Holz ja – aber nicht um jeden Preis!
Der aktuelle Kommentar von Christine Lemaitre
Die Frage nach Klimaschutz drängt auch im Bausektor. Holz speichert Kohlenstoff und gilt deshalb als Trendbaustoff. Nicht zuletzt die Holzknappheit 2021 zeigt jedoch, dass die Branche nicht auf einen einzigen Baustoff setzen sollte. Darin liegt aber auch eine große Chance. Denn er weitet den Blick auf eine Handvoll Baustoffalternativen und Bauweisen, die sich auf das besinnen, was ein Material wirklich leisten kann.
Die Baubranche ist einer der größten Verursacher von Treibhausgasemissionen. Sie entstehen jeden Tag beim Heizen und allen Aktivitäten, die Strom benötigen. Schaut man sich den kompletten Fußabdruck von Gebäuden an, fallen auch die CO2-Emissionen auf, die entstehen, wenn Baumaterialien hergestellt werden, Gebäude instandgesetzt oder rückgebaut werden. Laut einer Studie machen diese verbauten Emissionen im Schnitt ein Drittel aller mit Gebäuden verbundenen Klimagase aus. Die Bestrebungen hin zu mehr Energieeffizienz und der Ausbau erneuerbarer Energien machen es möglich, dass Gebäude heute klimaneutral im Betrieb sein können. Dadurch fallen die verbauten Emissionen umso mehr ins Gewicht. Es ist also absolut nötig, dass diese reduziert werden.
Holz als Klimaretter?
Da kommt der Baustoff Holz genau richtig. Denn Bäume speichern im Laufe ihres Lebens eine ganze Menge Kohlenstoff und reduzieren damit Treibhausgase in der Luft. Wird er als Baustoff eingesetzt, kann die gespeicherte Menge vom CO2-Fußabdruck des Gebäudes abgezogen werden – man spricht deshalb auch von einer CO2-Senke. Schaut man sich daneben die CO2-Emissionen von anderen Materialien wie beispielsweise Stahlbeton an, wird die klimafreundliche Wirkung von Holz noch deutlicher. Da erkennt sogar ein Laie, dass Holz gut fürs Klima ist. Das ist die Lösung für die Baubranche. Oder?
Der differenzierte Blick des nachhaltigen Bauens
Ganz so einfach ist es leider nicht. Als Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen plädieren wir für einen ganzheitlichen Nachhaltigkeitsansatz, der auf ökologischen, ökonomischen und soziokulturellen Aspekten gründet und konsequent den gesamten Lebenszyklus von Gebäuden berücksichtigt. Dieser Ansatz geht aus einem differenzierten Blick hervor und stellt einige Bedingungen an den Baustoff Holz – ein kleiner Auszug:
Pflanzen unterliegen einem natürlichen Kreislauf der Kohlenstoffspeicherung und -freisetzung. Wird der Baustoff Holz nach der Nutzungszeit zur Energiegewinnung verbrannt, gelangen die CO2-Emissionen wieder in die Atmosphäre. Klimaneutral ist dieser Prozess nur, wenn in dieser Zeit genug Holz nachgewachsen ist – das dauert in der Regel aber zwischen 20 bis 40 Jahre. Deshalb muss Holz so lange wie möglich im Gebäude bleiben, um den Effekt der CO2-Speicherung wirklich nutzen zu können.
Beim Transport von Baumaterialien werden ebenfalls CO2-Emissionen verursacht. Holz als Baustoff sollte deshalb dort verwendet werden, wo er auch lokal verfügbar ist – Voraussetzung dafür ist, dass es aus nachhaltiger Forstwirtschaft gewonnen wird, die oben genanntes Gleichgewicht sicherstellt. Vor der Wahl des Baustoffs gilt es abzuwägen, ob Holz die benötigte Funktion am besten erfüllt. Möglicherweise sprechen Standort, Rahmenbedingungen und Nutzungstyp für einen anderen Baustoff, der effizienter leistet, was gebraucht wird.
Offen für die Vielfalt: Materialgerecht planen und bauen
Mein Appell lautet, sich differenziert mit der Materialwahl auseinanderzusetzen. Wer das tut, stellt die Zielsetzung vor die Baustoffwahl und öffnet sich damit für alle Baustoffalternativen, die ein nachhaltiges Ergebnis zum Ziel haben. Das führt dazu, die Vorteile unterschiedlicher Werkstoffe zu kombinieren und Materialien standort-, klima- und funktionsabhängig auszuwählen. Wie unterschiedliche Baustoffe und Bauweisen in der Planung simuliert werden können, um zu einem guten, einfachen Ergebnis zu gelangen, zeigt der diesjährige Preisträger des „Deutschen Nachhaltigkeitspreises Architektur" mit dem Titel „Einfach Bauen". Fällt nach einem Prozess des Abwägens die Wahl am Ende auf den Baustoff Holz: Dann bitte gerne!
Dr. Christine Lemaitre studierte Bauingenieurwesen an der Universität Stuttgart. Ab 2003 war sie am Institut für Leichtbau Entwerfen und Konstruieren der Universität Stuttgart beschäftigt und ab 2007 bei der Bilfinger Berger AG. Seit Februar 2010 ist Dr. Christine Lemaitre Geschäftsführender Vorstand der Deutschen Gesellschaft für nachhaltiges Bauen (DGNB). Sie war von 2016 bis 2020 Mitglied des Vorstands des World Green Building Council (WGBC) und ist außerdem Mitglied im Beirat für Baukultur des Landes Baden-Württemberg, dem Nachhaltigkeitsrat des ZIA und im board of directors des Cradle to Cradle Product Innovation Institutes. Des Weiteren ist sie Co-Initiatorin der internationalen Planerinitiative „Building Sense Now", Vorsitzende des europäischen Netzwerks Climate Positive Europe Alliance (CPEA) und Vorstand der Wissensstiftung.
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