Beim Drucken auf die Umwelt achten 

forum Interview zu Unternehmensverantwortung und Kriterien für die Lieferantenauswahl

Trotz Digitalisierung oder vielleicht gerade deshalb ist die Menge der Druckerzeugnisse hierzulande gestiegen. Grund genug, Ihre Kommunikationsstrategie zu überprüfen und Ihrem Drucker etwas genauer auf die Finger zu schauen. Im forum Interview gibt Kevin Riemer-Schadendorf Einblicke in Sachen Unternehmensverantwortung und zeigt Kriterien für die Lieferantenauswahl.
 
© dieUmweltDruckereiIn welchen Bereichen gibt es Unterschiede zwischen sogenannten Öko-Druckereien und den konventionellen Druckereien?
Hier erlaube ich mir, zunächst etwas allgemeiner zu antworten, um den generellen Unterschied zwischen nachhaltigen und konventionellen Unternehmen anhand der Externalisierung zu verdeutlichen. Externalisierung von Umweltkosten meint die Verschiebung von unternehmerisch verursachten Umweltschäden auf die Gesellschaft im In- oder Ausland oder auf zukünftige Generationen. Diese eher sperrige Definition möchte ich gerne an drei vereinfachten Beispielen erläutern. Wenn ein Unternehmen seine Abwässer in einen Fluss leitet, zahlt letztlich die Steuerzahler*in für die Reinigung des Flusses. Sollte dieser Fluss nicht gereinigt werden, tragen nicht die gegenwärtigen Steuerzahler*innen die Kosten, sondern zukünftige Generationen, da die Flüsse zunehmend verdrecken, die Fischpopulationen entsprechend sinken. 

Im Zuge der Globalisierung externalisieren Unternehmen ihre Umweltkosten auch ins Ausland. Ich habe beispielsweise drei Monate in Peking gelebt und unterhielt mich mit meinem chinesischen Mitbewohner über die dortige Luftverschmutzung. Er meinte zu mir, dass ein Großteil der Fabriken in China doch für ausländische und auch deutsche Unternehmen produziert. Die Verantwortung für die schlechte Luft läge also mittelbar bei den Ausländern. Oder anders formuliert: In Deutschland haben wir das günstige Produkt aus China und die Kosten für die Luftverschmutzung zahlen die Chinesen. 

Solch konventionelle Unternehmensentscheidungen sind also rein betriebswirtschaftlich. Profit over People??Ja, leider. Die unternehmerische Motivation, Umweltkosten zu externalisieren, liegt auf der Hand: Das Unternehmen möchte seine Kosten senken. Dadurch wird das angebotene Produkt preislich attraktiver. Und das Fatale: Wir Konsument*innen belohnen überwiegend dieses umweltschädliche Unternehmensverhalten, indem wir ausschließlich auf den Preis beim Einkauf schauen. 

Und wie externalisiert die Druckbranche ihre Umweltkosten?
Die Druckbranche ist sehr energieintensiv. Um die Kosten zu senken, wählen konventionelle Druckereien in der Regel die günstigsten Stromanbieter, die gemäß dem deutschen Strommix zu etwa 60 Prozent auf fossilen und atomaren Energieträgern basieren. Kohlestrom verschmutzt jedoch die Luft und Atomstrom hinterlässt radioaktiven Abfall. Bezieht eine Druckerei also konventionellen Strom zur Kostensenkung, dann externalisiert sie ihre Umweltkosten auf gegenwärtige und zukünftige Generationen. 

Ökostrom scheint damit ein wesentlicher Faktor zu sein, um einen nachhaltigen Druck zu gewährleisten. Was müssen Öko-Druckereien energetisch noch leisten? 
Der Bezug von 100 Prozent Ökostrom ist im Zuge des Klimawandels unabdingbar, wenn ein Unternehmen nicht ein Teil des Problems, sondern der Lösung sein möchte. Der Ökostrombezug stellt dabei nur einen Faktor aus energetischer Perspektive dar. Eine weitere Möglichkeit ist die eigene nachhaltige Energieerzeugung. Sowohl auf dem Dach unserer Administration als auch der Produktion speisen wir beispielsweise durch großflächige Photovoltaikanlagen Sonnenenergie ins Stromnetz, wodurch sich unsere CO2-Bilanz zusätzlich verbessert.
 
Vom Maschinenpark über den Produktionsablauf bis zum Betriebsgebäude: Energieeffizienz ist gefragt. © dieUmweltDruckerei
Aber jedweder Energieverbrauch verursacht doch nun mal CO2-Emissionen.
Das ist richtig. Um das Klima zu schützen gilt daher: Vermeidung vor Reduzierung vor Kompensierung! Es ist somit am nachhaltigsten, möglichst keine CO2-Emissionen zu verursachen. Hier gilt es, individuelle Lösungen für das produzierende Gewerbe zu finden. Ein zielführender Ansatzpunkt ist die eigene Wertschöpfungskette, indem beispielsweise geprüft wird, wo unnötige Transportwege vermieden werden können. Wir konnten unsere Transportwege reduzieren, indem wir nur wenige Recyclingpapiersorten von ausgewählten Produzenten anbieten und daher in großen Margen bestellen können. Die Reduzierung von Transportwegen gilt nicht nur für die eigenen Produkte, sondern auch für das Personal. Generell ist es zum Beispiel jeder Unternehmer*in möglich, auf eine Flugreise zu einem Meeting zu verzichten und sich stattdessen per Videokonferenz zuzuschalten. Statt einen Firmenwagen anzubieten, ist es zielführender, eine BahnCard oder ein Firmenfahrrad zu stellen. Die Möglichkeiten sind vielfältig, um CO2 zu vermeiden.

