Umwelt | Klima, 31.08.2020

Ein klares Nein zum CCS

forum-Interview mit Sascha Müller-Kraenner, dem Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe

In Deutschland wird die Anwendung von CCS als Teil der Klimaschutzpolitik abgelehnt. Besonders die Umweltverbände haben sich gegen einen Einsatz dieser Verfahren stark gemacht. Wir sprachen darüber mit Sascha Müller-Kraenner, dem Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe.
 
Herr Müller-Kraenner, in der Studie „Un- konventioneller Klimaschutz" erläutern die Autoren Oliver Geden und Felix Schenuit, warum zur Erreichung des europäischen Netto-Null-Ziels an Emission von Treibhausgasen auch unkonventionelle Methoden zum Einsatz kommen müssen. Damit sind Verfahren zur Entnahme von CO2 aus der Atmosphäre gemeint. Sehen Sie das ähnlich?
Sascha Müller-Kraenner © DUH, Heidi SchermErsteinmal: Wir müssen nicht Netto-Null erreichen, sondern ein Niveau an Emissionen, mit dem wir ein Gleichgewicht in der Atmosphäre erhalten können. Atmosphärisches CO2 wird ja regelmäßig von den Ökosystemen aufgenommen. Insofern ist ein gewisser Grad an CO2-Emissionen in Ordnung. Der Wert ist nur deutlich zu hoch. Was wir vermeiden müssen, ist, dass der CO2-Gehalt der Atmosphäre ansteigt. Wenn wir es schaffen, die Emissionen ausreichend zu senken, können die Emissionen durch die Ökosysteme, vor allem durch die Weltmeere, aufgenommen werden. Aber da müssen wir ganz deutlich reduzieren.

Wird es genügen, die Emissionen zu reduzieren? Die Autoren der Studie gehen davon aus, dass der Mensch außerdem aktiv der Atmosphäre CO2 entziehen, also unkonventionelle Verfahren anwenden muss?
Über unkonventionellen Klimaschutz kann man sich Gedanken machen. Aber nicht jetzt. Wir müssen zuerst einmal die Emissionen runterbringen. Wir müssen Energiesparen, wir müssen fossile durch erneuerbare Energien ersetzen. Das wichtigste Potenzial, um CO2 natürlich zu binden, liegt in einer anderen Bodenbewirtschaftung. Ganz viel Potenzial liegt in der Beendigung der Zerstörung primärer Ökosysteme, in der Beendigung der Zerstörung von tropischen Regenwäldern, in der Wiederherstellung natürlicher Ökosysteme, der Wiedervernässung von Feuchtgebieten. Aber natürlich auch in der Reduzierung der Tierzahl bei der Viehzucht.

Wenn man nicht nur diesen engen Blick auf den Klimaschutz hat, sondern auch auf weitere Ziele, wie den Erhalt der biologischen Vielfalt, sind alle Vorschläge, bei denen degradierte und verlorengegangene Ökosysteme wiederhergestellt werden, gut und sinnvoll. Dort, wo durch Entwaldung Wald verlorengegangen ist, dort wieder Wald zu pflanzen und zwar in einer vergleichbaren Zusammensetzung. Wenn man einen artenreichen europäischen Mischwald oder einen artenreichen tropischen Regenwald ersetzt durch eine Monokultur, durch eine Eukalyptusplantage in Brasilien oder in Europa wäre das der Kiefernwald, dann ist eventuell etwas für die CO2-Bilanz gewonnen, aber auf Kosten der Biodiversität.

Es geht darum, verlorengegangene Ökosysteme wiederherzustellen. Aufforstung an sich ist nicht immer eine Lösung, denn nicht alle Flächen sind dafür geeignet. Es gibt sehr artenreiche Ökosysteme, z.B. Steppen. Ökosysteme die eine hohe CO2-Bindung im Boden haben, die man dadurch zerstört, dass man sie aufforstet. Es gibt eine ganze Reihe von Projekten, bei denen Kohlenstoff-Credits generiert werden, mit denen man aber Natur zerstört. Es werden Wälder gepflanzt, die sehr viel artenärmer sind und auch nicht an diesen Standort gehören. Es gibt Graslandflächen, es gibt Moorflächen, in denen sehr viel CO2 im Boden gebunden ist und in denen eine hohe biologische Vielfalt herrscht. Es wäre extrem kontraproduktiv, dort Wald zu pflanzen.

Analog lässt sich das übertragen auf andere Ökosysteme. Wovor ich warnen würde, sind alle die Dinge, wo man beginnt, Ökosysteme zu verändern, um deren Kapazität zur Treibhausgasabsorption zu erhöhen. Das bekannteste Beispiel ist die Düngung der Weltmeere, diese Theorie, dass man irgendwo in den Südpazifik Eisenspäne kippt. Dann wächst ganz viel Plankton und bindet CO2 aus der Atmosphäre. Das stellt man sich so einfach vor. Aber natürlich weiß man überhaupt nicht, was das mit einem – in weiten Teilen seiner Funktionen unbekannten – Ökosystem überhaupt macht. Da spielt man mit dem Feuer. Wenn so eine Intervention dazu führt, dass das ökologische Gleichgewicht kippt und das zu einem massiven Artensterben führt, dann steigt vielleicht kurzfristig die CO2-Bindung, aber langfristig sinkt sie dramatisch.

