Wirtschaft | Marketing & Kommunikation, 31.08.2020
ROI auf klimapositives Marketing – eine Frage der Perspektive.
Carsten Baumgarth über ein Umdenken im Marketing
Der Impact von klimapositivem Marketing sollte sich vor allem an einer Stelle zeigen: Dem Klima. Solch ein altruistisches Selbstverständnis haben aber nur die wenigsten Unternehmen. Deshalb stellt sich die Frage: Was bringt klimapositives Marketing den Unternehmen, die es machen? Welchen Effekt haben die Bemühungen auf harte Kennzahlen wie Umsatz und Rendite? Wir haben uns mit dem Markenexperten Prof. Dr. Carsten Baumgarth über eine ganz pragmatische Sichtweise auf klimapositives Marketing unterhalten.
Herr Baumgarth, welche Rolle können Werbung und Marketing bei der Eindämmung des Klimawandels einnehmen?Ich bin kein Freund davon, es bei Werbung oder Marketing zu belassen. Ich komme aus der Marken-Ecke. Und Marke ist für mich nicht oberflächliches Branding, sondern der Kern eines Unternehmens. Dieser Kern muss so kommuniziert und aufbereitet werden, dass die diversen Stakeholder es verstehen und ihre Verhaltensweisen ändern können. Grüne Unternehmen sind häufig sehr gut im Kern, woran es mangelt, ist die richtige Inszenierung. Marketing hat hier die Aufgabe der Übersetzung. Das bedeutet, Inhalte interessant und spannend aufzubereiten, ohne erhobenen Zeigefinger.
Wie begeistert man denn Konsumenten für klimafreundliches Verhalten und was sollte man eher lassen?
Es gab 2019 einen wunderbaren Beitrag im Journal of Marketing, der bezog sich auf „Brand Coolness" – das heißt wann ist eine Marke cool. Und ich beschäftige mich gerade mit der Frage, ob es coole grüne Marken gibt. Es gibt zwar ein, zwei Beispiele, aber die meisten nachhaltigen Marken sind nur gut und vernünftig, nicht cool. Und das sollte eine Marke sein, wenn sie ein breites Publikum über die Überzeugten hinaus erreichen will. Dazu gehört auch immer Authentizität. Deshalb bin ich auch kein Freund von blinder Kundenorientierung, dieses Thema muss aus einer inneren Überzeugung heraus entwickelt werden. Nicht weil der Kunde es gerade möchte und es dem Trend entspricht.
Wie könnte man die Kommunikation konkret gestalten?
Ich finde eine positive Aufbereitung wichtig. Es darf nicht immer düster und pessimistisch sein, selbst wenn das Thema an sich ein ernstes ist. Das rüttelt im ersten Moment vielleicht auf, aber es bewegt nicht die breite Masse. Es bringt auch nichts, die Konsumenten zu belehren und mit Informationen zu fluten. Sie sollten dennoch die Möglichkeit haben, zu überprüfen, ob das alles so stimmt. Und zuletzt gilt noch die alte Marken-Regel: Man muss sich differenzieren. Alle legen sich ein grünes Logo zu und besetzen das gleiche Thema. Aber warum sollte sich der Konsument dann genau für diese Marke entscheiden? Es fehlt zu oft eine mutige und spannende Inszenierung und Differenzierung.
Kann man insgesamt sagen, dass nachhaltige Marken im Vergleich zu den konventionellen eher schwach sind, wenn es um Werbung um Marketing geht?
Ja, auf jeden Fall. Es gibt zahlreiche Mittelständler, die sich fast schon aus einer politischen Bewegung heraus gegründet haben und denen eine starke Identität zu Grunde liegt. Die haben die nötige innere Überzeugung, um wirklich authentisch zu sein. Aber weder ein großes Budget noch das Bewusstsein dafür, wie wichtig Kommunikation ist. Am Ende des Tages muss man das was man macht auch überzeugend nach außen tragen können, sonst hat man keinen Impact.
Marketing wird oft mit Kommunikation gleichgesetzt. Was glauben Sie, was gehört in das Selbstverständnis der Marketingabteilung der Zukunft?
Die Diskussion, was eine Marketingabteilung eigentlich ist, besteht schon seit Jahren. An diesem Gleichsetzen mit der Kommunikation ist das Marketing zum Teil auch selbst schuld, weil es sich viel zu lange nur auf den kreativen, konzeptionellen Part konzentriert hat. Die Welt ist heute nun mal sehr Zahlen-getrieben und das Marketing muss da mitspielen können. Diese Fähigkeiten, wie der Umgang mit Kennzahlen und Konsumentendaten, müssen erst mal aufgebaut werden. Das Marketing kommt nur aus seiner Bedeutungslosigkeit heraus, wenn es ihm gelingt vom C-Level wahr- und ernstgenommen zu werden. Und das geht nicht über irgendwelche viralen Social Media-Kampagnen. Das funktioniert nur, wenn das Marketing sich Kompetenzen aneignet, die für das gesamte Unternehmen relevant sind. Eine strategischere Herangehensweise und die Verzahnung mit anderen Abteilungen sind dabei der Schlüssel.
