Auf den Pilz gekommen

Vielen ist der Pilz nicht mehr wurscht

Der Hunger nach gesunden Alternativen zu Schnitzel, Steak und Burger wird immer größer. Grund genug, eine ganze Branche auf Forschungsreise zu schicken. Was Food-Designer, Wursthersteller und findige Start-ups entdeckt haben, klingt genauso simpel, wie genial. Ihre Lösung lautet: Speisepilze statt Fleischprodukte.
 
© HERMANN59,73 kg Fleisch verzehrt jeder Deutsche durchschnittlich pro Jahr – Tendenz sinkend. Das ist gut, hat doch die Herstellung von Fleisch verheerende Auswirkungen auf die Umwelt, das Klima und uns Menschen. Global gesehen werden 77 Prozent des Agrarlandes für die Viehzucht verwendet, obwohl der Mensch nur rund 17 Prozent seines Energiebedarfs mit tierischen Produkten deckt. Flächenfraß, Überdüngung, Biodiversitätsverlust, Wasserverbrauch und Klimagase – die Natur zahlt einen hohen Preis für unsere Lust auf Fleisch. Und wen die Bilder gequälter und eingepferchter Tiere kalt lassen, sollte sich Gedanken über seine eigene Gesundheit machen. Neben Antibiotika, resistenten Keimen und Cholesterin lauert die Gefahr von Herzinfarkten und Kreislauferkrankungen hinter jedem Steak zu viel.
 
Experten sind sich einig: 300 bis 600 Gramm Fleisch pro Woche sind mehr als genug. Doch was soll anstatt des Schnitzels und des Wurstbrotes auf dem Teller laden? Wir haben uns auf eine Reise quer durch Europa gemacht, um eine Antwort auf diese Frage zu finden. Was wir gefunden haben? Pilze.

Kleines Gemüse mit Superkräften 
Schon seit Jahrtausenden stehen sie auf unserem Speiseplan, selbst Ötzi hatte eine ganze Ansammlung von Pilzen bei sich, als er in den Alpen unterwegs war. Ob darunter Champignons waren, wissen wir nicht, fest steht jedoch, dass er heute der absolute Liebling von uns Europäern ist. 95 Prozent der 1,2 Millionen Tonnen Speisepilze, die jährlich in Europa gezüchtet werden, sind Champignons. Doch egal ob heimischer Champignon, edler Seitling oder exotischer Shiitake, die Nachfrage wächst stetig. Kaum verwunderlich angesichts der geballten Superkräfte, die in so einem Pilz stecken. Voll mit essentiellen Aminosäuren und Mineralstoffen, wie Kalium, Phosphor und Calcium sowie Spurenelementen wie Selen, Eisen und Zink, zudem noch fettarm, Cholesterin senkend und stabilisierend für das Immunsystem, entpuppt sich der Pilz als wahres Super-Food. Gerade mal 1,5 Kilo Zuchtpilze verspeisen wir Europäer durchschnittlich pro Jahr. Es ist also noch viel Luft nach oben.

Die Alternative mit Biss – eine Vater-Sohn-Geschichte
Alternativen zu Fleisch gibt es ja schon lange, aber keine konnte so richtig überzeugen. Allerdings hatte es bisher auch noch niemand mit dem Kräuterseitling versucht – bis Vater und Sohn Neuburger den entscheidenden Schritt gingen. Das Ergebnis schmeckt genauso gut wie es aussieht: Käsebratwurst auf Kartoffelrösti und Spinatsalat © HERMANN Auf den ersten Blick scheint es ironisch, was sich im österreichischen Ulrichsberg inmitten von idyllischen Wäldern und Wiesen ereignet. Denn seit Generationen lebte dort die Familie Neuburger von der Fleischverarbeitung – bis sie dann das Gewissen packte. Oder war es vielleicht einfach nur das Gespür, dass die Zeiten sich ändern? Vor mehreren Jahren haben Hermann Neuburger und sein Sohn Thomas deshalb mit der Entwicklung einer fleischlosen Alternative begonnen. Ihre Anforderungen: dem Genusserlebnis von Fleisch so nahe wie möglich kommen und gesunde Produkte erzeugen, die völlig ohne Zusatzstoffe auskommen sowie die Umwelt weniger belasten. „Uns ist es wichtig, dass sie nicht nur Vegetarier ansprechen, sondern in erster Linie Menschen, die gerne öfter auf Fleisch, aber nicht auf das Genusserlebnis verzichten möchten. Oder Menschen, denen der Umstieg auf fleischlose Produkte schlicht schwerfällt", betont der Senior. Das Ergebnis nach fünf Jahren Entwicklung, über 5.000 Rezepten, unzähligen Tests und Verkostungen, heißt „Hermann": Bratstreifen, Rostbratwürstchen, Käsebratwurst und Gyros – vier verschiedene Produkte finden sich derzeit in den Supermarktregalen.

