Echtes Fleisch

Aus dem Labor – konkurrenzfähig dank Biotechnologie?

Richtiges Fleisch, das genauso schmeckt und sich anfühlt wie gewohnt, ohne dass dafür Tiere gehalten oder geschlachtet werden. Was vor wenigen Jahren noch eine ferne Utopie war, wird zunehmend konkreter. Weltweit arbeiten zahlreiche Unternehmen daran, Fleisch in Zellkultur zu erzeugen. Schon bald sollen erste Produkte auf den Markt kommen. Die anfangs astronomischen Preise sinken drastisch – dank moderner Biotechnologie.
 
Der erste Rindfleisch-Burger, der „im Labor" aus sich vermehrenden Muskelzellen herangewachsen war, kostete noch 300.000 Dollar. Mark Post, Physiologie-Professor an der Universität Maastricht, hatte über Jahre daran gearbeitet. Als er ihn 2013 öffentlich verkosten ließ, wollte Post auf großer Bühne zeigen, dass sich „echtes", schmackhaftes Fleisch in Zellkulturen erzeugen lässt, ohne dass dafür Tiere gehalten und geschlachtet werden müssen.

Immer mehr Akteure drängen auf den Markt
Mark Post, Professor an der Universtät Maastricht und Gründer von Mosameat präsentierte 2013 den ersten Hamburger aus Fleisch, das in Zellkulturen 'vermehrt' worden war. Im Labor wächst dabei Muskelgewebe aus Stammzellen heran – so wie 'normales' Fleisch, jedoch ohne Tiere. © Mosa Meat
Inzwischen ist der Preis für einen In-vitro-„Viertelpfünder" drastisch gesunken. Und schon bald, so hat es Mosameat, das von Post gegründete Unternehmen, angekündigt, soll der „tierfreie" Burger auch preislich mit den herkömmlichen Fleischklopsen mithalten können.
 
Doch Post ist mit seiner Idee längst nicht mehr allein. Weltweit ist ein heftiger Konkurrenzkampf entbrannt, wer als erster mit attraktiven Fleischprodukten aus Zellkulturen auf den Markt kommt. Viele große internationale Konzerne aus der Fleisch- und Lebensmittelbranche haben vielversprechende Start-ups aus den USA oder Israel übernommen, auch Bill Gates, Sergey Brin, Mit-Begründer von Google, und der britische Milliardär Richard Bronson (Virgin) sind mit viel Geld dabei. Nach einem Bericht der Washington Post entwickeln allein in den USA neun Unternehmen „tierfreie" Fleisch- oder Fischprodukte aus Zellkulturen, weltweit sind es 26, dazu eine unbekannte Anzahl in China.

Nicht nur Rindfleisch, auch Geflügel und Fisch soll es bald „tierfrei" geben
So sind etwa der US-amerikanische Agrarmulti Cargill und der Fleisch-Gigant Tyson Foods an Memphis Meat beteiligt, das schon bald mit Rindfleischbällchen, Fried Chicken und Ente in gehobene Supermärkte und trendige Fast Food-Restaurants will – alles erzeugt „ohne Tiere", „hygienisch, lecker und gesund". Auch Nestlé und Unilever wollen den Trend nicht verpassen, die deutsche PHW-Gruppe (Wiesenhof) hat sich beim israelischen Start-up Supermeat eingekauft. Und es bleibt nicht bei Rind und Geflügel: FinlessFoods will Fisch nachhaltig in Zellkulturen erzeugen. Als erstes soll roter Thunfisch auf den Markt kommen, dessen natürliche Bestände überfischt und gefährdet sind.
 
Vollkommen frei von tierischen Produkten – nicht ganz
Im Kern nutzen alle die gleiche Technologie: Mittels Biopsie werden aus Tieren geeignete Zellen entnommen, die sich dann in Zellkultur immer wieder teilen und so vermehren. Bei Fleisch sind es Muskelzellen, die zu größeren Gewebestücken heranwachsen, ganz ähnlich wie im natürlichen Tier. Das Problem ist die Versorgung dieser Zellkulturen mit dem, was sie zu einer ständigen Vermehrung benötigen: Nährstoffe, Wachstumsfaktoren, Hormone – ein komplexes Gemisch aus verschiedenen Stoffen.