Zu den relevanten Kennzahlen gehören insbesondere Umsatz, Gewinn und Rendite. Wenn man im nachhaltigen Bereich unterwegs ist, stellt sich immer wieder die Frage, welche Auswirkungen klimapositives Marketing auf den Unternehmenserfolg hat. Glauben Sie klimapositives Marketing hat einen positiven ROI?
Ich glaube gerade für Konzerne ist das Thema definitiv relevant. Bei den meisten großen Investmentgesellschaften bildet Nachhaltigkeit heute einen zentralen, zukunftsorientierten Faktor. Wir müssen uns aber auch grundsätzlich fragen, ob Rendite wirklich das wichtigste Ziel ist oder ob es nicht Zeit ist, über einen zeitgemäßeren Zielkatalog nachzudenken. Auch wenn man sich weiter nur auf Rendite fokussiert, hat klimapositives Marketing durchaus bereits positive Effekte. Zum Beispiel eine größere Fan Community, stärkere Kundenbindung, die Möglichkeit, Premiumpreise durchzusetzen, oder auch Vorteile beim Employer Branding. Generell plädiere ich aber eher für ein Überdenken und einen fundamentalen Umbau der Zielkataloge und Kennzahlen.
Wie könnte dieses Umdenken aussehen?
Die nachhaltigen Bemühungen müssen messbar gemacht werden. Beispielsweise durch eine Gemeinwohlbilanz oder durch einen Impact-Bericht. Aber auch wir in der Forschung müssen darüber nachdenken, was wir eigentlich tun. Wir bilden momentan auch nur ab, was im Markt gefragt ist. Das sind dann Größen wie Kaufabsicht, Preisbereitschaft oder Marktanteil. Vielleicht sollten wir auch mal sinnvollen Konsum als abhängige Größe definieren, wie auch immer man das am Ende genau misst. Es sollte für Praxis und Forschung Kennzahlen abseits der Gewinn- und Wachstumslogik geben.
Wir müssen uns fragen, ob Umsatz, Wachstum und Rendite wirklich die wichtigsten Ziele sind oder ob es nicht Zeit ist, über einen zeitgemäßeren Zielkatalog nachzudenken.
Das ist eine progressive Denkweise. Viele Unternehmen sind aber noch nicht an diesem Punkt und schauen am Ende doch nur auf kurzfristigen Gewinn und Rendite. Kann man denen trotzdem sagen, dass klimapositives Marketing sich lohnt?
Nein, das kann man so nicht sagen. Klima-positives Marketing bedeutet lediglich, dass die Absicht gut ist. Deshalb muss es noch nicht gut exekutiert sein und mehr Umsatz bringen. Für die Investoren ist außerdem wichtig, dass das Unternehmen auch in Zukunft Gewinne abwirft. Dafür muss das Geschäftsmodell hinter dem Marketing stimmen. Deshalb würde ich den Erfolg nie nur auf das klimapositive Marketing zurückführen. Aus meiner Sicht ist es eher ein Hilfsmittel, um ein gutes Geschäftsmodell erfolgreicher zu machen. Man müsste die Effekte natürlich erst einmal messen. Und wie immer in der Forschung wäre die Antwort am Ende: Jein. Es würde sich wahrscheinlich zeigen, dass klimapositives Marketing in manchen Branchen, Kulturen und Zielgruppen besser funktioniert und in manchen nicht. Es gibt inzwischen auch Untersuchungen, die belegen, dass CSR positive Effekte auf Aktienkurs und Unternehmenswert hat. Eine Schwarz-Weiß-Antwort wird es für diese Frage aber nicht geben, das wäre zu einfach und für uns Forscher*innen auch langweilig.
Herr Prof. Baumgarth, wir danken Ihnen für das Gespräch.
Dieser Artikel ist in forum 03/2020 - Digitalisierung und Marketing 4 Future erschienen.
forum future economy
forum Nachhaltig Wirtschaften heißt jetzt forum future economy.
- Mit diesem Schritt markiert der Verlag bewusst eine Zeitenwende – hin zu einer Wirtschaft, die Zukunft schafft, statt nur Probleme zu verwalten.
Kaufen...
Abonnieren...
09
DEZ
2025
DEZ
2025
Club of Rome Salon: Building the City of the Future (in English)
Cities, World Expos, and Stakeholders Driving Sustainability
10178 Berlin
Cities, World Expos, and Stakeholders Driving Sustainability
10178 Berlin
Anzeige
Professionelle Klimabilanz, einfach selbst gemacht
Einfache Klimabilanzierung und glaubhafte Nachhaltigkeitskommunikation gemäß GHG-Protocol
Mobilität & Transport
"It's all about Mobility."Büßen wir nicht ein, worum es uns letztlich geht - Freiheit und Lebendigkeit?
Jetzt auf forum:
Schulen stärken Bildung für nachhaltige Entwicklung
Seit 15 Jahren: faire und umweltbewusste Beschaffung mit dem Kompass Nachhaltigkeit
The GREEN MONARCH Awards 2025 Verleihung in Berlin
forum Nachhaltig Wirtschaften heißt jetzt forum future economy
Wie Unternehmen mit regionaler Aufforstung ihre ESG-Ziele stärken















