Das neue Evangelium - ein Filmmeisterwerk von Milo Raus
NoCap bekämpft Sklaverei in Europa und zeigt die Möglichkeiten einer ethischen Wirtschaft
Yvan Sagnet, schwarzer Jesus in Milo Raus sensationellem Film Das neue Evangelium hat es geschafft, mit Nocap ein Label für italienische landwirtschaftliche Produkte aufzubauen, das nicht nur für biologische, sondern auch für ethische Qualität steht. Die Synergie zwischen Film und Marketing löste eine Welle der Bereitschaft aus, durch gezielten Import und verantwortungsbewussten Konsum die ausbeuterischen Arbeitsverhältnisse zu beenden.
Der Ingenieur und Aktivist Yvan Sagnet wurde in Kamerun geboren, hat in Italien sein Studium abgeschlossen und anschließend aus Geldnot für wenige Euro am Tag auf den Tomatenfeldern gearbeitet und in ärmsten Verhältnissen gelebt. In einem Lager weitab von Siedlungen und unsichtbar für Touristen, ohne Wasser, Strom und sanitäre Anlagen hat er kennengelernt was es heißt, abhängig zu sein, ausgebeutet zu werden und wie wenig ein Menschenleben in Europa wert ist, wenn es aus Afrika kommt. Als neben ihm ein Kollege wegen der großen Hitze und des Wassermangels zusammenbrach und der Aufseher (Caporale) befahl, ihn liegen zu lassen und weiterzuarbeiten, da initiierte er spontan einen harten Streik über mehrere Wochen. Hart, weil die in Illegalität lebenden afrikanischen Erntehelfer keine Gewerkschaft im Rücken hatten, die sie unterstützt hätte. Die Aktivisten setzten sich schließlich durch und beendeten ihre eigene Sklaverei durch den Aufstand. Von da an sah es Yvan Sagnet als seine Aufgabe, die ausbeuterischen und von der Mafia kontrollierten Verhältnisse in der italienischen Landwirtschaft zu bekämpfen. Er suchte ökologische landwirtschaftliche Kooperativen, die bereit waren, ihre Erntehelfer angemessen zu bezahlen, unterzubringen und zu versorgen. Unterstützung fand Sagnet dabei durch die regionale Kirche, durch die Gewerkschaft in Person von Gianni Fabris und Primo Sole, einem Gemüse und Obst verarbeitenden und vertreibenden Unternehmen inmitten der süditalienischen Agrarlandschaft. Sagnet versprach den Partnern, die höheren sozialen Kosten durch höhere Einnahmen auf neuen Absatzmärkten zu kompensieren.
Mobilität als Schlüssel zur Lösung
Es war ein langer Weg bis sich die ersten Farmen bereiterklärten, Arbeitsverträge abzuschließen, mit denen Sagnet zunächst nur einzelne Migranten aus den Ghettos herauslösen konnte. Es wurde schnell klar, dass der Schlüssel des Erfolgs darin zu suchen war, die Arbeiter von ihren Unterkünften zu den Feldern zu fahren und so das Beförderungsmonopol und die Repressalien der Mafia-Aufseher zu durchbrechen. Also mussten zuerst Kleinbusse angeschafft werden um das Caporalato-System zu umgehen. Und es funktionierte…
Schnell sprach sich in den Ghettos mit tausenden von untergetauchten Migranten herum, dass es einen Weg aus der europäischen Sklavenhaltung gibt. Heute brechen immer mehr Migranten aus dem Teufelskreis der „Illegalität" aus und schließen sich NoCap an. Denn NoCap kümmert sich auch um die Integration, stellt Anwälte für die Asylverfahren zur Verfügung und besorgt Aufenthaltspapiere. Vor allem aber verbürgt sich NoCap für Menschenrechte. Das renovierte Haus Casa Betania in Serra Marina ist ein Musterbeispiel dafür, wie afrikanische Erntehelfer in Würde leben und arbeiten.
Die Kooperation des italienischen Staates war leider zweigespalten. Einerseits gab es gute Ansätze zur Verbesserung der Situation, denn die italienische Landwirtschaft würde ohne Migranten sofort zusammenbrechen, andererseits gab es erhebliche Behinderungen durch rechtspopulistische und ausländerfeindliche Politiker.
