Samia Kassid

Die Zukunft braucht junge Akteure des Wandels 

„Polit-Oscar“ für zukunfts- und jugendgerechte Gesetze

Mit weltweit mehr als 1,8 Milliarden Menschen im Alter zwischen 15 und 30 Jahren – einem Viertel der Weltbevölkerung – lebt heute die größte Generation junger Menschen, welche die Welt bisher gekannt hat – ein Großteil davon in den sogenannten Entwicklungsländern. Sie wächst heran in der Hoffnung auf eine gute (Aus-)Bildung, einen festen Arbeitsplatz und auf ein langes, gesundes Leben. Sie erwartet eine nachhaltige und gerechte Zukunft. Politik, Gesellschaft und Wirtschaft müssen ihre Interessen und Bedürfnisse stärker berücksichtigen. Der „Polit-Oscar" Future Policy Award 2019 hat deshalb dieses Jahr zukunfts- und jugendgerechte Gesetze ausgezeichnet.
 
© World Future CouncilJugend und das junge Erwachsenenalter ist ein eigenständiger und prägender Lebensabschnitt. Doch die Jugend hat viele Gesichter. Viele junge Menschen haben beste Chancen, andere drohen auf dem Weg in die Zukunft abgehängt zu werden. Jugendwelten gestalten sich in Deutschland oder anderen Ländern der EU anders als in Afrika, Asien oder Lateinamerika. Egal, ob Generation Y (die Generation, die von 1980 bis 1994 geboren wurde und die erste Generation ist, die mit dem Internet und sozialen Medien aufwuchs) oder ob Generation Z (Geborene zwischen 1995-2010, die seit frühester Kindheit mit Smartphones, dem Internet und weiteren neuen Technologien aufwachsen) – allen ist gemein: Bildung, Umwelt und Klimawandel, Diskriminierung, Migration, gesellschaftliche und politische Teilhabe sowie Beschäftigung sind die großen Themen und Herausforderungen junger Menschen. Deshalb sind Politik, Gesellschaft und Wirtschaft gut beraten, wenn sie die Interessen und Bedürfnisse der jungen Menschen ernst nehmen und entsprechende Weichen und Rahmenbedingungen stellen. 

Herausforderungen müssen gemeistert und Chancen eröffnet werden?
Heute machen junge Menschen 37 Prozent der Weltbevölkerung im erwerbsfähigen Alter sowie 60 Prozent der Arbeitslosen aus. Dabei stehen junge Menschen beim Übergang von der Schule in das Berufsleben vor spezifischen Herausforderungen: Neu auf dem Arbeitsmarkt finden sie weniger schnell eine Arbeit oder befinden sie sich in befristeten Arbeitsverhältnissen oder in Teilzeit. Jugendliche sind dreimal häufiger arbeitslos als Erwachsene, und junge Frauen mehr als ihre männlichen Mitstreiter. Auf der anderen Seite wächst mit Generation Y und Z eine Generation heran, die technikaffin ist und ihren Platz in der digitalen Arbeitswelt finden kann, wenn sie Zugang zu Informationen und den sozialen Netzwerken bekommt. Besonders für junge Frauen gilt, dass gesellschaftliche Normen aufgebrochen und ihre wirtschaftlichen Kompetenzen gefördert werden müssen. Eine gute Jugendpolitik berücksichtigt deshalb die Interessen von Jugendlichen und jungen Erwachsenen in allen Lebensphasen und vertritt ihre Interessen in der Gesellschaft. Sie befähigt zur Selbstbestimmung, fördert die Teilhabe und versteht sich als eine Querschnittsaufgabe aller Politikfelder. 

Und der „Polit-Oscar" 2019 geht an... 
Zukunftsgerechte Gesetzgebungen, die bessere Lebensbedingungen für heutige und zukünftige Generationen schaffen, werden seit 2009 vom World Future Council ausgezeichnet. In diesem Jahr standen die Stärkung und Förderung junger Menschen im Fokus des renommierten Future Policy Awards, für den weltweit 67 politische Maßnahmen aus 36 Ländern nominiert wurden. Zwei große Themenkomplexe standen dabei im Mittelpunkt: Gesellschaftliche und politische Teilhabe für nachhaltige Entwicklung und Frieden sowie nachhaltige und menschenwürdige Arbeit zur wirtschaftlichen Stärkung junger Menschen. Geehrt wurden Programme und Strategien unter anderem aus Südafrika, Europa, Ruanda und Los Angeles (USA). 

Ausbildung ist der Schlüssel für nationale Erfolge 
Mit seinem „Erweiterten Öffentlichen Arbeitsprogramm" betreibt Südafrika eine Arbeitsmarktpolitik, die seit ihrer Einführung 2004 mittels befristeter Arbeit über 8 Millionen Beschäftigungsmöglichkeiten schuf. Sie begünstigt damit in erster Linie Frauen, die von Arbeitslosigkeit und Armut betroffen sind, und Jugendliche. Öffentliche Infrastrukturen fördern soziale, kulturelle und ökologisch nützliche Dienstleistungen und damit Optionen auf längerfristige Beschäftigung. Eine Erweiterung der Ausbildungskomponenten für junge Menschen soll bis 2024 zusätzliche 5,6 Millionen Arbeitsmöglichkeiten schaffen. 
 
