Maria Kargl

Banker übernehmen Verantwortung

130 Banken haben am 22. September 2019 die „Principles for Responsible Banking" (PRB) als gemeinsame Selbstverpflichtung unterzeichnet

Der 22. September 2019 wird rückblickend als der große Wendepunkt für die Finanzbranche bezeichnet werden. An diesem Tag unterzeichneten am Rande des Klimagipfels der Vereinten Nationen (UN) in New York 130 Banken die „Principles for Responsible Banking" (PRB) als gemeinsame Selbstverpflichtung. Doch wie kann ihre Umsetzung erfolgen?
 
Ernest Ng, Investmentbanker und Universitätsprofessor und Friedhelm Boschert, Genossenschaftsbanker und Honorarprofessor diskutieren beim Europäischen Forum Alpbach über ein zukunftsfähiges Finanzwesen. © mindful financeModeriert vom UNEP/FI, der Finanzinitiative des Umwelt-Programms der UN, verpflichteten sich die Banken an diesem denkwürdigen Tag, Nachhaltigkeit und Klimaschutz in alle Geschäftsbereiche zu integrieren. Zu den Erstunterzeichnern gehören auch die GLS-Bank, die Deutsche Bank, die LBBW und die Commerzbank. Das Mindful Finance Institute (MIFI) zählt neben vielen anderen Organisationen schon seit Jahresbeginn zu den Unterstützern dieser Initiative und organisiert deshalb Workshops zum Thema Impact Investing und Achtsamkeitspraxis. Im Impact Hub München tauschten sich auf Einladung des MIFI renommierte Fachleute intensiv über die Zukunft des Finanzwesens aus und reflektierten, welche Rolle Achtsamkeit dabei spielen kann. Im anschließenden forum-Gespräch diskutierten Ernest Ng, Investmentbanker und Universitätsprofessor in Hongkong und Friedhelm Boschert, Genossenschaftsbanker und Honorarprofessor in Deutschland und Österreich, angeregt darüber, was zu einem zukunftsfähigen Finanzwesen beitragen kann. forum protokollierte die wichtigsten Passagen des Gesprächs.

Friedhelm Boschert: So langsam kommt Bewegung in die Finanzbranche. Mit den „Prinicples for Responsible Banking", die gerade auf der UN-Klimakonferenz verabschiedet wurden, müssen sich die Banken endlich zu ihrer Verantwortung für Nachhaltigkeit und Klimaschutz bekennen. Konkret heißt das, nicht nur ein paar grüne Fondsprodukte anzubieten, sondern vor allem im Kerngeschäft zu beginnen, nachhaltig zu handeln. Im Kreditgeschäft beispielsweise. Woher denn sonst sollen die 180 Milliarden Euro jährlich kommen, die alleine in Europa für den Klimaschutz gebraucht werden? Bald könnte daraus auch die Forderung an die Banken entstehen, das Eigenportfolio „klimaneutral" zu investieren. Ich habe aber das Gefühl, dass viele der Verantwortlichen in den Banken noch gar nicht verinnerlicht haben, was jetzt auf sie zukommt.

Ernest Ng: Diese zunehmende Forderung nach Veränderungen in Richtung eines verantwortungsvolleren Finanzsektors bemerke ich auch. Das hat Signalwirkung, denn derFinanzmarkt ist unbestreitbar das Paradebeispiel für eine entfesselte Marktwirtschaft. Hier werden Wettbewerb, Eigeninteresse und Gewinnmaximierung noch am meis- ten gefeiert, was zu einer erheblichen und unhaltbaren Volatilität sowie zu Stress auf individueller, sozialer und ökologischer Ebene führt.

Das Problem: Während neue Technologien Finanztransaktionen in immer höherer Geschwindigkeit und immer höherem Volumen erlauben, werden unsere mentalen Fähigkeiten zunehmend durch enormen zeitlichen, moralischen und finanziellen Druck überlastet. Die Technologien könnten uns zwar helfen, bessere Entscheidungen zu treffen, aber wir müssen in der Lage sein, die WARUM-Frage zu beantworten, das heißt den Zweck und den Wert hinter unseren Entscheidungen.