Keines der Start-ups hat es bisher geschafft, dabei ohne tierisches Serum auszukommen, vor allem fötales Rinderserum (FBS) aus dem Blut ungeborener Kälber. Dieser Cocktail aus Proteinen ist der „Schlüssel", um Fleisch in Zellkulturen heranwachsen zu lassen. Ein „wunderbarer Saft, mit dem wir fast alles machen können", schwärmt ein Entwickler, doch er ist nicht nur extrem teuer, sondern mit dem Clean Meat-Image kaum vereinbar. Allein für einen Beef Burger, so Mark Post gegenüber WIRED, werden insgesamt etwa 50 Liter Serum benötigt. Dabei ist fötales Serum der wichtigste Bestandteil. Doch Fleisch aus Zellkulturen wird nur akzeptiert, wenn es gelingt, alternative „tierfreie" Seren zu entwickeln. Ohne sie ist eine Massenproduktion undenkbar.

Die Lösung liegt in der Biotechnologie
So lecker und appetitlich wie richtiges Fleisch: Hamburger aus Zellkultur-Fleisch sollen eingeschworene Fleischesser von der 'tierfreien' Alternative überzeugen. © Mosa Meat
Alle Clean Meat-Unternehmen arbeiten mit Hochdruck daran. Man hat inzwischen in Pflanzen Wachstumsfaktoren und Proteine entdeckt, welche permanent die Teilung der kultivierten Muskelzellen anregen. Auch in Algen, Pilzen oder tierischen Extrakten wurden die Wissenschaftler fündig. Meist sind die natürlichen Konzentrationen jedoch extrem gering. Der Weg, „um solche Stoffe in großen Mengen und zu bezahlbaren Kosten herzustellen, ist die Biotechnologie", so Post. Zwar verraten die meisten Unternehmen die Rezepte für die von ihnen verwendeten Seren nicht. Doch vermutlich werden es schon bald Hefen oder Mikroorganismen sein, in die entsprechende Synthesewege gentechnisch eingebaut wurden, um die Seren für veganes Fleisch zu gewinnen.
 
Vegan und GMO-free sollen die trendigen Fleisch-Alternativen sein, doch um zu erschwinglichen Preisen und tatsächlich frei von tierischen Produkten produzieren zu können, ist die moderne Biotechnologie unverzichtbar. Ohne Gentechnik und synthetische Biologie wird es kaum gelingen, die seltenen pflanzlichen Alternativen zu den tierischen Seren in den für einen Massenmarkt erforderlichen Mengen zu erzeugen. Andere für das Zellwachstum notwendige Nährstoffe, etwa Vitamine oder Aminosäuren, werden schon heute mit Hilfe von gentechnisch veränderten Mikroorganismen gewonnen.
 
Preis und Geschmack müssen überzeugen
Der Schlüssel zu einem Markterfolg für Fleisch aus Zellkultur ist in erster Linie der Preis. Sinkt er weiter, könnte Laborfleisch zu einer echten Konkurrenz für die landwirtschaftliche Fleischproduktion werden. Während Fleischimitate auf pflanzlicher Basis in erster Linie Vegetarier ansprechen, zielen Zellkultur-Produkte auf die überzeugten Fleischesser. Wenn Geschmack, Aussehen und Textur sich nicht von traditionellem Fleisch unterscheiden und auch der Preis stimmt, könnten sie auf längere Sicht die globale Ernährung revolutionieren, meint Kristopher Gasteratos von der Cellular Agriculture Society. Er rechnet damit, dass Zellkultur-Fleisch Mitte des Jahrhunderts die Hälfte des globalen Fleischverzehrs abdecken wird.
 
Der Konkurrenzkampf ist eröffnet. Doch was darf in Zukunft noch „Fleisch" genannt werden? Die traditionellen Tierhalter reklamieren den Begriff für sich. Sie verlangen, dass „Wurst", „Hamburger", „Hackfleisch" oder „Steak" ausschließlich den tierischen Originalen vorbehalten sein sollen. 

 
Ein Beitrag von Forum Bio- und Gentechnologie
 
Die Internet-Platform transGen
wird vom „Forum Bio- und Gentechnologie – Verein zur Förderung der gesellschaftlichen Diskussionskultur e.V." herausgegeben. Sie dokumentiert den weltweiten Stand der „Grünen Gentechnik", etwa die Anwendung gentechnischer Verfahren in der Pflanzenforschung, die Nutzung gentechnisch veränderter Organismen in der Landwirtschaft sowie Fragen des rechtlichen und politischen Umgangs mit dieser Technologie, vor allem in Europa. Ein weiterer thematischer Schwerpunkt sind neue molekularbiologische Züchtungstechniken, insbesondere „Genome Editing". Mit ihren Berichten und der umfassenden Datenbank möchte transGen für mehr Transparenz bei der Anwendung der Gentechnik in der Lebensmittelwirtschaft sorgen.

Dieser Artikel ist in forum 04/2019 - Food for Future erschienen.



     
        
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