Zutaten und Rezepte sind gefragt
Mehrere Reisen nach Asien – kaum verwunderlich, liegen die Japaner mit durchschnittlich 6,5 Kilo verspeisten Zuchtpilzen pro Jahr und Kopf deutlich vor uns – haben Vater und Sohn am Ende auf den Pilz gebracht, besser auf den Kräuterseitling. „Der Kräuterseitling gehört zu den Austernpilzen, erinnert in seiner Konsistenz an Fleisch und ist schon lange fixer Bestandteil der asiatischen Küche – ganz anders als bei uns", so Thomas Neuburger, der für den Hauptrohstoff verantwortlich ist. So hat am Ende nicht nur das faserige Fleisch des Edelpilzes überzeugt, auch beim Geschmackstest hat sich der Kräuterseitling durchgesetzt. Neben dem Pilz besteht die vegetarische Fleischalternative der findigen Wursthersteller aus Reis, Öl, ein wenig Bio-Hühnerei-Eiweiß und Gewürzen – und sonst nichts. Auch die Herstellung der Ersatzprodukte ist vergleichsweise simpel, fast wie in einer Haushaltsküche. Die Pilze werden zerkleinert, mit den übrigen Zutaten vermengt, gewürzt, gedämpft und in Form gebracht – fertig ist das Würstchen oder eben das Gyros. Die Zutaten sind alle bio und kommen soweit wie möglich aus Österreich.
 
Die in Europa bisher eher unbekannten Kräuterseitlinge werden sogar im Unternehmen selbst gezüchtet, um damit einen weiteren Beitrag zur Nachhaltigkeit und Schonung der Umwelt zu leisten. Und das Konzept geht auf. Die Nachfrage wächst stetig und mittlerweile können die Österreicher ihren Bedarf an Pilzen für die Produktion nicht mehr selbst decken. Was uns ins beschauliche Helvesiek in Niedersachen führt.

Zwischen Tier und Pflanze
Streng genommen sind Pilze weder Tier noch Pflanze, im Grunde genommen liegen sie genau dazwischen. Sie atmen, genau wie jedes andere Säugetier, Sauerstoff ein und Kohlendioxid aus, geben Wärme an ihre Umgebung ab und verarbeiten ihre Nahrung, organisches Material wie Holz, Boden oder Substrat, durch Enzyme – allerdings außerhalb ihres Körpers mithilfe von feinen Fäden, den Myzelien. Gegessen wird allerdings nur der obere Fruchtkörper.

Vom Sägemehl zum Edelpilz
Die fast acht Stunden Fahrt mit Zug, Regionalbahn und Bus nach Helvesiek im Elbe-Weser-Dreieck haben sich wirklich gelohnt. Uns begrüßen Heideflächen, geheimnisvolle Wälder und strahlend blaue Seen. Genauso märchenhaft wie die Landschaft mutet der „Pilzgarten" der Familie Jonas an. „Für uns ist Bio kein Trend, sondern ein Selbstverständnis", stellt Heike Jonas gleich zu Beginn klar, als sie uns auf dem Firmengelände empfängt, auf dem 60 Mitarbeiter aus 15 verschiedenen Ländern etwa sieben bis zehn Tonnen Edelpilze pro Woche züchten. Seit 2009 alles streng biologisch-dynamisch nach Demeter-Richtlinien.

