von den öffentlich Bediensteten wegen Überforderung häufig noch nicht menschenwürdig in die Tat umgesetzt werden. Durch einen allgemeinen rechtlichen (das heißt grundrechtlichen) Anspruch auf das Bedingungslose Grundeinkommen würde dieses Umsetzungsproblem in der Arbeitsverwaltung entfallen. So denkt sich das wohl der "predigende Geschäftsmann".

Juristische Begriffe sind keine Fiktionen

Die Einführung des Bedingungslosen Grundeinkommens würde die gewachsenen Geldtransferkanäle im deutschen Staatswesen stilllegen und durch juristisch völlig neue ersetzen. Dieses Vorgehen könnten wir - gemäß der anthroposophischen Lehre vom sozialen Organismus - mit einer Herz-Lungen- Transplantation vergleichen, die an der Patientin Deutschland vorgenommen wird, obwohl sie nur an leichten Durchblutungsstörungen in ihren Beinen leidet.

Ein lebendiger Staat bildet sich aus einem räumlichen Neben- und zeitlichen Nacheinander bestimmter, in Beziehungen von Menschen zu Menschen sich äußernder Tätigkeiten, die zu Rechtsvorgängen werden können. Soziale Gerechtigkeit ist heute an unseren demokratischen Staat gebunden. Daher bedeutet bürgerliche Freiheit bei uns zugleich eine gewisse Freiheit von der Staatsgewalt, verbunden mit gesetzlich garantierten Bürgerrechten, die es uns ermöglichen, auf unsere Staatsgewalt persönlich Einfluss zu nehmen. Diese subjektiven öffentlichen Rechtsansprüche sind heute für viele Arbeitnehmer existenziell wichtig geworden, weil sie sich mehrheitlich nicht mehr auf eigenem Boden landwirtschaftlich selbst versorgen könnten.

Auf eine weltweit einzigartig mit einer Ewigkeitsklausel geschützte Art und Weise bleibt unsere deutsche Staatsmacht durch ihr Grundgesetz bis zu ihrem Erlöschen menschenrechtlich fest gebunden. Sie ist und bleibt gegenüber ihrer Bürgerschaft, die als Staatsvolk die Staatsmacht selbst bildet, verfassungsrechtlich verpflichtet. Deutschland könnte daher seine "Belegschaft" bei drohender Zahlungsunfähigkeit nicht einfach ausweisen (beispielsweise Bürger mit Migrationshintergrund) oder entlassen (beispielsweise die Beamtenschaft).

Wenn bei einem ständigen Ungleichgewicht zwischen erwerbsarbeitender und arbeitsloser Bevölkerung das Staatsdefizit zu groß werden würde, um weiterhin die Grundeinkommen an alle in der gewohnten Höhe ausbezahlen zu können - wenn also die staatliche Insolvenz drohen würde -, dann müsste die deutsche Regierung entweder Nachbarstaaten um finanzielle Hilfen bitten oder sich auf feindliche Weise im Ausland das holen, was den eigenen Bürgern zum Überleben fehlt.

Denn eine Gesetzesänderung zu Lasten der Erwerbslosen, die vom Bedingungslosen Grundeinkommen leben müssen, wäre in Krisenzeiten nicht ohne politischen Schaden durchzusetzen. Das kann uns die Geschichte der Weimarer Republik lehren. Auch eine willkürliche Erhöhung der Geldmenge durch die deutsche Notenbank wäre im heutigen Euro-Raum nicht mehr im nationalen Alleingang denkbar. So lassen die vorstehend beschriebenen staatsrechtlichen Verhältnisse das Bedingungslose Grundeinkommen in einem anderen Licht erscheinen.

Im rechtsstaatlichen Leben sollten die faktischen sozialen Verhältnisse den von ihnen erzeugten Rechtsnormen stets vorausgehen, damit nicht erneut politische Revolutionen und Verfassungsbrüche die unverträglichen Gesetzesänderungen aus der Welt schaffen müssen.

Neue politische Ideen und ihre Vertreter müssen nun im vereinten Europa den vorgeschriebenen Weg über die Parlamente in die Gesetzgebung finden. Dazu müssen sie eine Mehrheit unter den jeweiligen Volksvertretern für sich gewinnen. Dies gilt demnach auch für die Idee des Bedingungslosen Grundeinkommens, für die sich der Anthroposoph Werner stark macht.

Worin ich als Rechtsphilosophin Götz Werner ohne Einschränkung Recht geben will, ist seine Vorstellung davon, dass die Zukunft der Demokratie von einer geregelt wachsenden Freiheit ihrer Bürgerschaft abhängt. Eine Gesellschaft und ein Staatswesen, denen es beiden mit dieser Freiheit ernst ist, sollten jedoch unbedingt anerkennen, dass wir Europäerinnen und Europäer in einer aufgeklärten Zeitzone leben, in der Staatsgebiete, Staatsvölker und Staatsgewalten säkular-juristisch fest miteinander verknüpft sind und in ständigem, dynamischem, zwischenmenschlichem Austausch stehen. Was wir an der einen Stelle lostreten, könnte an der anderen gemäß der Chaostheorie eine zerstörerische Lawine auslösen. Lasst uns daher auch unsere besten Pferde zügeln!

Über die Autorin

Gabriele Wickenhäuser ist diplomierte Druckingenieurin und hat nach 17-jähriger Berufstätigkeit in der Verlags- und Konsumgüterindustrie bis zum März 2006 Rechts- und Staatsphilosophie an der Universität Tübingen studiert. Sie macht derzeit als Bakkalaurea Artium (B.A.) in Fellbach bei Stuttgart eine Zusatzqualifizierung zur Fallkonfliktmanagerin für Privatinsolvenzen. arachnemedien@t-online.de

Quelle:
Gesellschaft | Politik, 08.07.2008

     
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