Friedhelm Boschert: Ja, wir haben uns in der Finanzwirtschaft in den letzten 30 Jahren mehr und mehr von unserem Ursprungsauftrag entfernt, nämlich als Mittler von Vertrauen zwischen Geldgebern und Geldnehmern zu stehen. Nachhaltige Wertschöpfung entsteht jedoch genau aus dieser Vertrauensposition heraus, und nicht aus einem kurzfristig orientierten Shareholder-Value ohne Bezüge zur Realwirtschaft. Risikopositionen im Wertpapier- und Derivatehandel aufzubauen sollte eigentlich der Vergangenheit angehören. Wir brauchen kein Gambling, sondern ein Investieren mit positiver Wirkung zur Erreichung der Sustainable Development Goals (SDG). Banken haben eine dienende Funktion für die Realwirtschaft und da müssen sie wieder hin.
 
Daraus folgt aus meiner Sicht die Regel: Bei Anlage- und Kreditentscheidungen innehalten und nach dem Sinn und den Wirkungen der Geldverwendung fragen und nicht nur Risiko-Ertrags-Betrachtungen anstellen – das war gestern.
 
© mindful finance
Ernest Ng: Das stimmt. Die achtsame Konzentration auf den Prozess der finanziellen Entscheidungsfindung ist ein wichtiger Ausgangspunkt. Ich bin deshalb überzeugt, dass Finanzexperten, die moralische Aspekte in ihre Arbeit und ihr Leben integrieren, Glück für sich selbst finden und positiv auf die Gesellschaft und das Ökosystem einwirken können. Es gibt Untersuchungen, die zeigen, dass Menschen mit einem höheren Maß an Achtsamkeit tendenziell weniger anfällig sind für subjektive Verzerrungen oder selbstsüchtige Ansichten bei der Beurteilung von entscheidungsrelevanten Informationen. Denn: Sie sind sich ihrer Emotionen bewusst – anstatt automatischen, emotionalen Reaktionen wie Angst oder Gier Raum zu geben, verhilft ihnen Achtsamkeit zu bewussten und damit kontrollierten Reaktionen im Entscheidungsprozess.

Friedhelm Boschert: Ja, es gab dazu schon vor Jahren ein großes EU-Forschungsprojekt zur Verantwortlichkeit von Managern. Es hat gezeigt, dass mit Achtsamkeit trainierte Manager eher ethisch fundierte Entscheidungen treffen als solche mit einem rein wissensbasierten Ethikverständnis. Es ist ja nicht der Kopf alleine, der Entscheidungen trifft. Herz und Bauch sind immer mit beteiligt, manchmal sogar dominierend. Das war im übrigen auch einer der Gründe, warum die Berufsvereinigung Chartered Financial Analyst (CFA) in Amerika Achtsamkeit in den Lehrplan aufgenommen hat. Die CFA schreibt: „It can help reduce stress, improve mental focus and creativity, promote ethical behavior, and overcome behavioral biases". Achtsamkeit kann also weit-gehende Wirkungen zeigen. Das sehen wir auch in unseren Trainingsprogrammen in Banken.

Ernest Ng: Auch das stimmt. Die „Mainstream-Achtsamkeit", die derzeit den Finanzexperten angeboten wird, kann als Starthilfe dienen, aber sie ist immer noch entfernt von anspruchsvollen und integrierten Verhaltensänderungen. Mentales Konzentrationstraining, das den Geist konzentrieren und entspannen kann, jedoch ohne die Entwicklung von Weisheit und moralischer Disziplin angewandt wird, kann schnell dazu führen, dass man sich auf die falschen Themen mit den falschen Perspektiven konzentriert. Beispiel: Achtsamkeit üben, nur um noch mehr Gewinn zu machen. Aber Weisheit ohne Konzentration ist ebenso suboptimal, weil unser Verstand sich manchmal im Kreise dreht, ohne die richtigen Themen zu bestimmen. Ich denke, dass eine auf Achtsamkeit basierende nachhaltige Entscheidungsfindung zum Beispiel die Finanzströme besser in Richtung Klimaneutralität lenken kann.
 
Friedhelm Boschert: Ja genau und da sind wir ja bei der inhaltlichen Seite der Nachhaltigkeit. Als die von Dir genannten „right subjects" könnte man doch die Ziele der UN, die Sustainable Development Goals (SDG) sehen. Das sind ja letztlich jene Ziele, die unser Überleben garantieren. Und über die Principles for Responsible Investment (PRI), also die Grundsätze für verantwortliches Investieren und die im September von der UN-Vollversammlung beschlossenen PRB (Grundsätze für verantwortungsvolle Bankführung) werden gerade Investmentmanager und Banker angehalten, künftig diese SDG explizit in ihren Geschäftsentscheidungen zu be- rücksichtigen. Jede Kreditvorlage sollte also auch aufzeigen, welche der 17 SDG damit gefördert werden. Und das sollte publizierungspflichtig sein.