Als erstes gehen wir zu den Silos, bei denen gerade die Produktion für den heutigen Tag startet. Aus hochragenden Lagertanks strömen Sägemehl, Getreide, Weizenkleie, Ölpresskuchen, Wasser und Kalk für Substrat, auf dem später die Pilze wachsen, in die weiße Mischmaschine. Hier sind Genauigkeit und Sorgfalt gefragt, alles muss genau stimmen: Gewicht, Konsistenz, Farbe und Feuchtigkeit. Heute ist alles so wie es sein soll.

Pilze sind wählerisch, für jede Sorte gibt es ein eigenes Substratrezept. Danach wird das Gemisch in Polypropylentüten abgefüllt. „Circa drei Kilo müssen es sein, um möglichst effizient mit den Rohstoffen umzugehen und gleichzeitig ideale Wachstumsbedingungen zu schaffen.", erklärt uns Frau Jonas. Nachdem das Material sterilisiert wurde, kommen wir zum nächsten Raum, der eher an ein hochmodernes Chemie-Labor als an eine Pilzzucht erinnert. Hier finden endlich Substrat und Pilz – heute Kräuterseitling, das Hauptprodukt von Pilzgarten – zueinander und das Myzel kann sich einen Weg durch das Material bahnen. Auch hier muss wieder alles genau im Auge behalten werden und es gilt, auf die speziellen Wünsche der Pilze einzugehen. Um die Raumbedingungen immer gleich zu halten, werden sie mit Strom und Wärme aus dem firmeneigenen Blockheizkraftwerk versorgt. Bis wir allerdings den fertigen Pilz essen können dauert es noch. „Wir müssen die Pilze durch eine Art Massage dazu bringen, einen Fruchtkörper zu bilden, danach müssen die Blöcke etwa 10 Tage ruhen. Erst dann können wir sie aus den Tüten nehmen und in unsere speziellen Reiferäume bringen. Innerhalb von ein bis drei Wochen sind die Pilze fertig – und wir können endlich ernten", fast zärtlich streicht Heike Jonas über einen der weichen Köpfe.
 
Täglich wird der Wachstumsprozess kontrolliert, neben der Behandlung mit Demeter-Spritzpräparaten, wie Hornkiesel und Mist, unbedingt nötig, um einen Schimmelbefall zu verhindern. Sobald die Blöcke reif sind, muss es schnell gehen. Mit kleinen scharfen Messern schneiden wir die Fruchtkörper vorsichtig ab und unterziehen jeden Pilz einer eigenen Qualitätskontrolle, bevor er in die Verpackung wandert. Von Helvesiek finden die Bio-Pilze ihren Weg zu Biohändlern und Gemüsegroßmärkten in ganz Europa.

Neben der klassischen Methode scheint sich dort gerade eine kleine Revolution in der Branche abzuspielen. Auf phantastische Weise gehen Kaffeegenuss und Pilz-Zucht eine geradezu magische Symbiose ein – auch in den Niederlanden, wohin uns unser Wissenshunger als nächstes treibt.
 
Viel zu schade für den Müll
Was 1994 auf einem Kongress in Peking als Idee von Gunter Pauli – damals leitender Denker des „think tanks" der United Nations University, welche innovative Ideen in Vorbereitung auf das Kyoto-Protokoll entwickelte – begann, hat sich mittlerweile zum weltweiten Trend entwickelt. Von Rotterdam über Basel, Berlin bis nach Wien schießen die Kaffeesatz-Züchter, die sich der nachhaltigen Kreislaufwirtschaft auf regionaler Ebene verschrieben haben, wie Pilze aus dem Boden und erweitern das „Blue Economy"-Netzwerk.
 
Blue Economy: blau wie unsere Erde
Wir alle wollen unsere Erde retten, kommt es allerdings zur konkreten Handlung, entscheiden die meisten sich doch wieder für die billigere, profitablere und oft umweltschädliche Variante. Die Blue Economy findet einen Ausweg, indem sie auf innovative, natürliche und somit profitable Wertschöpfung setzt. Gunter Pauli zeigte dies wieder eindrucksvoll auf dem Zermatt Summit, der eine Plattform für den Dialog zwischen der Gesellschaft, Wirtschaft und Wissenschaft bietet.

