Kaufanreize für Pkw? Nur ökologisch anspruchsvoll!
Das Öko-Institut hat in einem Diskussionspapier Chancen und Risiken von Kaufanreizen und der Abwrackprämie betrachtet
Beim "Autogipfel" diskutieren Bundesregierung und Autohersteller über Konjunkturmaßnahmen für die Automobilindustrie. Im Gespräch sind verschiedene Anreizprogramme für den Kauf von Fahrzeugen, darunter die Abwrackprämie. Das Öko-Institut hat in einem Diskussionspapier Chancen und Risiken von Kaufanreizen und der Abwrackprämie betrachtet sowie Leitplanken für ihre ökologische Ausrichtung formuliert. Das Papier entstand im Rahmen eines von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) geförderten Projektes zur Analyse möglicher Elemente eines Konjunkturpaketes.
Für effektiven und sozial verträglichen Klimaschutz im Verkehr gibt es aus Sicht des Öko-Instituts deutlich besser geeignete Handlungsoptionen als Kaufanreize für Pkw. Wenn diese aus industriepolitischen Gründen beschlossen werden, dann müssen sie ökologischen und sozialen Minimalanforderungen genügen.
Eine mögliche Option: Die realen CO2-Emissionen während der Nutzung im Straßenbetrieb des Neufahrzeugs müssen mindestens 30 Prozent unter denen des Altfahrzeugs liegen. Dies würde besonders klimaschädliche Fahrzeuge aus dem Verkehr ziehen und die Neuanschaffung von E-Autos fördern. Alternativ könnte die Kaufprämie für Elektroautos je nach Listenpreis des Fahrzeugs angehoben werden. Auch das würde die Hürde der hohen Anfangsinvestitionen für die E-Autos senken.
Nachteile sozialverträglich ausgleichen
"Diese Optionen haben immer auch Nachteile, etwa dass mit den effizienteren Fahrzeugen mehr gefahren wird", gibt Ruth Blanck, Senior Researcher im Institutsbereich Ressourcen & Mobilität zu Bedenken. "Deshalb müssen sie in ein Gesamtkonzept für die Verkehrswende eingebettet werden."
Auch ist zu beachten, dass Pkw-Kaufanreize diejenigen benachteiligen, die keinen Pkw nutzen oder die sich den Kauf eines neuen Pkw nicht leisten können. Für den sozialen Ausgleich müsste im Falle einer Einführung eines Kaufzuschusses dieser verbindlich mit einer Gegenfinanzierung spätestens nach Ende der Corona-Pandemie innerhalb der Gruppe der Pkw-Nutzer verbunden werden. Das könnte etwa ein "Malus" für hoch emittierende Verbrenner, etwa über einen Aufschlag auf die Kfz-Steuer, ab 2021 oder 2022 sein oder bereits kurzfristig eine Erhöhung der Energiesteuer vor dem Hintergrund der gefallenen Kraftstoffpreise.
DBU-Generalsekretär Alexander Bonde ergänzt: "Konjunkturhilfen können die Wirtschaft sehr unterschiedlich und vielschichtig stimulieren. Aber sie dürfen keine neuen Umweltprobleme schaffen, sondern müssen ökologische Entlastung bringen. Zentral wichtig bleibt, dass bei allen Anreizmodellen der gesamte Lebenszyklus eines Produktes berücksichtigt wird und Konjunkturanreizpakete ökologisch und sozialverträglich ausgestaltet werden."
Wie wirkt die Abwrackprämie auf CO2-Emissionen?
Ob die CO2-Emissionen durch eine Abwrackprämie sinken, hängt von der Differenz der Emissionen von Neu- und Altfahrzeug im Betrieb sowie von der Herstellung des Neufahrzeuges ab. Weiterhin ist entscheidend, um wie viele Jahre bzw. wie viele Kilometer die Neuanschaffung vorgezogen wird.
Ein Beispiel: Beim Ersatz eines Fahrzeugs aus der Kompaktklasse, das 12.000 Kilometer pro Jahr gefahren wird, entsteht eine Treibhausgasminderung erst dann, wenn der Kraftstoffverbrauch des Neufahrzeugs mindestens 30 Prozent unter dem des Altfahrzeugs liegt. Erreicht das Neufahrzeug diese Differenz nicht, verursacht die Abwrackprämie sogar zusätzliche Treibhausgasemissionen.
Gesamtkonzept für die nachhaltige Verkehrswende
Bislang hat der Verkehr zum Klimaschutz in Deutschland keinen Beitrag geleistet: Seine Emissionen waren 2019 genauso hoch wie 1990. Laut Klimaschutzgesetz sollen die CO2-Emissionen des Verkehrs bis zum Jahr 2030 um 42 Prozent auf 95 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente (Mio. t CO2e) sinken. Das ist mit den bisher beschlossenen Politikinstrumenten nicht zu schaffen: Ein Gutachten des Öko-Instituts zeigt, dass eine Lücke von über 30 Mio. t CO2 mit zusätzlichen Maßnahmen zu schließen ist.
Deshalb müssen aus Sicht des Öko-Instituts diese oder weitere Konjunkturmaßnahmen in ein Gesamtkonzept für eine nachhaltige Verkehrswende integriert werden: "Dabei müssen gleichzeitig Investitionen in den öffentlichen Verkehr sowie den Rad- und Fußverkehr fließen", fordert Blanck. "Dabei geht es um die Infrastrukturentwicklung ebenso wie um Personal und Planung sowie um den Aufbau zusätzlicher Ladeinfrastruktur für die Elektromobilität."
Das Öko-Institut ist eines der europaweit führenden, unabhängigen Forschungs- und Beratungsinstitute für eine nachhaltige Zukunft. Seit der Gründung im Jahr 1977 erarbeitet das Institut Grundlagen und Strategien, wie die Vision einer nachhaltigen Entwicklung global, national und lokal umgesetzt werden kann. Das Institut ist an den Standorten Freiburg, Darmstadt und Berlin vertreten.
Technik | Mobilität & Transport, 04.05.2020
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