Wirtschaft | Green Events, 01.03.2021
Jetzt oder nie
Die Eventbranche bricht auf zu neuen Ufern
Frau Schramm, bei MEET GERMANY setzen
Sie in diesem Jahr ganz besonders auf das Thema Nachhaltigkeit. Warum –
braucht die Branche neue Impulse?
Genau jetzt ist der richtige Zeitpunkt, den
Blick in die Zukunft zu wagen und mittel- und langfristig zu planen. Das
Umfeld hat sich verändert, die Welt ist digitaler geworden. Aber nicht
nur das: Unsere Branche ist sensibilisiert. Präsenz-Events fanden 2020
und finden 2021 nur eingeschränkt statt. Die Fragen lauten: Ist digital
unsere Zukunft, wo entwickeln wir uns hin und was bedeutet die neue
Ausrichtung für das Thema Nachhaltigkeit?Viele Unternehmen und Verbände nutzen die
veranstaltungsarme Zeit intensiv, um sich im Bereich Nachhaltigkeit neu
aufzustellen. In Zukunft werden Ausschreibungen und Anfragen so
gestaltet, dass nur die Dienstleister berücksichtigt werden, die sich
dieser Entwicklung angepasst haben. Und genau hier setzen wir an: Als
größtes Netzwerk der Eventbranche im deutschsprachigen Raum mit über
2.700 Netzwerkpartnern und 1.200 Firmen möchten wir die Branche für
diese Entwicklung sensibilisieren, sie in den Austausch bringen und in
der Entwicklung Richtung Nachhaltigkeit unterstützen.
Im Jahr 2021 steht deshalb bei uns
Nachhaltigkeit im Fokus: Unter dem Motto „The (R)Evolution of Business,
People, Technology & Planet" laden wir zu vier SUMMITS ein und
informieren über Green Meeting, Green Marketing, Green Design und Green
Entertainment. Außerdem fahren wir eine Jahreskampagne Nachhaltigkeit,
die mit der „Ressource" Mensch und der 10x10 Challenge – „10 Monate für
10mal mehr Energie!" – anfängt. Jeder, der mit der Eventbranche zu tun
hat beziehungsweise Veranstaltungen organisiert oder plant, kann
kostenfrei an diesen Angeboten partizipieren.
Sie haben dabei sehr vielseitige Partner im Boot. Wie kommt es zu diesem Konglomerat?
Schon vor Corona planten wir gemeinsam mit
unserem Hauptpartner 2bdifferent, die Eventbranche ein Jahr in Sachen
Nachhaltigkeit zu unterstützen. Auch die IMEX Group begleitet uns schon
seit zwei Jahren. 2019 begeisterte sie unsere Fachbesucher mit ihrer
Initiative „She means business". Last but not least wurde uns dieses
Jahr Stefan Lohmann, der Gründer von Sustainable Event Solutions,
empfohlen. Er kommt aus der Entertainmentbranche und engagiert sich mit
viel Herzblut und Engagement für das Thema Nachhaltigkeit.
Herr May, 2bdifferent setzt sich seit
Jahren für mehr Nachhaltigkeit in der Branche ein. Welche Entwicklungen
erwarten Sie in diesem Jahr?
Wir erinnern uns: „Ich will, dass ihr in Panik
geratet" war die Botschaft von Greta Thunberg angesichts des Zustands
der Erde. In Sachen Klimaschutz ist trotzdem nicht allzu viel passiert.
Doch ein „kleines" Virus stürzt nun die Leute in Panik und ganze
Branchen in die Krise. Das schafft endlich die Möglichkeit zur
grundlegenden Veränderung – die große Chance, jetzt den Weg zu einer
nachhaltigeren Gesellschaft und Wirtschaft einzuschlagen! Dies gilt auch
und besonders für die Eventbranche. Ein Zurück zu alten Systemen,
Handlungsweisen und Eventformaten wird es nicht mehr geben. Die
Eventformate ändern sich rasend schnell – hin zum Digitalen.
Präsenzevents, die noch bleiben, fallen minimalistischer, fokussierter
aus. Nachhaltigkeit in der Eventbranche entwickelt sich durch die Krise
von einer „Nice to have"-Option zu einem harten „Must have"-Standard.
Doch es gibt immer noch eine große Lücke zwischen
Veranstaltungsplanenden und -anbietern. Im Gegensatz zu den Anbietern
ist der Nachhaltigkeitsgedanke in den Eventabteilungen der Unternehmen
bereits Teil der Unternehmensstrategie geworden. Dazu zählen die
Beachtung von Lieferketten oder Ressourceneffizienz sowie
eventspezifische Managementsysteme.
Wer treibt die Entwicklung an und was müsste von Seiten des Gesetzgebers passieren?
Die Dienstleisterseite muss sich darauf
vorbereiten, dass sich noch in diesem Jahr bei der Auftragsvergabe die
Anforderungen der Unternehmen in Sachen Nachhaltigkeit erhöhen werden.