Wir brauchen smarte Produkte, umweltfreundlich, preiswert, zukunftsfähig. Deshalb hat Gunther Pauli das Konzept der „Blue Economy" entwickelt. Blau steht für das Wasser, den Himmel und die Erde, aus dem Weltraum betrachtet. Als Erweiterung des „Green Growth" durch eine leistungsfähige, komplett umweltfreundliche Wirtschaftsweise, ist die Veränderung des gesamten Wirtschaftssystems das Ziel. Unternehmen verwenden nur lokale Ressourcen. Schlagworte sind Effizienz und nachhaltige Produktion. Das Konzept leitet sich aus der Kaskadenwirtschaft der Natur ab, bei der der Abfall eines Stoffwechselprozesses als Ausgangspunkt für das nächste Produkt verwendet wird und so der Lebenszyklus von Ressourcen verlängert wird. Abfall gibt es nicht mehr, der Kreislauf wird komplett geschlossen. Ein gutes Beispiel ist Steinpapier, das aus den Resten des Bergbaus entsteht. Bei der Produktion ist kein Wasser nötig, es werden keine Bäume gefällt und das Produkt ist zu 100 Prozent recycelbar – und das für immer. Dabei wird auf einfache, aber intelligente Technologien, die den Grundgesetzen der Physik folgen, weniger auf komplizierte, chemische Prozesse, wie in der Industrie üblich, gesetzt. Produktionskosten werden gesenkt und zusätzliche Umsätze und Arbeitsplätze generiert.
 
Mehr dazu auf www.zermattsummit.org
 
Pilze, der erdige Geruch nach Wald, das Bild von moosig-grüner Erde und kleinen braunen Köpfen, die am Fuße eines Baumes wachsen. Kaffee-Geruch steigt einem, wenn man an Pilze denkt, nicht unbedingt als erstes in die Nase. Und betritt man einen der acht Container der Farm von „Rotterzwam" mit den von der Decke hängenden Pilz-Beuteln, sieht man sich eher in ein Lagerhaus für gut abgehangene Schweinehälften versetzt. Doch der Eindruck täuscht. Was hier aus den mit Kaffee-Substrat gefüllten Folienbeuteln sprießt, ist hundertprozentig vegetarisch. Die Mission des jungen Teams rund um Co-Gründer Siemen Cox: Die Bürohäuser der Stadt von Kaffeesatz befreien und gleichzeitig die Restaurants mit Pilzen beglücken.
 
Aus Alt mach Neu, aus Abfall wird Nahrung – ganz nach dem Prinzip der 'Blue Economy' wird bei der Pilzzucht auf Kaffeesatz der Kreislauf komplett geschlossen, kein Gramm wertvoller Ressourcen geht verloren. © Maria-Luisa KarglEtwa 6.000 bis 7.000 Kilo Kaffeesatz sammelt das niederländische Unternehmen „Rotterzwam" jeden Monat ein, bringt ihn mit dem Elektroauto auf seine Farm und verwandelt ihn in hochwertiges Substrat. Dazu wird der Kaffeesatz mit Pilzmyzel, Kaffeehäutchen , die äußere Kaffeehaut, die sich beim Rösten von Kaffeebohnen löst, Wasser und etwas Kalk vermischt. Innerhalb von etwa 5 Wochen durchdringt das Pilz-Geflecht das Substrat und der Fruchtkörper wächst. Anschließend können die Niederländer das edle Gemüse zu Austernpilz-Bier oder Snacks weiterverarbeiten. Für Siemen ist es eine Schande, angesichts der Verknappung von Rohstoffen etwas so Wertvolles wie Kaffeesatz einfach der thermischen Verwertung zu überlassen. Denn nur 0,2 Prozent des Kaffees landen in der Tasse, der große Rest mit allen biologischen Nährstoffen bleibt zurück. „Wir wollen das Maximum aus unseren Produkten herausholen, Kreisläufe schließen, lokal produzieren und das alles möglichst klimaschonend", betont Siemen. So haben sie auf den Dächern der Pilz-Kinderstube 152 Solarmodule angebracht, die den Energiebedarf für die Produktion und den Transport decken, somit ist das Unternehmen komplett energieneutral.
 
