Lifestyle | Essen & Trinken, 06.03.2020
Klimaschutz in der Küche
Forschungsprojekt lotet Einsparpotenzial bei Treibhausgas-Emissionen aus
Millionen Kantinen- und Schulessen werden täglich aufgetischt, und mit dem Ausbau der Ganztagsschulen werden es immer mehr. Schulküchen und andere Kantinen könnten aber einen erheblichen Anteil klimarelevanter Emissionen vermeiden
Den Wenigsten ist bewusst, dass unsere Ernährung einen erheblichen Beitrag zu den Treibhausgas-Emissionen leistet: Mehr als 13 Prozent aller Treibhausgase (umgerechnet in CO2) beruhen auf unserer Ernährung, so das Umweltbundesamt. Das Forschungsprojekt „KEEKS – Klimafreundliche Schulküchen" hat sich des Themas angenommen und bringt erstaunliche Ergebnisse zu Tage: Obwohl eine Schulmahlzeit nur 300 g wiegt, ist ein Essen in der Schule durchschnittlich mit rund 1.000 g Treibhausgasen aus Landwirtschaft, Verarbeitung und Zubereitung verbunden. Dazu zählen Methan aus der Verdauung von Rindern, Lachgas aus der Düngung oder das Kohlendioxid aus Dieselabgasen der Mähdrescher. Hierzu gehören auch Treibhausgase (THG) aus veränderter Landnutzung, wenn zum Beispiel Tropenwald für die Fleischproduktion gerodet wird. Das Forschungsprojekt hat 19 Maßnahmen identifiziert, mit denen engagierte Küchen ihre THG-Emissionen um über 40 Prozent senken könnten.
Maßvoll essen wie früher
Eine Reduktion des Fleischverzehrs hilft zweifellos dem Klima, denn die in Deutschland verbrauchten tierischen Lebensmittel verursachen fünf Mal so viele klimarelevante Emissionen, wie die pflanzlichen. Dabei müssen jedoch nicht gleich alle zu Vegetariern oder Veganern werden. Ein maßvoller Konsum von Tierprodukten auf dem Niveau unserer Urgroßeltern zu Beginn des 20. Jahrhunderts würde die Klimalasten unserer Ernährung bereits deutlich verringern. Wenn hiermit gleichzeitig ein Wandel hin zu einer stärkeren Wertschätzung von Lebensmitteln und geringeren Lebensmittelabfällen einhergeht, ist noch mehr getan.
Regionales Gemüse aus Treibhäusern: suboptimal
Wichtig ist bei vielen Lebensmitteln auch, WO und WANN sie produziert wurden. So hat die importierte Spaghettisauce aus spanischen Freilandtomaten eine deutlich bessere Klimabilanz als die in Deutschland produzierte, bei der die Tomaten aus beheizten Treibhäusern der Region stammen. Weitere Möglichkeiten stecken zum Beispiel in der Optimierung der Lieferketten. Im besten Fall werden die besonders energieintensiven Tiefkühl-Kapazitäten eingespart und frische Zutaten dahin gebracht, wo sie gerade benötigt werden. Der ungebrochene Trend zur Außer-Haus-Verpflegung nimmt einerseits den EndverbraucherInnen ein Stück weit die Kontrolle über ihr Essen. Andererseits entstehen so Effizienzpotenziale und die Möglichkeit, Küchenpersonal zu befähigen, gesundes Essen klimafreundlich und nachhaltig zuzubereiten.
