Nachhaltige Mobilität im Unternehmen

Ihre Verantwortung – Ihre Chance

Angesichts des Klimawandels ist eine nachhaltige Mobilitätsabwicklung ein Gebot der Zeit. Die klimaschädlichen Emissionen durch Verkehr müssen drastisch verringert werden, sollen die gesetzten Klimaziele erreicht und der Temperaturanstieg auf max. 1,5 °C begrenzt werden. Alle Unternehmen haben Möglichkeiten, hier aktiv zu werden. Für Unternehmen, die sich Klimaschutz und Nachhaltigkeit auf die Fahnen geschrieben haben, gehört auch eine nachhaltige Mobilität dazu. Damit verbunden sind zudem ökonomische Vorteile, erhöhte Arbeitgeberattraktivität und verbesserte Zukunftsfähigkeit. Nutzen Sie die Chancen und schaffen Sie ein gutes Klima!

Dieter Brübach, stellvertretender Vorsitzender von B.A.U.M., legt Dienstreisen mit Zug und Faltrad zurück. © B.A.U.M.Der Verkehrssektor ist für ca. 20 Prozent der CO2-Emissionen in Deutschland verantwortlich. Das sind insgesamt etwa 157 Millionen Tonnen Kohlendioxid pro Jahr, von denen etwa 60 Prozent durch den Pkw-Verkehr verursacht werden. Unternehmen und kommunale Betriebe haben durch ihr Mobilitäts- und Fuhrparkmanagement erheblichen Einfluss auf das Mobilitätsgeschehen und somit die Entwicklung der Treibhausgasemissionen im Verkehrssektor. Ungefähr 63 Prozent der Neufahrzeuge wurden 2020 gewerblich zugelassen, hiervon ca. 45 Prozent für Unternehmensflotten (Quelle: T&E Briefing, transportenvironment.org). Diese gewerblich genutzten Fahrzeuge und Dienstwagen sind für ungefähr drei Viertel der CO2-Emissionen von Neuwagen verantwortlich. Große und emissionsintensive Fahrzeugmodelle werden besonders häufig von Unternehmen geordert und finden sich Jahre später auf dem Gebrauchtwagenmarkt wieder.
 
Eine Analyse des Duisburger CAR-Instituts hat ergeben, dass 2020 die durchschnittliche Motorleistung aller Autos in Deutschland mit 165 PS noch einmal um 7 PS höher lag als 2019. So kommt es, dass der aktuelle CO2-Emissionsausstoß aller Fahrzeuge im Durchschnitt immer noch bei über 150 g CO2/km liegt, der CO2-Ausstoß von hochpreisigen Dienstwagen im Durchschnitt gar bei hohen 229 g CO2/km – und damit deutlich über dem aktuellen EU-Flottengrenzwert von 95 g CO2/km. Zudem liegt die jährliche Fahrleistung von Dienstwagen fast doppelt so hoch wie diejenige von Privatwagen.

Mit Geschäftsfahrzeugen werden dienstlich bedingte Fahrten oder auch Dienstreisen unternommen. Deren Gesamtzahl hat gegenüber 2019 – pandemiebedingt – deutlich abgenommen. Noch ist unklar, auf welchem Niveau sich die Zahl der Dienstreisen in der „Nach-Corona-Zeit" bewegen wird. Vorgaben und Entscheidungen der Unternehmen werden hier großen Einfluss haben.

Pendelverkehre sind ein weiterer gewichtiger Faktor bei der Erzeugung von CO2-Emissionen im Verkehrssektor. Laut einer aktuellen Studie des statistischen Bundesamts (Destatis) von 2020 nutzen 68 Prozent der Berufspendler:innen das Auto auf dem Weg zur Arbeit. Auch hier hängt die Entscheidung der Arbeitnehmenden, wie sie zum Arbeitsplatz kommen, von Rahmensetzungen des Unternehmens ab, z.B. von der Standortwahl für den Betrieb, der Bereitstellung von Parkplätzen und Dienstfahrzeugen sowie Vorgaben und Anreizen zur Mobilitätsgestaltung.

Unternehmen in der Verantwortung
Es gibt zahlreiche Aspekte und Gründe, warum sich Unternehmen der Entwicklung einer nachhaltigen betrieblichen Mobilität widmen sollten bzw. sogar müssen. Das Thema Mobilität liegt im Einflussbereich des Unternehmens und ist somit auch verknüpft mit Selbstverständnis, Strategie, Zielen und Werten des Unternehmens. Spiegelt sich das Werteverständnis Ihres Unternehmens auch in der praktizierten Mobilität wider? Für an Nachhaltigkeit orientierte Unternehmen wäre wichtig, dass die Richtlinien und die praktizierte Mobilität sozial ausgewogen und weitgehend gerecht für alle Beschäftigten ausgerichtet sind. Wo gibt es in Ihrem Unternehmen möglicherweise noch Regelungen, die heute diesem Anspruch nicht mehr genügen?