Ernest Ng: Ich glaube, Achtsamkeit kann zur Problemlösung auf den Finanzmärkten beitragen, indem sie die Beziehung zwischen den verschiedenen Interessengruppen besser berücksichtigt. Und sie hilft uns, sachkundigere, verantwortungsbewusstere Entscheidungen zu treffen. Damit können wir nachhaltige Beziehungen zu uns selbst, der Gesellschaft und der Umwelt aufbauen und gleichzeitig mehr Wohlstand für alle erreichen, ohne die Zukunft zu gefährden.

Friedhelm Boschert: Das sehe ich ebenso und es gibt weitere Aspekte: Achtsame Menschen haben eine stärkere Verbindung zwischen Absichten und Verhalten als weniger achtsame Individuen, sagen die Forscher. Sie bleiben also ihren Vorsätzen eher treu, zum Beispiel kein Industrie-Fleisch mehr zu essen oder Geld nur noch transparent anzulegen. Und der Grund dafür ist nicht so schwer zu verstehen. Achtsame Menschen sind nicht in einer Gedanken- und Verhaltensautomatik gefangen, sie sind offener für Veränderungen und flexibler, aber auch konsequenter im Verhalten. Das ist für mich der Grund, warum Achtsamkeit der einzige Weg ist, um Denk- und Verhaltensweisen im Kontext von Finanzen und Nachhaltigkeit zu ändern. Eine bewusstere Steuerung von Geldströmen kann dann auch unser Leben reicher und glücklicher machen.

Dr. Freidhelm Boschert ist Mitgründer und Geschäftsführer des Mindful Finance Institute. Er hat 25 Jahre Erfahrung im internationalen genossenschaftlichen Bankgeschäft und ist Leiter eines Mikrofinanz-Fördervereins für verantwortungsbewusstes Investment, Honorarprofessor (FH) der IMC FH Krems sowie zertifizierter Lehrer für Meditation und Achtsamkeit.

Ernest Ng
ist Honorarprofessor an der Universität Hongkong (HKU) mit Forschungsschwerpunkten an der Schnittstelle von asiatischen Weisheitstraditionen, Finanzwirtschaft, nachhaltiger Entscheidungsfindung und Achtsamkeit. Er war zuvor 15 Jahre in der Finanzbranche tätig, zuletzt als Chief Investment Officer bei einer Vermögensverwaltung und Vice-President von Morgan Stanley Asien.

Nachhaltiges Finanzwesen
Das Mindful Finance Institute MIFI in Oxford wurde gegründet, um mit dem Konzept der Achtsamkeit Entscheidungsprozesse und Führungsaufgaben in Finanzinstitutionen im Sinne einer nachhaltigen Unternehmensführung zu verändern. Das MIFI unterstützt die UNEP/FI "Priniciples for Responsible Banking” und bietet einen Zertifikats-Studiengang "Mindful Finance Professional” gemeinsam mit der Steinbeis Akademie an.

Der Hub for Sustainable Finance (H4SF) wird seit Sommer 2017 vom Rat für Nachhaltige Entwicklung organisiert. Der Hub ist ein offenes Netzwerk von Finanzmarktakteuren und weiteren Stakeholdern, die aktiv zu einem nachhaltigen Finanzsystem in Deutschland beitragen.

Die United Nations Environment Programme – Finance Initiative (UNEP FI) ist eine Partnerschaft zwischen der Umwelt der Verein- ten Nationen und dem globalen Finanzsektor, die im Anschluss an den Erdgipfel von 1992 mit dem Ziel gegründet wurde, nachhaltige Finanzen zu fördern. Am Rande der UN-Vollversammlung wurden am 22. September 2019 die "Principles for Responsible Banking” (PRB) verabschiedet.

Der Aktionsplan der EU-Kommission zeigt auf, wie Nachhaltigkeitsüberlegungen in den finanzpolitischen Rahmen integriert werden können, um Finanzmittel für ein nachhaltiges Wachstum zu mobilisieren. Auch die Investmentindustrie stellt sich zunehmend in den Dienst der Nachhaltigkeit. Dazu gehört die Initiative des "Investment-Turnaround” wie auch die Neuorientierung großer Fonds-Gesellschaften wie die Frankfurter Union-Investment.

von Maria Kargl und Fritz Lietsch

Dieser Artikel ist in forum 04/2019 - Food for Future erschienen.

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  • Protect the Planet. Gesellschaft für ökologischen Aufbruch gGmbH
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