Wirtschaft | Lieferkette & Produktion, 01.03.2021
Gründe für das Lieferkettengesetz
Wofür brauchen wir das Gesetz?
Das Lieferkettengesetz bekämpft Menschenrechtsverletzungen, setzt UN-Leitprinzipien und den nationalen Aktionsplan für Wirtschaft um, hilft beim gesellschaftlichen Wandel und unterstreicht die Bedeutung von Nachhaltigkeit im Arbeits- und Finanzmarkt.
Anhaltende Menschenrechtsverletzungen
Nach Angaben der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) befanden sich 2016 rund 152 Millionen Minderjährige in Kinderarbeit – dies entsprach einem weltweiten Anteil von 9,6 Prozent der Fünf- bis Siebzehnjährigen (siehe Grafik 4). Zudem wurden 24,9 Millionen Menschen Opfer von Zwangsarbeit.


UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte
Auch Unternehmen tragen eine Verantwortung für die Menschenrechte. Dies wurde mit den 2011 vom UN-Menschenrechtsrat verabschiedeten UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechten unterstrichen. Für deutsche Unternehmen heißt das: Sie tragen nicht nur für Produkte und Mitarbeiter in Deutschland Verantwortung, sondern auch für die Menschen entlang ihrer Lieferketten. Gleiches gilt für die Unternehmen vor Ort.
Nationaler Aktionsplan für Wirtschaft und Menschenrechte
Um die UN-Leitprinzipien in Deutschland umzusetzen, verabschiedete die Bundesregierung 2016 den Nationalen Aktionsplan Wirtschaft und Menschenrechte (NAP). Sie setzte dabei zunächst auf freiwilliges Engagement der Unternehmen. Zur Überprüfung wurde ein Monitoring eingerichtet, inwieweit die rund 7.200 deutschen Unternehmen mit mehr als 500 Beschäftigten ihrer menschenrechtlichen Sorgfaltspflicht in den Lieferketten nachkommen. Die Unternehmen konnten auch darlegen, warum sie bestimmte Verfahren und Maßnahmen nicht umsetzen konnten („Comply or Explain"-Mechanismus).
Das Monitoring wurde von unabhängigen Dienstleistern (u. a. Ernst & Young) durchgeführt.Bei der ersten Unternehmensbefragung (2019) haben etwa 400 von rund 3.000 angeschriebenen Unternehmen den Fragebogen ausgefüllt. Davon hat jedes fünfte Unternehmen die Anforderungen erfüllt. In der zweiten Runde (2020) wurden 2.250 Unternehmen befragt. Die Methodik wurde gegenüber der ersten Befragung verbessert. Diesmal antworteten rund 450 Unternehmen, von denen 17 Prozent die Vorgaben erfüllten. Die Zielmarke von 50 Prozent beim NAP-Monitoring wurde somit klar verfehlt.
Neben den politischen Gründen gibt es auch ökonomische Interessen, die für eine stärkere Berücksichtigung von Menschenrechten, Sozialstandards und Umweltschutzaspekten im globalen Handel sprechen.
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Koalitionsvertrag
Für den Fall, dass die Zielmarke von 50 Prozent beim NAP-Monitoring verfehlt wird, ist im Koalitionsvertag zwischen CDU, CSU und SPD eine gesetzliche Regelung vorgesehen: „Falls die wirksame und umfassende Überprüfung des NAP 2020 zu dem Ergebnis kommt, dass die freiwillige Selbstverpflichtung der nicht ausreicht, werden wir national gesetzlich tätig und uns für eine EU-weite Regelung einsetzen".
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Gesellschaftlicher Wandel hin zu mehr Nachhaltigkeit
Das Thema gesellschaftliche Verantwortung der Unternehmen – auch im internationalen Kontext – gewinnt in der öffentlichen Debatte in Deutschland immer stärker an Bedeutung. Im September 2020 sprachen sich in einer repräsentativen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts infratest dimap 60 Prozent der Befragten „auf jeden Fall" dafür aus, dass es „Aufgabe der deutschen Politik sei, dafür zu sorgen, dass deutsche Unternehmen auch bei ihren Auslandsgeschäften Menschenrechte und Sozialstandards achteten", 31 Prozent antworteten mit „eher ja". Lediglich jeder zehnte Befragte sprach sich dagegen aus (siehe Grafik 5). Der Beachtung von Umweltschutzaspekten stehen mehr als 80 Prozent der Befragten positiv gegenüber, lediglich jeder sechste lehnt dies ab.
Auch im konkreten Fall des geplanten Lieferkettengesetzes war die Zustimmung deutlich: 35 Prozent der Befragten waren auf „jeden Fall" für ein solches Gesetz, 40 Prozent sagten „eher ja" dazu. Lediglich 22 Prozent wollten es „auf keinen Fall" oder eher nicht (siehe Grafik 6).


