Wirtschaft | Marketing & Kommunikation, 04.12.2019
Keine Zeit zu warten
Freiwilliges Engagement von Unternehmen dank Responsible Businessplan
Ein Responsible Businessplan kann das freiwillige Engagement von Unternehmen beflügeln, wenn er mit klaren Zielen unterlegt und an das Bonussystem gekoppelt ist. Im forum Interview erklärt Valentina Daiber, Vorstand bei Telefonica Deutschland, welche Maßnahmen ihr Unternehmen ergreift.
Frau Daiber, viele Menschen fordern von der Politik, die Wirtschaft mit gesetzlichen Auflagen und Regulierung stärker in die Pflicht zu nehmen, um bei Umweltschutzfragen schneller voranzukommen. Was halten Sie davon?
Unsere Welt verändert sich rasant – bei vielen Themen kann die Gesetzgebung kaum schritthalten. Aus meiner Sicht ist es daher entscheidend, dass sich Unternehmen zunächst einmal freiwillig für den Klima- und Umweltschutz engagieren. Ich bin davon überzeugt, dass unternehmerische Eigeninitiativen und die Motivation zum Klimaschutz von innen heraus schneller umgesetzt werden und effektiver sind. Regulierung führt oftmals zu mehr Bürokratie und im schlimmsten Fall verlangsamt sie sogar einen Wandlungsprozess hin zu mehr Klima- und Umweltschutz, den viele Unternehmen bereits aus eigenem Antrieb initiiert haben. Meiner Meinung nach gibt es für eine komplexe Herausforderung wie den Umwelt- und Klimaschutz keine simplen Lösungen, die sich einfach durch Vorgaben umsetzen lassen.
In der Wirtschaft herrscht zudem ein zunehmend intensiver Wettbewerb zwischen den Unternehmen. Eine Maßnahme kann natürlich das Pflanzen von Bäumen sein, viel wichtiger ist jedoch eine holistische Nachhaltigkeitsstrategie. Bei Telefónica Deutschland haben wir beispielsweise einen Responsible Businessplan 2020 verabschiedet, der für den Zeitraum von fünf Jahren das zentrale Steuerungstool unserer Nachhaltigkeitsaktivitäten ist. Das heißt, Nachhaltigkeitsziele – und das schließt natürlich auch unsere Aktivitäten rund um die Themen Klima- und Umweltschutz ein – sind entlang der gesamten Wertschöpfungskette unseres Unternehmens und über alle Bereiche hinweg verbindlich als Unternehmensziele vereinbart. Damit haben wir das Thema Nachhaltigkeit in der DNA von Telefónica fest verankert.
Welche Inhalte hat der Responsible Businessplan?
Wir gehen beispielsweise jedes Jahr neue Verpflichtungen für den Klima- und Ressourcenschutz ein und lassen diese auch von externen und unabhängigen Spezialisten prüfen. Unser selbstgestecktes Ziel, den Energieverbrauch pro Datenvolumen bis 2020 gegenüber 2015 um 40 Prozent zu reduzieren, also die Energieeffizienz des Mobilfunks stetig zu erhöhen, konnten wir bereits ein Jahr vorher erfüllen und sogar übertreffen. Ein anderes Beispiel: Telefónica Deutschland setzt seit 2016 komplett auf erneuerbare Energien und nutzt zu 100 Prozent Strom aus erneuerbaren Energiequellen. Wir unterstreichen im Responsible Businessplan unser Engagement unter anderem auch dadurch, dass mit dem Kohlendioxid (CO2)-Index erstmals eine nicht-finanzielle Kennzahl für Führungskräfte unmittelbar bonusrelevant ist. Damit haben wir das Thema ganz bewusst ans Management-Team adressiert. Wir wollen ein entsprechendes Bewusstsein dafür schaffen. Ich denke, das verdeutlicht sehr gut, mit welcher Verbindlichkeit und welchem Nachdruck wir unsere Ziele verfolgen.
Welche Punkte realisiert Telefónica konkret, um diese Ziele zu erreichen?