Auch das Unternehmen "GRO-together" setzt auf Kaffeesatz-Pilzzucht, produziert jedoch neben rein vegetarischen Produkten auch einen Burger, der zur Hälfte aus Rindfleisch besteht – im Gespräch mit forum erzählt Co-Gründer Jan Willem Bosman Jansen mehr über sein Konzept.

Der Traum der Kaffeesatz-Pilzzucht-Jünger ist es, dass sich ihre Idee wie ein gigantisches Pilzgeflecht über den gesamten Planeten ausbreitet, so werden Informationen, Erkenntnisse und Zucht-Tipps über alle Kanäle verbreitet. Die Gärtnereien sind mehr als einfach nur eine wirtschaftliche Zuchtanlage, sie sind Erlebniszentren, in denen die Kreislaufwirtschaft in Führungen oder Workshops erlebt werden kann. Diese Philosophie lebt auch eine erfinderische Frau in Serbien – die damit eine absolute Vorreiterrolle im Südosten unseres Kontinentes einnimmt.
 
Zwischen alten Zuchtmethoden und hochinnovativer Technologie
Die Gründerin von Ekofungi und Mitglied des Blue-Economy-Netzwerkes zwischen ihren Pilzen in Serbien. Die Delikatessen landen auf den Tellern im Belgrader Hotel 'Hyatt', in Erzeugnissen Belgrader Bäckereien und auf regionalen Gemüsemärkten und in Bioläden. © EkofungiIvanka Milenkovic ist die Gründerin der serbischen Firma Ekofungi, einem kleinen Pilzzucht-Unternehmen nahe Belgrad. Für forum erklärt sie, wie mit dem richtigen Gleichgewicht zwischen neu und alt nachhaltiges Wirtschaften gelingen kann. „Die Speisepilz-Zucht ist ein einzigartiges biotechnologisches Verfahren, das land- und forstwirtschaftliche Abfälle gewinnbringend in hochwertige Lebensmittel umwandelt. Was hochtrabend kling, ist im Grunde ziemlich simpel: Bei der Pilzzucht werden Prozesse, die in der Natur vorkommen, simuliert. Wir bei Ekofungi konzentrieren uns auf diese fundamentalen Grundlagen des Anbaus.", erfahren wir im Gespräch mit Ivanka Milenkovic.
 
Doch jeder Pilz hat andere Bedürfnisse und dementsprechend kommen auch spezifische Techniken zum Einsatz. Produziert werden zwei Sorten von Speisepilzen im biologischen Anbau: Champignons und Austernpilze. Erstere gehören zur Gruppe der „faulen Pilze", denn sie brauchen für den Anbau und die Fruchtbildung kompostiertes Material. „Der Anbau dieses Zuchtpilzes wurde bereits zu Beginn des 18. Jahrhunderts in Paris registriert. Damals beobachtete man, dass besonders an Raststationen, wo auch viele Pferde unterwegs waren und entsprechend Pferdemist vorhanden war, schöne weiße Pilze wuchsen. Man probierte sie – und sie schmeckten. Also wurde mit der Produktion auf dem Pferdemist begonnen. Doch das Champignongeschäft boomte so stark, dass der Bedarf an Mist bald nicht mehr gedeckt werden konnte. Die Wissenschaftler suchten nach Alternativen – und fanden sie: eine Mischung aus Stroh und Hühnermist.", so Ivanka. Auch wenn heute die Kapazitäten und investierten Summen der globalen Champignon-Produktion ungleich höher sind als vor drei Jahrhunderten, das Grundprinzip ist das gleiche geblieben: Auch bei Ekofungi werden heute noch die traditionellen Rohstoffe und Methoden für die Champignon-Aufzucht verwendet.