Für vielen Branchen und Unternehmen wird zudem der Aspekt der Arbeitgeberattraktivität zunehmend wichtig. Auch hier können Sie im Bereich Mobilität, von dem alle Beschäftigten betroffen sind, punkten. Attraktive Angebote und Services zur Mobilität kommen gut an, auch bei der Suche nach neuem Personal. Insbesondere eine Vielfalt der Angebote und Wahlmöglichkeiten wird den unterschiedlichen Wünschen und Bedarfen der Mitarbeitenden gerecht. Bereiten Sie ein „Mobilitätsbuffet". Aktives betriebliches Mobilitätsmanagement arbeitet mit Informationen, Impulsen, Anreizen, Wettbewerben, (Gemeinschafts-)Aktionen, Aktionstagen und Ausprobiergelegenheiten – bis hin zu Vorgaben in Richtlinien und Policies.

Beziehen Sie Ideen und Vorschläge aus der Belegschaft in Ihre Überlegungen ein und schaffen Sie ein „Wir-Gefühl" der Verantwortlichkeit bei der Umsetzung Ihrer Unternehmenswerte und -ziele. Machen Sie andererseits auch Ihre Beweggründe für Vorgaben und Policies transparent und informieren Sie regelmäßig über die Entwicklung sowie Positivbeispiele. Honorieren und feiern Sie gemeinsam erreichte Erfolge (Verlosung, freier Tag, Freiessen in der Kantine etc.).

Auch unter ökonomischen Aspekten gilt es, Effizienzen zu steigern und Kosteneinsparpotenziale zu identifizieren und zu heben. Der betriebliche Fuhrpark stellt häufig einen hohen und unflexiblen Kostenblock dar. Fahrzeuge werden vielfältig vorgehalten, aber häufig nur relativ wenig genutzt – und sie sind bei geringer Auslastung ineffizient. Neue Ansätze wie „Nutzen statt Besitzen" bergen auch für Unternehmen Einsparpotenziale. Wo gibt es zudem (verdeckte) Subventionierung nicht nachhaltigen Mobilitätsverhaltens? Beziehen Sie auch administrativen Aufwand z.B. für das Fuhrparkmanagement in die Vollkostenrechnung ein? Haben Sie einmal ausgerechnet, wie viel der Betrieb für Parkplätze ausgibt? Kann Parkraum nicht anderweitig und produktiver für das Unternehmen genutzt werden? Schaffen Sie Kostentransparenz und schichten Sie Mittel gezielt zugunsten nachhaltiger Mobilitätsformen um.
 
„Die Zukunft hängt von dem ab, was wir heute tun." 
Mahatma Gandhi

Allgemein wird erwartet, dass in Zukunft die Kosten vor allem einer nicht nachhaltigen Mobilität deutlich steigen, beispielsweise infolge der CO2-Bepreisung und einer möglicherweise neuen steuerlichen Rahmensetzung z.B. durch den Abbau klimaschädlicher Subventionen. Zum anderen belohnen aber auch vielfältige staatliche Förderprogramme zu nachhaltiger Mobilität und entsprechender Beratung proaktives Handeln.

Nachhaltige Mobilität im Fokus von Klimabilanzierung und Nachhaltigkeitsberichterstattung
Bezüglich der ökologischen Säule der Nachhaltigkeit stehen Umweltwirkungen und natürlich der Klimaschutz besonders im Fokus. Inwieweit trägt die praktizierte Mobilität positiv zu den Unternehmenszielen für Klimaschutz oder gar Klimaneutralität bei? Eine seriöse Klimabilanzierung im Unternehmen bezieht neben Scope 1 und 2 auch die Mobilität der Beschäftigten auf allen geschäftlichen Wegen sowie den Arbeitswegen mit ein, da die Treibhausgasemissionen aus der betrieblichen Mobilität stets wesentlich sind – häufig sogar von überraschend großer quantitativer Dimension.

Die Kommunikation zu Nachhaltigkeit wird immer wichtiger, wie Vorgaben aus der EU(-Taxonomie) oder seitens des Bundesgesetzgebers vorsehen. Große und kapitalmarkt-orientierte Unternehmen sind bereits heute zu umfassender nicht-finanzieller Berichterstattung (auch im Bereich Mobilität) verpflichtet; ab 2023 wird diese Verpflichtung deutlich ausgeweitet auf Unternehmen ab 250 Mitarbeitenden. Auch andere Anspruchsgruppen wie Kund:innen, Lieferant:innen, Medien, Verbände oder Investor:innen fragen nach konkretem Handeln zur Nachhaltigkeit. Wie ein Unternehmen bzgl. der Mobilität unterwegs ist, prägt das wahrgenommene Unternehmensimage mit. So bietet dieses Thema auch vielfältige Anlässe zu positiver Kommunikation: Wer sich als innovativer Vorreiter mit viel Engagement positioniert, möglichst gewürdigt im Rahmen von Auszeichnungen und Wettbewerben, punktet in Sachen Image.

Das betrifft auch Sie als Führungskraft: Gehen Sie selbst mit gutem Beispiel voran!
 
Weiter wie bisher?
Abschied nehmen von – im wahrsten Sinne des Wortes – eingefahrenen Gewohnheiten und bislang üblichen Besitzständen wird nicht jeder/jedem leichtfallen und birgt manche Herausforderung. Dennoch: Nutzen Sie Ihre Handlungsspielräume und leisten Sie so einen wichtigen Beitrag zu mehr Nachhaltigkeit in der Mobilität – für eine gute Zukunft!