Es gibt nicht die eine entscheidende Maßnahme, sondern viele unterschiedliche Elemente, die wir uns immer wieder konkret ansehen und an denen wir ansetzten. Es geht zum Beispiel konkret um Ressourcen, denn das Klima zu schützen heißt auch, Ressourcen zu schonen. So recyceln wir seit dem Jahr 2000 alte Handys. Allein in Deutschland liegen rund 124 Millionen Mobiltelefone ungenutzt in Schubladen herum. Das ist ein enormer Ressourcenschatz und durch unser Sammelprogramm für Altgeräte wollen wir dabei mithelfen, diesen zu heben. Stellen Sie sich vor, wie sehr es die Ressourcen unseres Planeten schont, wenn wir Bestandteile dieser Geräte – und selbstverständlich auch die aller anderen elektronischen Geräte – konsequent wiederverwenden. Ein anderes Beispiel ist die Reduktion von Plastik. So haben wir den SIM-Karten-Träger minimiert und auf diese Weise 17 Tonnen Plastikmüll eingespart. Wie gesagt, alles kleine Maßnahmen, die in Summe dennoch einen großen Unterschied ausmachen können.
Eine wichtige Säule sind unsere Anstrengungen, den eigenen Energieverbrauch stetig zu reduzieren. Wir nutzen zum Beispiel in unserer Unternehmenszentrale in München, eine Gebäude-Leittechnik, mit der das Belichtungs-System intelligent gesteuert wird und Leuchten nicht unnötig brennen. Daneben haben wir „Desk Sharing" eingeführt. Wir konnten dadurch einen kompletten Standort auflösen und alle Mitarbeiter im Tower unterbringen. 2018 haben wir damit mehr als 6.300 Megawattstunden Energie eingespart. Auch Parkplätze werden geteilt und bei Bedarf per App gebucht. Das schont Ressourcen, weil der Raum genutzt wird und kaum Leerstand herrscht. Am Anfang war es natürlich eine Umstellung, keinen festen Arbeitsplatz mehr zu haben und seine Sachen nicht überall stehen lassen zu können. Letztlich hat sich aber gezeigt, dass es neben den Energieeffekten auch positive Auswirkungen auf das Team Building hat – schon allein dadurch, dass man jeden Tag neben einem anderen Kollegen sitzt, sich besser kennenlernt und austauscht.
Kleine Maßnahmen, können in Summe einen großen Unterschied machen.
Etliche Maßnahmen, die Sie genannt haben, beeinflussen ja auch die Zusammenarbeit der Mitarbeiter von Telefónica. Wie nimmt man die Kollegen mit, wie überzeugt man sie von solchen Konzepten?
Es lässt sich feststellen, dass sich in den vergangenen Jahren der gesellschaftliche Anspruch verändert hat. Das entsprechende Engagement wird von einem Unternehmen unserer Größenordnung erwartet. Und das nicht nur von unseren Mitarbeitern, sondern auch von anderen Stakeholdern. Sehen Sie sich zum Beispiel unsere Investoren an – es gibt eine wachsende Anzahl von Fonds, die Nachhaltigkeit fest in ihre Bewertungskriterien integriert haben. Wir sind ein börsennotiertes Unternehmen und haben ein entsprechendes Interesse daran, auch von dieser Investorengruppe ernstgenommen zu werden.
Gleichzeitig wirkt das Ganze selbstverständlich auch in Richtung Mitarbeiter. Wir glauben daran, dass alle unsere Aktivitäten geeignet sind, die Motivation, den Stolz auf das Unternehmen, zu vergrößern und dadurch unsere Kolleginnen und Kollegen stärker an das Unternehmen zu binden. Das Feedback, das wir hier erhalten, bestätigt dies auch. Darüber hinaus hilft es uns, junge und talentierte Mitarbeiter zu finden, für die dieser Aspekt immer wichtiger wird – Stichwort „Fridays for Future". Ich hatte eingangs den Wettbewerb zwischen Unternehmen erwähnt. Unser Engagement für den Umwelt- und Klimaschutz hilft uns beim Thema Recruiting und unterstützt perspektivisch dabei, junge Menschen als Mitarbeiter für Telefónica zu gewinnen. Wir sehen hier also auch eine enorme wirtschaftliche Relevanz.
Selbstverpflichtung ist also ein wichtiger Beitrag zum Umweltschutz. Gibt es für die Wirtschaft darüber hinaus Möglichkeiten, einen essentiellen Beitrag zu leisten?