Dasselbe gilt für die Anreicherung von Böden mit gemahlenem Kalk und Steinmehlen. Da muss man sich auch immer fragen, wo kommt das her, das muss ja auch irgendwo abgebaut werden. Das kauft man nicht im Baumarkt. Es kommt aus Steinbrüchen. Man stößt überall an die Begrenztheit der Ressourcen. Die Überschrift muss sein: Wiederherstellung natürlicher und naturnaher Ökosysteme dort, wo sie einmal waren. Und damit erhöht man die CO2-Bindung. Diese Flächen sind durchaus vorhanden. Es gibt sehr viele degradierte Flächen weltweit. Gerade ehemalige Waldflächen. Aber sie sind natürlich auch nicht unbegrenzt.

Das sind die so genannten natürlichen Verfahren. Was sagen Sie zu den technischen Lösungen?
Bei den technischen Lösungen, also CO2 aus der Luft zu absorbieren und dann chemisch zu binden, da gibt es zwei Fragen, die man stellen muss. Man muss zuerst auf die Energiebilanz schauen. Denn das sind Prozesse, die energieaufwändig sind. Wenn die Energiebilanz letztendlich negativ ist, wäre es besser, die Investition gleich in erneuerbare Energien zu tätigen.
 
Die zweite Frage betrifft die Stoffbilanz. Es gibt eine Reihe interessanter Vorschläge, CO2 zu binden und zur Kunststoffproduktion zur verwenden. Man würde quasi anstatt von Kohle, Öl oder Erdgas atmosphärisches CO2 verwenden. Dann stellt sich erstens auch die Frage, wie energieaufwändig ist das. Und zweitens: Was passiert dann mit diesen Stoffen, die man generiert hat? Sind das Stoffe, die man im Kreislauf führen kann? Sind das Stoffe, die irgendwann in der Umwelt enden wie Mikroplastik und Ähnliches? Diese systemischen Fragen muss man stellen, man darf da nicht nur durch die CO2-Brille schauen.
 
Man hofft, der Menschheit fällt eine technologische Wunderlösung ein, durch die sich das Problem in Luft auflöst. Das wird aber nicht passieren. 

Ein weiteres Thema ist die geologische Speicherung von der Atmosphäre entnommenem CO2, denn verwertbar ist nur ein sehr kleiner Anteil. Deutschland hat sich gegen dieses Verfahren entschieden. Zu Recht?
Bei der geologischen Speicherung gibt es noch unzählige technische Fragen, die beantwortet werden müssten. Aber abgesehen davon, ob die Methode an sich sinnvoll sein kann – für alle unkonventionellen Methoden gilt, dass sie als Argumentationshilfe dienen, in dem Sinne: Wir müssen jetzt nicht so rapide reduzieren, weil wir ja im Moment gerade an diversen Speichermöglichkeiten forschen. Natürlich ist es so: Die niedrig hängenden Früchte im Klimaschutz sind alle geerntet. Das was jetzt kommt, tut richtig weh. Tut richtig weh in dem Sinne, dass es da um wirtschaftliche Interessen geht. Zum Beispiel macht die Autoindustrie ein Drittel der Emissionen in Deutschland aus. Und jetzt kämpft diese Industrie natürlich mit allen Bandagen darum, ihr Geschäftsmodell, das auf dem Verbrennungsmotor basiert, fortzuführen. Nichts wäre ihnen lieber, als wenn es irgendeine Wundertechnologie in der Zukunft gäbe, auf die man verweisen kann. Und sei es nur, um Zeit zu kaufen. Man hat hier eine Managergeneration, die sagt: Mir genügen die zehn Jahre, die ich jetzt noch hier arbeite. Dann bin ich im Ruhestand.

Insofern ist es wichtig zu sagen: Das ist nicht die Lösung. Es gibt sowohl ökonomische wie auch ökologische Grenzen für die Entnahme von CO2 aus der Atmosphäre. An der Reduzierung des Ausstoßes führt nichts vorbei. Man hofft, der Menschheit fällt eine technologische Wunderlösung ein, durch die sich das Problem in Luft auflöst. Das wird aber nicht passieren.

Meine klares Fazit: Technologie ist nicht die Antwort auf die Probleme, die die Technologie geschaffen hat.
 
Sascha Müller-Kraenner amtiert seit Anfang 2015 als Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe. Er ist seit über 20 Jahren umweltpolitisch aktiv und war zuvor für den Deutschen Naturschutzring, die Heinrich-Böll-Stiftung und 'The Nature Conservancy' in führenden Positionen tätig. 

Dieser Artikel ist in forum 03/2020 - Digitalisierung und Marketing 4 Future erschienen.



     
        
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