Stefan Roithmeier
Lifestyle | Geld & Investment, 01.09.2019
Intelligent investieren
In Zeiten des Klimawandels
September 2019, Klimagipfel New York: Die globalen Treibhausgasemissionen sind weiter gestiegen, die Weltgemeinschaft verfehlt krachend die Klimaziele des Paris Abkommens. Bürger, aber vor allem Unter- nehmen aller Branchen, müssen nun schleunigst ihre Emissionen reduzieren. Der Finanzsektor kann hierbei eine Schlüsselrolle einnehmen. forum berichtet über die Suche nach der nachhaltigen Stecknadel im Heuhaufen der Investitionsmöglichkeiten.
Anleger fragen bei ihren Investitionsentscheidungen immer häufiger nach der Klimarelevanz und der Nachhaltigkeit von Unternehmen. Hier sind die Portfoliomanager gefragt. Um Unternehmen als nachhaltige Anlagemöglichkeit zu identifizieren, greifen die Portfoliomanager auf verschiedene Ansätze zurück. Bei der Vielzahl an Methoden ist es für sie jedoch oft schwer, diese zu vergleichen und zu durchschauen. Für Unternehmen besteht zudem bei einigen Ansätzen die Möglichkeit, Ergebnisse zu manipulieren. Um hier transparente und vergleichbare Voraussetzungen zu schaffen, ergreift die EU zunehmend die Initiative: Eine Expertengruppe der EU arbeitet aktuell an einer EU-Taxonomie, die definieren soll, welche Aktivitäten als ökologisch nachhaltig gelten. EU-Parlament und Europäischer Rat konnten sich bereits auf die Schaffung einiger Standards einigen. Solange es jedoch keine gesetzlich verpflichtenden Regelungen gibt, werden weitgehend unregulierte Ansätze für die Bewertung der Nachhaltigkeit verwendet.
Spieglein, Spieglein an der Wand...
Der verbreitetste Ansatz zur Messung des CO2-Fußabdrucks, ist das sogenannte Carbon Accounting, welches die Treibhausgasemissionen von Unternehmen quantifiziert. Hierbei werden Emissionen in drei Kategorien eingeteilt: Scope 1 umfasst Emissionen, die im Unternehmen direkt entstehen, etwa durch fossile Brennstoffe, selbsterzeugten Strom oder durch den eigenen Fuhrpark. Als Scope 2 werden indirekte Emissionen aus dem Verbrauch von Sekundärenergieträgern bezeichnet, die vom Unternehmen erworben und innerhalb der Organisation verwendet werden (z.B. Strom, Fernwärme-/kälte etc.). Etwas weiter gefasst ist Scope 3. Hierbei werden Emissionen entlang der gesamten Wertschöpfungskette erfasst. Dabei handelt es sich um Emissionen, die bei der Produktion von Gütern bei Zulieferern, sowie bei der Nutzung der Produkte während der voraussichtlichen Lebenszeit anfallen.
Weil viele Zahlen jedoch kaum zu konkretisieren sind, rechnen Konzerne oft mit Modellen. Je mehr Kategorien bei der Berechnung miteinbezogen werden, umso höher ist der Wert. Wie schwer vergleichbar Aussagen zu Scope 3 sind, zeigt das Beispiel des Automobilzulieferers Continental. 2017 wies das Unternehmen 12 Millionen Tonnen CO2-Emissionen in seinem Nachhaltigkeitsbericht aus, 2018 bereits 112 Millionen Tonnen. Der Grund dafür sind nicht massiv gestiegene Treibhausgasemissionen, sondern die Einbeziehung zusätzlicher Faktoren.
... wer ist der Klimafreundlichste im Land?
Bei der Messung des CO2-Fußabdrucks ist es entscheidend, Unternehmen vollständig und branchenbezogen zu analysieren. Die gegenwärtig noch unzureichende Verfügbarkeit der Scope-3-Daten führt daher in vielen Fällen zu ungerechten Bewertungen. Ein Vergleich von Apple und Samsung zeigt das beispielhaft: Während Apple seine Produktion weitgehend ausgelagert hat, produziert Samsung überwiegend selbst. Vergleicht man lediglich die Werte von Scope 1 und 2, so weist Apple deutlich weniger Emissionen und damit eine bessere Nachhaltigkeitsbewertung auf. Zieht man jedoch Scope 3 heran, stehen beide ähnlich gut da. Ein Unternehmen kann also seine Treibhausgasbilanz bewusst verbessern, indem es emissionsintensive Produktionsschritte an Zulieferer auslagert.