Wir entwickeln gerade für vier DAX- und MDAX-Unternehmen nachhaltige
Ausschreibungsmodule für Messen, Kongresse und Events, die mit der
unternehmerischen Nachhaltigkeitsstrategie und den Sustainable
Development Goals der UN synchronisiert werden. Der Gesetzgeber sollte
aus unserer Sicht seine Lenkungsfunktion sowohl bei gesetzlichen
Vorgaben und Auflagen als auch bei der Vergabe von Subventionen und
Bezuschussungen stärker ausüben. Nur so kann nachhaltiges Wirtschaften
aktiv gefördert werden.
Wo steht dann die Eventbranche in fünf Jahren?
Das können wir aktuell nicht prognostizieren.
Was allerdings klar ist: Die Eventbranche muss sich komplett neu
erfinden. Denn was wir jetzt schon kundenseitig im Rahmen unserer
Nachhaltigkeitsberatung vernehmen, ist, dass es nach Corona kein
"normales” Eventbusiness mehr geben wird. Wer heute nicht die
Gesellschaft und die Umwelt mit einbindet, wird zukünftig ökonomisch
keinen Erfolg haben!
Herr Lohmann, haben Sie als Live Entertainment Experte sowie Talent Buyer & Booking Agent nicht gerade andere Probleme, als sich mit dem Thema Nachhaltigkeit auseinanderzusetzen?
Wie das Bündnis „Alarmstufe Rot" immer wieder
verdeutlicht, sind die wirtschaftlichen Probleme in der Eventbranche
weiterhin enorm. Das hier auszuführen, sprengt wohl den Rahmen. Aber der
Umgang der Politik mit der Eventbranche ist kurzsichtig und
wirtschaftlich unverantwortlich. Trotz dieser aktuell verheerenden
Situation möchte ich nicht die Augen vor dem noch viel größeren Problem
verschließen: dem Klimawandel. Denn dagegen gibt es keinen Impfstoff.
Wenn Europa bis 2050 klimaneutral sein soll und wir in Deutschland durch
das Klimaschutzgesetz bis 2030 55 Prozent CO2 einsparen müssen, dann kommen Wirtschaft und Eventbranche nicht
drumherum, schnellstmöglich klimaneutral zu werden. Die
Veranstaltungswirtschaft muss deshalb den aktuellen Stillstand nutzten,
um sich zu digitalisieren und nachhaltige Eventkonzepte zu erstellen.
Jetzt könnten wir die Grundlage für einen nachhaltigen Neustart legen.
Doch dazu braucht es gezielte Förderungen und Konjunkturpakete, die
verknüpft sind mit einer klimaneutralen und nachhaltigen Ausrichtung der
Geschäftsmodelle.
Deshalb fordern wir in einer Art „Alarmstufe
Grün" die Politik zum schnellen Handeln auf und haben dazu einen Aufruf
gestartet, unter anderen mit Tanja von MEET GERMANY und über 150
weiteren Unterstützer*innen. Wir schmieden eine Allianz der
Auftraggeber*innen und Auftragnehmer*innen, Verbände, Kreativen,
Agenturen. Das Spektrum reicht vom Künstler Jan Delay bis hin zum
Umweltsenator Jens Kerstans. Jeder kann unseren Aufruf unterzeichnen.
Die Förderung und Investition in eine
klimaneutrale und nachhaltige Veranstaltungswirtschaft, die ja vor der
Krise kerngesund und profitabel war, ist wichtig und risikolos, denn der
kommende Boom der Branche ist durch die Impfungen vorhersehbar. Ein
deutliches Zeichen ist, dass Live Nation – einer der größten Konzert-
und Festival- Veranstalter der Welt – bereits deutlich über dem
Börsenwert von vor der Krise liegt, nachdem der Börsenkurs von Live
Nation zwischenzeitlich – durch die Pandemie – abgestürzt war.
Sie stecken mit Ihrem Projekt Sustainable Event Solutions sehr viel Herzblut in das Thema
Nachhaltigkeit. Wie möchten Sie hier die Eventbranche unterstützen?
Wir bieten der Branche ein klimaneutrales und
nachhaltiges Artist Relations Management. Ich habe mit Experten einen
kostenlosen und komprimierten Sustainability Rider mit Checkliste
entwickelt. 13 Leitlinien sorgen extrem niedrigschwellig dafür, dass
wirklich JEDER nachhaltigere und klimaneutrale Veranstaltungen umsetzen
kann. Zudem bieten wir Veranstaltern das nachhaltig agierende Berlin
Show Orchestra, mit dem wir internationale Stars und Shows begleiten.
Das Orchester stand unter anderem mit dem erfolgreichsten deutschen
Elektrokünstler Schiller auf Platz 1 der Albumcharts.
Vor allem mit unserem neuen Projekt Sustainable-Event-Solutions machen wir nachhaltige Lieferanten
sichtbar und auffindbar. In Planung ist zudem ein eigenes Sustainable
Event Solutions Magazine in Kooperation mit forum Nachhaltig
Wirtschaften.
Frau Knecht, auch die IMEX Group lässt
sich nicht entmutigen und hat „nature" zu ihrem internationalen
Jahresthema 2021 gemacht. Warum liegt Ihnen die Natur so am Herzen?