Ein Filmemacher setzt Akzente
Dann kam der Zufall zu Hilfe. Milo Rau, der schon mit dem Kongo Tribunal Aufsehen erregt hatte, bereitete seinen neuen Film Das Neue Evangelium rund um Matera, die europäische Kulturhauptstadt 2019 vor. Er sah die Menschen auf den Tomatenfeldern und er sah das Elend in dem sie leben mussten. Da wurde ihm klar, dass die Passion Jesu auch in der heutigen Zeit absolut aktuell ist und er besetzte die Rollen von Jesus und seinen Jüngern kurzerhand mit den schwarzen Arbeitern, die er dort kennengelernt hatte. Der Film ist eine Mischung aus biblischem Stoff, modernem Arbeiteraufstand und einem making off in dem beide Teile miteinander verschmelzen.
Und action…

Seitdem gibt es im Umweltzentrum täglich deutschlandweite Anfragen wegen Vertriebsübernahme von Tomaten als Passata, Salsa und Pelati mit eingebauter Story. Im Moment baut sich eine Welle der Kooperation und Hilfsbereitschaft auf, die Hoffnung macht, dass für die Integration der vielen Geflüchteten in Südeuropa endlich Lösungen im Sinne humanistischer Werte gefunden werden, um das vieltausendfache Leid zu lindern. Gelingen wird es nicht durch geduldiges Warten auf politische Entscheidungen, sondern wieder einmal durch Umdenken und Besinnung der Gesellschaft auf das was sie zusammenhält: Empathie! Wer eine Dose Tomaten für 39 Cent im Supermarkt kauft, der muss wissen, dass dahinter rücksichtslose Ausbeutung steht, auch wenn ein Bio-Label das Gewissen beruhigen soll.
Yvan Sagnet hat zum Jahreswechsel einen Erfolgsbericht an alle Beteiligten geschickt:
Hier ist die übersetzte Fassung:
"Etwa zehn ausländische Arbeiter, die in der Vergangenheit Opfer von Arbeitsausbeutung waren und derzeit von der Kooperative ChicoMendes im Rahmen des Projekts „Spartacus" unterstützt werden, erhalten dank des Projekts der ethischen Lieferkette NoCap eine neue Chance: Sie werden mit regulären Verträgen bei der landwirtschaftlichen Kooperative "I Frutti del Sole" von Nello Navarra und Peppe Pugliese arbeiten, wo sie mit kostenlosen Transportmitteln von Nocap hingelangen.
Die Kooperative Chicomendes von Gianantonio Maria Ricci sorgt für die Unterkunft. Die Arbeiter werden Orangen, Clementinen und Kiwis der Marke NoCap pflücken, die in den Regalen der Supermärkte der Megamark-Gruppe (Dok, Famila, sole365) und der Aspiag-Despar-Gruppe (Nord-Ost-Italien) landen werden. Wir verhandeln mit weiteren Betrieben, darunter die landwirtschaftliche Kooperative Della Terra di Nino Quaranta, die es uns ermöglichen wird, in der nächsten Saison etwa 100 Arbeitern in der Ebene von Gioia Tauro eine anständige Arbeit zu geben, die wir der ständigen Kontrolle der Mafia entziehen wollen. Unser Ziel ist es, nicht nur eine ethische Landwirtschaft zu fördern, sondern den Entrechteten von heute mehr und mehr Arbeit zu geben und dann gegen die Ausbeuter und die Mafiabosse auf ihrem bevorzugten Betätigungsfeld, nämlich der Kontrolle des Sklavenmarktes, anzutreten. In zwölf Monaten haben wir 400 italienischen und ausländischen Arbeitern in 4 Regionen Italiens Arbeit gegeben. Das Ziel ist es, diese Zahl in ganz Italien mit tausend zu multiplizieren. Dazu müssen alle ihren Teil beitragen, angefangen beim Bewusstsein des Bürgers und Verbrauchers beim Kauf von ethischen Produkten, ohne die diese Wertekette keine Zukunft hat."
Lennart Zech ist Wissenschaftsjournalist und setzt sich mit seinem Einzelunternehmen Einblick in Welten Kommunikation für den nachhaltigen Wandel ein.
Gesellschaft | Pioniere & Visionen, 11.01.2021

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