Gemeinsames Lernen eröffnet die Chancen auf globale Gerechtigkeit. © World Future Council
Schottlands Jugendbeschäftigungsstrategie zur Förderung junger Arbeitskräfte zielt darauf ab, die Kompetenzen junger Menschen so zu verbessern, dass sie den Anforderungen des Arbeitsmarktes gewachsen sind. Hierfür bringt die Strategie das Bildungssystem, Arbeitgeber, Zivilgesellschaft, Jugendorganisationen und lokale Behörden zusammen, um Lehrpläne gemeinsam zu gestalten. Zusätzlich soll das „Moderne Lehrstellenprogramm" erweitert und das Ansehen der beruflichen Bildung und Qualifikation verbessert werden. Die Lehrpläne fördern nicht nur das „Lernen für Nachhaltigkeit", sondern setzen auch einen Schwerpunkt auf die Förderung der MINT-Fächer (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik). Damit soll nachhaltiges Wirtschaftswachstum mit grünen Arbeitsplätzen erreicht und die Klimaziele verwirklicht werden.

Deutschlands duales Ausbildungssystem genießt aufgrund seiner Kombination aus Theorie und Praxis weltweit hohes Ansehen und große Nachfrage. Es ist in ein reales Arbeitsumfeld eingebettet, unterliegt gesetzlichen Regeln und Auszubildende erhalten eine gesetzlich festgelegte Entlohnung. Das duale Ausbildungssystem ist damit eine sehr wirksame Option für junge Menschen, den Übergang in eine Beschäftigung zu finden.

Die Inititiave „YouthConnekt" aus Ruanda besticht durch einen modernen, kreativen und holistischen Ansatz. Das innovative und vielseitige Programm vernetzt junge Menschen untereinander und mit staatlichen Beschäftigungs- und Unternehmerangeboten. YouthConnekt ist eine virtuelle Plattform mit dem Ziel, ihre wirtschaftliche und politische Teilhabe zu fördern. Durch soziale Medien und Veranstaltungen sind die Jugendlichen so am sozioökonomischen Wandel beteiligt. Die Plattform schafft Raum für unternehmerische Abenteuer in neuen Bereichen, wie Informations- und Kommunikationstechnik oder Handwerk und zeichnet junges kreatives Unternehmertum aus. Mit beeindrucken- den Ergebnissen: Seit 2012 nehmen jährlich rund 600.000 junge Menschen an freiwilliger Arbeit in den Gemeinden teil und tausende Arbeitsplätze wurden geschaffen. Bereits mehr als zehn weitere afrikanische Länder haben sich vom YouthConnekt-Modell inspirieren lassen. Seit 2017 zielt die panafrikanische Initiative YouthConnekt Africa darauf ab, die gesamte Jugend Afrikas zu stärken und zehn Millionen Arbeitsplätze zu schaffen.

Im Hinblick auf die Klimakrise, die Umweltzerstörung und den Verlust der biologischen Vielfalt sind besonders visionäre politische Maßnahmen und Strategien hervorzuheben, die Kinder und junge Menschen in den Mittelpunkt des Übergangs zu einer kohlenstoffarmen und umweltfreundlichen Wirtschaft stellen. Deshalb wurde auch die US-Stadt Los Angeles mit einem Award ausgezeichnet. Sie hat sich mit ihrem 2019 ausgerufenen Green New Deal ambitionierte Ziele gesetzt: Mit neuen klimaneutralen Vorgaben für den städtischen Energieverbrauch, Transport und das städtische Bauwesen sowie der Schaffung von nachhaltigen Jobs sollen schnellere und radikalere Lösungen geschaffen werden, um der Klimakrise zu begegnen, wirtschaftliche Ungleichheit zu bekämpfen und Umweltgerechtigkeit zu fördern.
 
Weitere ausgezeichnete politische Maßnahmen und Informationen finden Sie unter www.worldfuturecouncil.org.

Samir Kassid
ist Volkswirtin mit Schwerpunkt Entwicklungszusammenarbeit und Umweltpolitik. Sie leitet das Programm „Die Rechte der Kinder und Jugendlichen" der Stiftung World Future Council und ist im Vorstand der National Coalition Deutschland – Netzwerk zur Umsetzung der Kinderrechtskonvention in Deutschland.

Jugend im Fokus
Die Vereinten Nationen haben Jugendliche in den vergangenen Jahrzehnten wiederholt zum Thema gemacht. Seit 2002 greifen die Weltjugendberichte globale Themen wie Klimawandel oder Migration auf. Auch spezifische Problemlagen für junge Menschen, wie der Übergang ins Erwachsenenalter, Aussicht auf Beschäftigung und gesellschaftliches Engagement werden thematisiert. Jugendliche werden in den Nachhaltigkeitszielen der Vereinten Nationen (Sustainable Development goals SDG) achtmal genannt. Zwei der 17 SDG haben ein jugendspezifisches Ziel: SDG 4 (Bildung und lebenslanges Lernen) sowie SDG 8 (inklusives Wachstum und Beschäftigung).

Dieser Artikel ist in forum 04/2019 - Food for Future erschienen.

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