Schulkinder im Fokus des Projektes – 19 klimarelevante Maßnahmen ermittelt
Das KEEKS-Projekt versucht, hier einen Anfang zu machen und widmet sich vorausschauend den Essern von Morgen: unseren Schulkindern. Die an KEEKS beteiligten WissenschaftlerInnen untersuchten typische Schulküchen, in denen täglich frisch gekocht wird, um zu ermitteln, welche Maßnahmen hier mit möglichst geringem Aufwand die größten Potenziale für den Klimaschutz in der Ernährung freisetzen können. Ein Katalog von 19 Maßnahmen wurde in einem Praxistest durch genaue Energieverbrauchsmessungen, Dokumentation der Speisepläne und Rezepturen sowie der Küchenorganisation ermittelt.Die sechs wichtigsten Maßnahmen
Die folgende Auswahl von sechs Maßnahmen sollte nach Ansicht der Projektbeteiligten als "Beitrag der Schulen und der Gemeinschaftsverpflegung” in eine nachhaltige und klimafreundliche Ernährungswende eingebracht werden:
Variation der Zutaten
1. Einhalten des Qualitätsstandards der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) von maximal zwei Fleischgerichten pro Woche
2. gleichzeitig sollte der Fleischanteil in den fleischhaltigen Gerichten reduziert werden, wobei im Gegenzug der Proteingehalt durch eiweißreiches Gemüse und weitere pflanzliche Alternativen erhöht werden kann
Küchentechnik
3. Ersatz zu groß dimensionierter Konvektomaten (Aufwärm-Geräte), energiefressender Kühlgeräte und anderer Kochgeräte
4. energiesparende Nutzung der Spülmaschinen
Organisatorische Maßnahmen
5. kurzfristige Möglichkeit zur Ab- und Nachbestellung von Mittagessen mit individueller Menügröße und pädagogische Essensbegleitung in der Grundschule
6. pädagogische Einbindung des Themas Nachhaltige Ernährung
Vorteile der 19 Maßnahmen
Der Praxistest hat deutlich gezeigt, dass Großküchen viele Handlungsoptionen haben, um einen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten. Das Besondere an allen identifizierten Maßnahmen ist, dass sie keine negativen Auswirkungen haben:- Alle 19 Maßnahmen zusammen führen zu Kosteneinsparungen – im Gegenzug kann mehr Geld aufgewendet werden für eine höhere Qualität der Produkte wie z. B. Biokost.
- Eine Reduktion des Fleischanteils hat keine negativen gesundheitlichen Auswirkungen, im Gegenteil, wir essen eher zu viel Fleisch. Der Verzicht auf Rindfleisch leistet einen erheblichen Beitrag zum Klimaschutz.
- Investitionen in effiziente energiesparende Technik amortisieren sich bei allen Küchengeräten in wenigen Jahren durch die eingesparten Energiekosten.
- Eine Reduzierung des Abfalls ermöglicht eine bessere Nutzung der Ackerbauflächen – es steht mehr Essen für alle Menschen weltweit zur Verfügung.
Essen fürs Klima
Die Ergebnisse des Forschungsprojektes gelten für die Gemeinschaftsverpflegung insgesamt und lassen sich auf andere Mensen in Oberschulen und Unis sowie auf Betriebskantinen übertragen. Dort sind die Portionen im Schnitt um 30 bis 50 Prozent größer mit entsprechend höheren klimarelevanten Emissionen und damit Einsparpotenzialen.
Maßnahmen für alle Küchen
Die KEEKS-Ergebnisse und Maßnahmen überschneiden sich mit vielen anderen Projekten und Forderungen einer Ernährungswende was Bioqualität, Regionalität, Tierwohl und insbesondere die Verringerung der Essensabfälle und Reduktion des Fleischanteils betrifft. Durch letztere Maßnahmen wird Schulessen günstiger und eine durchgängige Bioschulverpflegung finanzierbar.
Das KEEKS-Projekt wurde 2018 vom UN-Klimaschutzsekretariat UNFCCC als „Momentum for Change" Leuchtturmprojekt in der Kategorie „Planetary Health" ausgezeichnet. Das Bundesumweltministerium förderte das KEEKS-Projekt, sechs Forschungs- und Praxispartner waren daran beteiligt. Hilfreiche Poster, Videos, einen Kantinen-Leitfaden mit allen 19 Maßnahmen und vieles mehr finden Sie in der Mediathek der Projektwebsite. www.keeks-projekt.de
Malte Schmidthals, Dr. Michael Scharp und Ralph Eyrich arbeiten am IZT – Institut für Zukunftsstudien und Technologiebewertung.
Dieser Artikel ist in forum 01/2020 - Dabeisein ist alles! erschienen.
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