Eine sinnvolle Ergänzung zu den Scope-Kategorien ist die Normierung und Relativierung der Emissionen mittels Unternehmenskennzahlen. Diese Variante nennt man Carbon Intensity. Dabei werden Finanzkennzahlen wie der Börsenwert oder der Umsatz verwendet, um den Fußabdruck zu normieren. Dies verhindert, dass Unternehmen mit hohen Absatzzahlen eine automatisch schlechtere Bewertung erhalten. Volkswagen würde sonst bereits wegen seiner hohen Verkaufszahlen schlechter bewertet werden als Konkurrenzunternehmen, die weniger Fahrzeuge verkaufen. Doch auch bei Carbon Intensity gibt es Fallstricke. Premiumhersteller weisen oft sehr viel höhere Börsenwerte im Verhältnis zu ihrem Absatz auf, was zu einer nur scheinbar guten Klimabilanz führt. Eine Berücksichtigung von schwer zu manipulierenden Kennzahlen wie Bilanzsumme oder Umsatz verhindert dabei Verzerrungen.
Vom CO2-Fußabdruck über die Carbon Intensity zum Climate Score
Eine weitere Fehlerquelle bei der Bewertung von Nachhaltigkeit ist die Tatsache, dass Emissionen zwischen den Branchenerheblich schwanken. Vergleicht man Unternehmen aus emissionsintensiven Industrien wie der Zementindustrie etwa mit Firmen aus der Telekommunikationsbranche, werden erstere generell benachteiligt. Somit ist es entscheidend, die Titel auf Branchenebene individuell zu bewerten, um nicht einen nachhaltig handelnden Versorger zu bestrafen, nur weil er sich in einer generell emissionsintensiven Branche befindet.
Um solchen Verzerrungen vorzubeugen, wurden sogenannte Climate Scores entwickelt. Dieser Ansatz, der auf vielfältigen Daten aufbaut, beinhaltet hunderte Informationen zur Bewertung der ökologischen Nachhaltigkeit eines Unternehmens. Neben Treibhausgasemissionen oder Maßnahmen zur Vermeidung des Klimawandels werden auch Daten zum Klimamanagement und zur Umweltberichterstattung berücksichtigt. Die Scores werden nach dem Best-in-Class-Verfahren bewertet, das die Leistungen zum Umweltschutz von Unternehmen aus derselben Branche vergleicht.
Ein Vergleich der genannten Bewertungsmethoden zeigt sehr unterschiedliche Resultate. Wendet man für DAX-Unternehmen CO2-Fußabdruck, Carbon Intensity und Climate Scores an und vergleicht die Rankings, ergibt sich folgendes Bild:

Auffällig ist hierbei, dass die Deutsche Börse aufgrund ihrer niedrigen totalen Emissionen sowohl beim Carbon-Accounting- als auch beim Carbon-Intensity-Ansatz sehr gute Werte erzielt. Bei der Bewertung der ökologischen Nachhaltigkeit anhand Climate Scores schneiden andere Unternehmen jedoch besser ab, und die Deutsche Börse landet nur auf Platz 18, da sie im Vergleich zu anderen Börsenbetreibern nur durchschnittliche ökologische Kennzahlen erzielt.
BMW hingegen hat als Automobilhersteller branchenbedingt hohe Emissionen. Beim Vergleich der CO2-Fußabdrücke erzielt das Unternehmen den 13. Platz. Die Carbon Intensity, also die Emissionen in Relation zum Umsatz, lässt BMW im Ranking auf Platz 8 aufsteigen. Betrachtet man die Climate Scores, führt BMW das Ranking sogar an. In die Berechnung fließt hier beispielsweise die verbesserte Energieeffizienz der von BMW produzierten Fahrzeuge ein. Fehlende Berichterstattungen zu den Emissionen und Nachhaltigkeitszielen dagegen führen zu schlechten Climate Scores bei Wirecard, das bei den ersten beiden Methoden gar nicht bewertet werden konnte, da vom Zahlungsdienstleister keine Daten veröffentlicht werden.
Fazit
Aufgrund der sehr unterschiedlichen Ergebnisse der jeweiligen Methoden, empfiehlt es sich für den institutionellen Investor, Kennzahlen zu kombinieren und die Unternehmen möglichst vollständig zu analysieren. Eine reine Aufsummierung der Emissionen zu einem Gesamtwert ist wenig sinnvoll. Deshalb ist es wichtig, alle vorhandenen Informationen zu Emissionen und Klimaschutzmaßnahmen einzubeziehen und die Unternehmen branchen- und größenabhängig zu vergleichen. Nur auf diese Weise kann ein nachhaltiges und diverses Portfolio zusammengestellt werden.
Stephan Roithmeier untersuchte nach seinem Studium der Volkswirtschaftslehre für das Bundes-Forschungsministerium Werttreiber für den Unternehmenserfolg. Seit 2008 arbeitet er beim Münchner Researchunternehmen The Value Group GmbH und ist dort für die Entwicklung innovativer Investmentprodukte und die Bewertung unternehmerischer Nachhaltigkeit verantwortlich.
Dieser Artikel ist in forum Nachhaltig Wirtschaften 03/2019 - Social Business beseitigt Plastik-Müll und schafft neue Jobs erschienen.
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