Exkurs: Sind Elektroautos die Lösung?
Angeregt durch massive Förderprogramme aus Steuermitteln und steuerliche Vergünstigungen steigen die Verkaufszahlen für Elektroautos stark an. Bringen diese die Wende zu nachhaltiger Mobilität?
Im rein elektrischen Fahrbetrieb produzieren Elektrofahrzeuge keine lokalen Emissionen von Luftschadstoffen und Treibhausgasen aus Verbrennungsprozessen. Bei ganzheitlicher Betrachtung über den gesamten Lebenszyklus müssen jedoch die Emissionen von Schadstoffen und Treibhausgasen bei der Energiebereitstellung und der Fahrzeugproduktion berücksichtigt werden. Die während der Nutzungsphase anfallenden Emissionen im elektrischen Fahrbetrieb sind maßgeblich vom jeweiligen Strommix abhängig. Relevant ist hier der Anteil von regenerativen, erneuerbaren Energieträgern bei der Strombereitstellung, der künftig wächst.

Elektrofahrzeuge benötigen mehr Energie für die Herstellung als vergleichbare Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren. Der auch daraus resultierende höhere CO2-Fußabdruck der Elektrofahrzeuge bei Neukauf (im Vergleich zu Fahrzeugen mit Verbrennungsmotoren) hängt maßgeblich von der Größe der Antriebsbatterie (Akkumulator) ab. Sofern die Energiewende im Stromsektor weitergeführt wird wie bisher, hat ein heute zugelassenes batterieelektrisches Fahrzeug (BEV) bei einem durchschnittlichen Fahrmuster nach ca. 60.000 km ein vergleichbares Benzin-Fahrzeug bzw. nach etwa 80.000 km ein vergleichbares Diesel-Fahrzeug bzgl. Treibhausgasemissionen eingeholt. Dementsprechend ist bei Erwerb eines Dienstwagens eine bedarfsorientierte Auswahl bezüglich der Größe des Fahrzeuges und des Akkus zu treffen. Zum Beispiel wären Fahrzeuge mit sehr großen Antriebsbatterien, die zudem auf Langstrecken mit der Bahn konkurrieren, jedoch nur auf Kurzstrecken eingesetzt werden, kontraproduktiv und erreichten ihren Klimavorteil erst deutlich später als kleinere Elektrofahrzeuge.

Generell ist auch der hohe Rohstoffbedarf zu bedenken – z.B. bzgl. kritischer Rohstoffe wie seltene Erden –, der für ein Fahrzeug, ob mit Verbrenner- oder Elektroantrieb, notwendig ist. Deshalb ist eine nachhaltige Kreislaufwirtschaft essenziell.

Elektroautos sind insbesondere bei niedrigen Geschwindigkeiten deutlich leiser. Ab ca. 30 km/h sind wie bei allen Fahrzeugen allerdings die Fahrgeräusche dominierend. Insbesondere der Bremsabrieb wird bei Elektroautos durch rekuperatives Bremsen maßgeblich reduziert. Der Straßen- und Reifenabrieb hängt vor allem vom Fahrzeuggewicht ab und kann bei Elektrofahrzeugen durch das zusätzliche Gewicht der Antriebsbatterie höher ausfallen.

Andere Probleme sind bei Autos unabhängig von der Motorisierung gleich: Elektroautos brauchen genauso viel Platz und somit Infrastruktur wie Straßen und Parkplätze und tragen gleichermaßen zur Überlastung der Verkehrssysteme und Staus bei. Die Unfallrisiken sind ähnlich wie bei herkömmlichen Fahrzeugen.

Fazit: Elektrofahrzeuge leisten - abhängig vom Strommix - vor allem einen wesentlichen Beitrag zum Erreichen der künftigen Klimaschutzziele im Verkehr. Sie sollten gemäß ihrer vorgesehenen Nutzung adäquat ausgewählt werden, um ihren Klimaschutzvorteil bestmöglich auszureizen. Ein Elektroauto ist aufgrund der dennoch vorhandenen Umweltwirkungen nicht per se ein vollumfänglich umweltgerechtes Verkehrsmittel. Allein das Austauschen des Antriebsaggregats führt nicht zu einer dringend erforderlichen Verkehrswende, sondern kann diese nur ergänzen.
 
Dieter Brübach ist stellvertretender Vorsitzender von B.A.U.M. und Projektleiter von #MobilityPolicy, einem Projekt, in dem B.A.U.M. gemeinsam mit zahlreichen Expert:innen und Fachverbänden Empfehlungen für die nachhaltige Ausgestaltung von Mobilitätsrichtlinien erarbeitet. Die Ergebnisse dieses von Bundesumweltministerium und Umweltbundesamt unterstützten Projekts sind unter www.MobilityPolicy.de zu finden.

Quelle: B.A.U.M. e.V. - Netzwerk für nachhaltiges Wirtschaften

Technik | Mobilität & Transport, 30.01.2022

     
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