Das hat mehrere Gründe. Unsere
Auseinandersetzung mit dem Thema Nachhaltigkeit begann schon mit der
ersten IMEX in Frankfurt 2003. Bereits damals war uns bewusst, dass
unsere Branche in der Verantwortung steht, nachhaltiger zu werden.
Seinerzeit haben wir vor allem auf die Aufklärung und die Aus- und
Weiterbildung im Rahmen unserer Messen abgezielt und uns dazu mit
Pionieren und Beratern der Nachhaltigkeit verbunden, die uns inhaltlich
unterstützt haben. Diesen Ansatz der Kollaboration, der Nutzung des
Schwarmwissens, verfolgen wir noch immer. Seit vielen Jahren verleihen
wir auch einen CSR- beziehungsweise Green Award, in dem wir nachhaltige
Initiativen und Projekte vorstellen und auszeichnen. Als wir 2019
beschlossen, „nature" zu unserem Fokusthema für gleich zwei Jahre zu
machen, war uns nicht bewusst, wie richtig wir mit dieser Themenwahl
gerade jetzt liegen sollten. Denn nur Monate später, Anfang 2020 haben
wir alle die enorme Kraft der Natur vor allem auf persönlicher und
gesundheitlicher Ebene brutal erleben dürfen.Die Pandemie hat uns aber auch Zeit geschenkt,
die Welt anders zu sehen. Die von außen verordnete Entschleunigung gab
uns die einmalige Chance, bei uns selbst anzukommen: in psychologischer
Dimension, aber auch im räumlichen Sinne. Wir hatten Zeit, die Natur
beim Frühlingserwachen zu beobachten, zu hören und zu riechen. Es gab
kein Höher, Schneller, Weiter, deshalb haben wir uns auf die Natur vor
unserer Haustüre einlassen können. Die Natur gab uns Kraft, Erdung und
Orientierung während des letzten Jahres der Unsicherheit und der vielen
offenen Fragen.
Und deshalb glauben wir bei der IMEX Group,
dass gerade jetzt der perfekte Zeitpunkt ist, unser Verhältnis zur Natur
grundlegend zu verändern und diese Krise auch als Impuls hierfür zu
nutzen. Gerade jetzt dürfen unsere Bemühungen für unseren Planeten nicht
ins Hintertreffen geraten! Es geht um einen Paradigmenwechsel, der uns
alle betrifft, und wir glauben, dass unsere Branche eine wichtige Rolle
darin spielt, diese Veränderungen vorwärts zu treiben. Aus diesem
Verständnis heraus haben wir – gemeinsam mit Projektpartnern – ein White
Paper verfasst namens „The Regenerative Revolution".
Was planen Sie konkret dieses Jahr mit MEET GERMANY und warum?
Auf den einzelnen MEET GERMANY Summits wollen
wir die Grundidee der Regenerative Revolution in die Fläche bringen und
zum Mit- und Nachmachen inspirieren. Dafür haben wir schon einige tolle
Ideen im Gepäck wie einen Nature Walk, bei dem wir gemeinsam mit MEET
GERMANY herausragende Ideen der Branche im Rahmen eines Awards
auszeichnen wollen. Und „nature" wird auch auf unserer IMEX America eine
tragende Säule sein. Auch dort stellen wir herausragende Konzepte,
Ideen und Projekte vor und selbstverständlich wird es auch wieder
interaktive Elemente wie den Green Walk geben. Ein weiterer wichtiger
Teil sind unsere „giving back"-Initiativen, bei der wir NGOs und soziale
Einrichtungen vor Ort unterstützen (forum berichtete).
Frau Knecht, was wünschen Sie sich für 2021 ganz besonders?
Bei allen Herausforderungen hat das letzte
Jahr auch wundervolles Neues entstehen lassen – wir sind näher
zusammengerückt und haben erkannt, dass wir alle gemeinsam so viel mehr
erreichen können. Das macht Mut und vor allem jede Menge Spaß und
entfacht Innovationskräfte. Ein perfektes Beispiel ist diese hier
vorgestellte Kooperation. Wir haben gemeinsam so viele Ideen und aus
jedem Brainstorming entsteht Neues und Inspirierendes. Für 2021 wünsche
ich mir, dass sich dieser Spirit des Miteinanders, diese Geisteshaltung
weiterentwickelt und verfestigt. Als wichtiger Eckpfeiler des
Paradigmenwechsels. Daraus kann Großes entstehen. Ich bin sicher, dass
wir noch Vieles für unser gemeinsames, großes Thema Nachhaltigkeit
vorantreiben können.
Zum Abschluss eine Frage an Sie alle: Was wünschen Sie sich für 2021 ganz besonders?
Wir wünschen uns einen klimaneutralen und
nachhaltigen Neustart der Eventbranche mit dem Konsens, dass Events mit
einem positiven Impact auf Natur und Gesellschaft zum Standard werden.
Um dieses Ziel zu erreichen, hoffen wir, möglichst viele Interessierte
bei den MEET-GERMANY-Veranstaltungen zu treffen. Let’s Go Creative
Together!

Dieser Artikel ist in forum 01/2021 - SOS – Rettet unsere Böden! erschienen.
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