Wir setzen in unserer Nachhaltigkeitsstrategie auf Initiativen mit anderen Unternehmen und auf Kooperationen mit öffentlichen Institutionen. Die Bündelung von Kräften entfaltet in der Regel mehr Wirkung. Das gilt ganz Besonders für den Klimaschutz. Wir haben etwa im Oktober mit 14 anderen Münchner Großunternehmen wie Allianz, BMW, MTU und Siemens den Nachfolger des Münchner Klimapakts unterschrieben. Darin verpflichten wir uns gemeinsam, bis 2022 insgesamt mehr als 20.000 Tonnen CO2 im Münchner Stadtgebiet einzusparen. Dabei geht es jedoch nicht nur um die Addition von Klimaschutzmaßnahmen in den einzelnen Unternehmen. Wir werden auch gemeinsame Projekte starten, mit denen zusätzliche CO2-Einsparpotenziale gehoben werden sollen. Und lernen können wir auch voneinander. Deshalb werden wir uns in diesem Kreis laufend über Ideen und Initiativen auf fachlicher Ebene austauschen. Neben unserem Heimatstandort München sind wir auch bundesweit aktiv und Teil der Initiative „Wirtschaft macht Klimaschutz", die sich zum Ziel gesetzt hat, in den kommenden Jahren konkrete Klimaschutzmaßnahmen in deutschen Unternehmen einzuführen.
Sie haben das Stichwort Digitalisierung genannt. Kritiker sagen, die Digitalisierung trägt durch ihren enormen Energieverbrauch dazu bei, dass der Klimawandel weiter beschleunigt wird. Wie ist Ihre Haltung dazu?
Unstrittig ist zunächst, dass Digitalisierung Energie benötigt und der Energiebedarf in den kommenden Jahren weiter wächst. Richtig ist aber auch, dass die Digitalisierung viele positive Effekte hat und einen entscheidenden Beitrag zur Ressourcenschonung beitragen kann. Meine persönliche Überzeugung ist, dass die positiven Effekte überwiegen. Ein Beispiel aus unserem Hause, ist die „Smart-Meter"-Technik. Das heißt, unsere Mobilfunkstationen sind mit intelligenter Technik ausgestattet, die miteinander kommuniziert. Dadurch lässt sich unser Netzwerk intelligent steuern, die Energie kann effizienter genutzt und der Verbrauch entsprechend gesenkt werden.
Unstrittig ist, dass Digitalisierung Energie benötigt und der Energiebedarf in den kommenden Jahren weiter wächst.
Daneben unterstützen wir mit unserem Know-how und mit den Möglichkeiten, die wir als digitales Unternehmen haben, unsere Partner beim Klima- und Umweltschutz. Wir ermöglichen etwa Städten durch die Untersuchung von Verkehrsdatenströmen, die auf Basis anonymisierter Daten aus unserem Mobilfunknetz gewonnen werden, ihren Verkehr optimal zu regeln und Staus zu vermeiden. Eine andere An- wendung solcher Analysen ist die Erhöhung der Attraktivität des öffentlichen Personennahverkehrs und damit der Reduktion des Autoverkehrs in Ballungszentren. Telefónica ist an einem Pilotprojekt beteiligt, das das Mobilitätsverhalten der Fahrgäste erforscht. Die Information, ob Menschen für eine bestimmte Strecke lieber die Bahn nehmen oder den Bus, hilft dabei, Ressourcen besser planen und effizienter einsetzen zu können oder das Angebot für Fahrgäste passgenauer und attraktiver zu gestalten.
Bei der Frage ist mir aber noch ein anderer Aspekt wichtig. Der Energiehunger der Digitalisierung ist ein vergleichsweise neues Thema. Daten sind zwar virtuell. Ihr Effekt auf das Klima ist jedoch sehr real. Das heißt, beim Thema Digitalisierung trägt jeder von uns Verantwortung, ähnlich wie beim Fliegen. Dafür wollen wir unsere Kunden sensibilisieren. Daher ist es unser Ziel, dass Telefónica als Unternehmen mit gutem Beispiel voran geht, die positiven Möglichkeiten der Digitalisierung vorantreibt und sie so mitgestaltet, dass sie dem Menschen auf eine nachhaltige Art und Weise dient.
Valentina Daiber ist Vorstand Recht & Corporate Affairs der Telefónica Deutschland. In dieser Funktion verantwortet sie die Bereiche Recht, Compliance, Corporate Security und Datenschutz, sowie die Regulierungsarbeit des Unternehmens, die Beziehungen zu Behörden und Regierungsstellen, die Public Relations und den Bereich Corporate Responsibility.
Dieser Artikel ist in forum 04/2019 - Food for Future erschienen.
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