Auf der anderen Seite kommen für die Herstellung von Substraten für die „exotischen" Pilze, wie den Austernpilz, eine völlig neue Technologie zum Einsatz, die von Ivanka und ihrem Team eigens entwickelt wurde. Die Pilze werden auf zellstoffreichen organischen Abfällen, meist Stroh, angebaut. Konventionell wird, um das Stroh zu Zucht-Substrat umzuwandeln, eine Standardtechnologie eingesetzt, die sehr viel Energie verschlingt. Entsprechend negativ ist die CO2-Bilanz des Endproduktes. „Unsere Methode ist erheblich energiesparender und umweltschonender, denn wir setzten auf einen bestimmten mikrobiologischen technologischen Prozess, um das wertvolle Zucht-Substrat aufzubereiten.", erklärt uns Ivanka.

Durch die Kombination dieser neuen, innovativen Methoden mit den alten Techniken, die schon seit Jahrhunderten funktionieren, können die Serben pro Jahr etwa 130 Tonnen biologisch zertifizierte Zuchtpilze produzieren und das alles zu 100 Prozent biologisch. Damit sind sie absolute Pioniere in Europa, vor allem im Osten.
 
Züchten für zu Hause
Was im mehr oder weniger großen Stil klappt, funktioniert auch wunderbar zu Hause. Egal wann, immer frische „Schwammerl" zu haben, und ihnen auch noch beim Wachsen zusehen ist der Traum eines jeden Feinschmeckers mit gärtnerischen Ambitionen. Fortgeschrittene können sich Pilzmyzel im Internet bestellen und es selbst mit relativ nährstoffarmem, aber stickstoffreichem Untergrund wie Stroh, Sägemehl oder eben Kaffeesatz aus der heimischen Maschine mischen. Wichtig ist es dabei, das Mehl vorher zu trocknen oder bis es verwendet wird ein bis zwei Tage im Kühlschrank zu lagern, damit keine unerwünschten Pilze – Schimmel – das Wachstum der kleinen Leckerbissen stören.
 
Ganz egal, welchen Kaffee sie bevorzugen, ob klassischen Filterkaffee, wie von der Oma, oder Espresso aus dem Vollautomaten, geeignet ist jeder Kaffeesatz, nur feucht genug muss er sein. Das Substrat wird einfach in einen Eimer gefüllt, mit dem Myzel vermischt und regelmäßig gewässert. Der große Vorteil dabei ist, dass keine Dünger, Spritzmittel oder andere Gifte nötig sind, alles ist hundertprozentig biologisch. Hericium (Stachelbart), Kräuterseitlinge, Pioppino (Südlicher Ackerling), Austernpilze und auch Champignons eignen sich hier besonders. Wer es exotischer mag, kann sich auch an Shiitake-Pilze wagen. Beachtet man ein paar kleine Grundregeln, kann in wenigen Wochen geerntet werden: Ein feuchter, unbeheizter Keller mit einer stabilen Temperatur von 10-15 Grad eignet sich am besten. Wer in der Stadt wohnt und keinen Keller zur Verfügung hat, kann auch auf Badezimmer oder Küche ausweichen. Energie spart man auch noch bei der heimischen Pilzzucht. Pilze mögen es schön schummrig, gerade noch so viel Licht, dass man sich im Raum orientieren kann, ist ideal.
 
Wem das alles zu kompliziert ist, kann sich auch komplett fertige Pilzzucht-Sets bestellen. Diese Kits kommen als Kiste, Box oder Beutel in Bio-Qualität zu Ihnen nach Hause und kosten je nach Größe und Sorte zwischen 10 und 20 €. Einzig sollte hier auf die Verpackung geachtet werden. Am besten sind Behälter aus recycelfähigem Material, wie Karton oder aber wiederverwendbare. Besonders praktisch ist, dass Myzel und Substrat bereits gemischt in der Verpackung sind, andere Materialien, außer Wasser, werden nicht mehr gebraucht und die Anleitungen sind meist sehr ausführlich. Damit steht den Rahmschwammerln mit Semmelknödel nichts mehr im Wege – viel Spaß beim Ausprobieren und guten Appetit.
 
Von Maria-Luisa Kargl

Lifestyle | Essen & Trinken, 04.12.2019
Dieser Artikel ist in forum 04/2019 - Food for Future erschienen.
     
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