Und wie lassen sich für Druckereien konkret CO2-Emissionen reduzieren?
Die Effizienzmöglichkeiten für Druckereien sind ebenfalls mannigfaltig, sodass ich nur stichwortartig auf mögliche Maßnahmen eingehen möchte: LED-Beleuchtung per Bewegungsmelder, Abwärmenutzung zum Heizen, Abschaltung nicht genutzter Maschinen, Schließung von Fenstern und Türen bei klimatisierten Räumen oder die Anschaffung energieeffizienter Geräte.

Generell sollten Unternehmen respektive Druckereien nicht nur die kurzfristigen Investitionskosten, sondern vielmehr die langfristigen Gesamtkosten für das eigene Unternehmen und die Umwelt in Betracht ziehen. Eine Zertifizierung mit dem Blauen Engel hilft sowohl bei der Optimierung des Energiemanagements als auch bei der Reduzierung der Emissionen.
 
Sie sprachen neben Vermeidung und Reduzierung noch von Kompensierung. Was hat es damit auf sich?
Dr. Kevin Riemer-Schadendorf leitet den Bereich Nachhaltigkeit bei einer Öko-Druckerei in Deutschland. Nach seiner Überzeugung soll ein Unternehmen nicht nur im eigenen Geschäftsbetrieb, sondern auch im gesellschaftlichen Engagement ein Vorbild in Sachen Nachhaltigkeit sein. @dieUmweltDruckereiDie Kompensierung ist die einfachste Möglichkeit, etwas fürs Klima zu tun. Sie sollte vor allem dann in Betracht gezogen werden, wenn Emissionen nicht mehr vermieden oder reduziert werden können. Bei der Kompensation werden unvermeidbare Emissionen in CO2-Äquivalente zusammengefasst und durch Investitionen in globale Klimaschutzprojekte kompensiert. Mit anderen Worten: Die Emissionen, die eine Druckerei verantwortet, werden woanders wieder eingespart, sodass ein Unternehmen zumindest rechnerisch klimaneutral ist.

Kritiker*innen halten diese Methode für einen modernen Ablasshandel, da Unternehmen lediglich moralische Buchhaltung betreiben. Sofern Vermeidung und Reduzierung zuvor nicht umgesetzt wurden, könnte man dieser Kritik durchaus zustimmen. Dennoch halte ich die Kompensation für eine zielführende Methode gegen den Klimawandel. Ich war bei unserem Klimaschutzprojekt im westafrikanischen Togo und habe vor Ort mitgearbeitet, um zu sehen, welche Projekte mit unseren Klimaschutzinvestitionen umgesetzt werden. Die positiven Effekte für Mensch, Tier und Umwelt waren offensichtlich, daher sollte die CO2-Kompensierung stets als ergänzende Methode in das unternehmerische Klimaschutzengagement mit einbezogen werden.

Auf was gilt es bei der Projektauswahl der Klimaschutzprojekte zu achten?
Bei der Auswahl der Projekte sollte nicht nur auf ökologische, sondern auch auf soziale Parameter geachtet werden. Wie gesagt, wir kompensieren über ein Waldaufforstungsprojekt in Togo, wo die Frauen und Männer des Dorfes bei Projektentscheidungen auf Augenhöhe mit einbezogen werden. Bei diesem Projekt von unseren Freund*innen von natureOffice steht Klimaschutz gleichberechtigt neben Gesundheit, Bildung und Sozialem. Dadurch werden zwölf der siebzehn globalen Ziele für eine nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen erfüllt.

Lassen Sie uns konkreter auf die UmweltDruckerei zu sprechen kommen. Sie arbeiten als Online-Portal mit mehreren Druckereien zusammen. Wie stellen Sie sicher, dass die Druckereien, die für Sie arbeiten auch Ihre hohen Umweltstandards einhalten?
Die UmweltDruckerei druckt ausschließlich klimaneutral auf 100 Prozent Recyclingpapieren mit pflanzenölbasierten Farben und Ökostrom. Um diesen Anspruch zu erfüllen, arbeiten wir seit Jahren mit ausgewählten Druckereien zusammen, die bereits vor unserer Kooperation ökologische Maßstäbe setzten. Kooperationspartner*innen, die mit der UmweltDruckerei zusammenarbeiten, sichern vertraglich zu, für ihre komplette Druckproduktion auf Ökostrom zu wechseln und die Standards des Blauen Engels einzuhalten oder die Zertifizierung des Blauen Engels kurz- bis mittelfristig anzustreben.