Bedeutung der Nachhaltigkeit für Arbeits- und Finanzmarkt
Der gesellschaftliche Wandel spiegelt sich nicht nur in den wöchentlichen Demonstrationen junger Menschen für mehr Klimaschutz, sondern auch in der wichtiger werdenden Rolle des Themas Nachhaltigkeit bei der Arbeitsplatzsuche von Nachwuchskräften. Dabei sind „nachhaltige Unternehmen" im Vorteil, wie eine Umfrage des Job-Portals StepStone unter mehr als 7.000 Nutzern zeigt. Für fast 70 Prozent der Befragten ist das Thema Nachhaltigkeit „eher wichtig" oder „wichtig" bei der Suche nach einem neuen Arbeitsplatz. Unternehmen, die angesichts des demografischen Wandels mit seinem knapper werdenden Arbeitskräfteangebot auch in Zukunft auf dem Arbeitsmarkt attraktiv sein wollen, müssen sich diesen Entwicklungen anpassen (siehe Grafik 7).
Im Finanzsektor spielen Nachhaltigkeit und gesellschaftliche Verantwortung ebenfalls eine immer größere Rolle. Global wächst der Markt für Sustainability Bonds seit geraumer Zeit: Das sind Anleihen, die zur Finanzierung von „grünen" oder „sozialen" Projekten dienen, vielfach definiert durch die ESG-Ziele der Vereinten Nationen. ESG steht dabei für „Environment, Social and Governance", also eine in Bezug auf Umwelt und Sozialstandards verantwortungsvolle Unternehmensführung. Die insgesamt 17 ESG-Ziele sollen eine nachhaltige Entwicklung auf ökonomischer, sozialer sowie ökologischer Ebene befördern.Aktuell investieren Vermögensverwalter bereits ein Drittel ihres Kapitals nach ESG-Kriterien – das sind 40 Billionen US-Dollar. In fünf Jahren könnte es laut Schätzungen die Hälfte aller Anlagen sein, weil Investoren immer größeren Wert auf nachhaltige Unternehmen legen.
Das Beispiel der Green Bonds zeigt die wachsende Bedeutung von Nachhaltigkeitsaspekten im Finanzsektor sehr plastisch. Green Bonds sind Anleihen, die ausschließlich der Finanzierung förderungswürdiger Umweltvorhaben dienen. Noch ist der Markt vergleichsweise klein. Die Bundesbank bezifferte im Herbst 2019 den Anteil der Green Bonds am gesamten internationalen Markt auf lediglich 2 Prozent. Aber der Markt wächst kontinuierlich. Zwischen 2015 und 2019 hat sich das globale Neuemissionsvolumen versechsfacht. Für das laufende Jahr wurde vor Ausbruch der Corona-Pandemie ein weiterer starker Anstieg des Emissions-volumens um fast 40 Prozent auf 350 Milliarden US-Dollar erwartet (siehe Grafik 8).

Hinweis: Das Heft im Heft „Wir produzieren fair!" basiert auf einer Studie des Handelsblatt Research Institute – erstellt im Auftrag des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ). Wir bedanken uns für die gute Zusammenarbeit.
Dieser Artikel ist in forum 01/2021 - SOS – Rettet unsere Böden! erschienen.
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