Die Druckaufträge werden über uns gesteuert. Wir erstellen nicht nur die ressourceneffizienten Sammeldruckformen, sondern geben sowohl die ökologischen Recyclingpapiere als auch die mineralölfreien Druckfarben vor. Auch die CO2-Kompensation über unser ökosoziales Klimaschutzprojekt für die Produktion und den Versand erfolgt für unsere Kund*innen obligatorisch.

Und wie muss man sich das vorstellen? Wird Recyclingpapier der UmweltDruckerei vor Ort gelagert?
Selbstverständlich! Es wäre hinsichtlich der CO2-Transportbilanzen völlig kontraproduktiv, für jede einzelne Bestellung die notwendige Recyclingpapiercharge beim Großhändler zu bestellen und per LKW zur Druckerei zu fahren. Die UmweltDruckerei gibt ihrer Kooperationsdruckerei also nicht nur das Recyclingpapier vor, sondern wir kaufen auch das Recyclingpapier für sie ein. Das ist derzeit insbesondere hinsichtlich der Lieferfrist entscheidend. Anfang des Jahres ist mit Arjowiggins einer der weltweit führenden Recyclingpapierhersteller insolvent gegangen, wodurch es noch immer zu Lieferengpässen in der gesamten Recyclingpapierbranche kommt. Da wir seit jeher nur auf 100 Prozent Recyclingpapier setzen, sind unsere Lager bei unseren Partnerdruckereien weiterhin gefüllt, sodass wir voll lieferfähig bleiben.
 
Das heißt, Sie bieten gar kein konventionelles Frischfaserpapier an? Hand aufs Herz. Auch nicht auf speziellen Kundenwunsch?
Nein. Wir sind die einzige Druckerei, die bewusst ausschließlich 100 Prozent Recyclingpapier anbietet. Das spart enorm viel Ressourcen, Wasser und Energie. Jährlich nutzen wir knapp 950 Tonnen Papier. Aus einem Baum, beispielsweise einer durchschnittlich gewachsenen Fichte, lassen sich etwa 670 kg Papier gewinnen. Wir schützen durch den 100-prozentigen Einsatz von Recyclingpapier im Jahr etwa 1.400 Bäume vor der Abholzung, was der Fläche eines Waldes von etwa fünf Fußballfeldern entspricht. Bei der Recyclingpapierherstellung werden bis zu 70 Prozent Wasser und 60 Prozent Energie eingespart gegenüber der Herstellung von Frischfaserpapier. Zudem werden bei der Recyclingpapierherstellung wesentlich weniger Chemikalien eingesetzt. Somit ist die relative Abwasserbelastung bis zu zehn Mal niedriger. Auch auf umweltschädliche Lacke zur Papierveredelung verzichten wir gänzlich, da sie die Deinkbarkeit, also die Farbentfernung der Altpapiere und damit den Rezyklierungsprozess erschweren.
 
Abschließender Themenwechsel. Ich habe hier gerade unsere forum-Ausgabe vom 02/2019 vor mir liegen. Hier berichten wir über Ihre Kenia-Reise zu einem Artenschutzprojekt.
Ja, wir engagieren uns auch außerhalb unserer Wertschöpfungskette, indem wir soziokulturelle Projekte und den Artenschutz fördern. Wir stiften und verleihen Nachhaltigkeitspreise im Bereich Film und Foto für besonders auf Nachhaltigkeit fokussierte Medienproduzent*innen. Vor zwei Jahren haben wir eine Spendenradtour nach Ostpolen organisiert, um auf die dortigen Urwaldabholzungen aufmerksam zu machen. Letztes Jahr waren wir in Togo, um vor Ort zwei Trinkwasserfilter zu installieren, damit unsere Klimaschutzprojektpartner*innen vor Ort auch während der Trockenzeit einen konstant sicheren Zugang zu sauberem Trinkwasser bekommen. Und dieses Jahr haben wir an der kenianischen Küste über 1.000 Mangroven-Setzlinge gepflanzt, um ein Meeresschildkrötenprojekt unseres Kooperationspartners, der Aktionsgemeinschaft Artenschutz, zu unterstützen.
 
 Dieses außerunternehmerische Engagement hat nichts mit unseren eigenen Printprodukten zu tun, doch wir verstehen Nachhaltigkeit ganzheitlich und die endet nicht vor dem Eingang der UmweltDruckerei.
 
Herr Dr. Riemer-Schadendorf, wir danken für das aufschlussreiche Gespräch!
 
Dr. Kevin Riemer-Schadendorf leitet den Bereich Nachhaltigkeit bei einer Öko-Druckerei in Deutschland. Nach seiner Überzeugung soll ein Unternehmen nicht nur im eigenen Geschäftsbetrieb, sondern auch im gesellschaftlichen Engagement ein Vorbild in Sachen Nachhaltigkeit sein. 

Dieser Artikel ist in forum 04/2019 - Food for Future erschienen.



     
        
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