Jonas Hellmann

Social Plastic

Kann Plastiksammeln Menschen helfen?

Eine Bank, die Plastik nimmt und Geld gibt. Das ist die Kurzfassung von David Katz’ Idee. Im März 2013 gründete er die „Plastic Bank". Das Sozialunternehmen will damit sowohl den Plastikmüll, der jedes Jahr in unsere Meere gelangt, als auch die Armut in Entwicklungsregionen bekämpfen.

Die „Plastic Bank", eine erfolgreiche Initiative aus Kanada, eröffnete ihre erste Filiale in Lima, Peru und setzt auf die Menschen, die weggeworfenes Plastik sammeln. Diese können ihr Sammelgut wie etwa Verpackungen, Flaschen, Kunststoffbehälter und Tüten bei der Plastic Bank eintauschen. Zum Beispiel gegen Strom fürs Handy, gegen Internetnutzung, Brennstoff für den Ofen oder auch gegen Bares. Der Gründer David Katz möchte mit diesem Tausch den Wert des Plastiks stärker ins Bewusstsein rücken. Gleichzeitig bietet das Plastiksammeln Menschen mit einem sehr geringen Lebensstandard eine Perspektive.

Plastik eröffnet Zugang zu Technologie, Strom und Einkommen
In der 'Plastic Bank' kann weggeworfenes Plastik gegen Strom fürs Handy, gegen Internetnutzung, Brennstoff für den Ofen oder auch gegen Bares eingetauscht werden. © Social Plastic Das abgegebene Plastik wird vor Ort zerkleinert, verpackt, abtransportiert und recycelt, zum Beispiel zu Plastikfäden für 3D-Drucker. Apropos 3D-Drucker, diese sollen den Plastiksammlern zukünftig in den kleinen Filialen der Plastic Bank zur Verfügung stehen. Mithilfe des Filaments aus recyceltem Plastik und frei verfügbaren Designs können sich die Menschen vor Ort dringend benötigte Gegenstände selbst ausdrucken. Das erhöht die Motivation, zu sammeln und schafft ein Bewusstsein für den Wert des Materials. Und wenn viele Menschen mit anpacken, so hoffen die Sozialunternehmer, gelangt der Plastikmüll nicht mehr in die Weltmeere, sondern verhilft Menschen zu mehr Einkommen und kreativen Gestaltungsmöglichkeiten.
 
Unternehmen und die Crowd als Partner
Durch das Plastiksammeln wird der Wert des Plastiks stärker ins Bewusstsein gerückt und Menschen mit einem sehr geringen Lebensstandard eine Perspektive geboten. © Social Plastic David Katz’ Plan hat das Zeug zur Revolution und diese ist bitter nötig, denn die Menge an Plastikmüll, die es zu sammeln und verwerten gilt, liegt bei etwa 8 Millionen Tonnen im Jahr. Es gibt also viel zu tun, besonders in Ländern, die keine funktionierende Abfallentsorgung haben. Zusammen mit seinem Geschäftspartner Shaun Frankson expandierte David Katz deshalb bereits 2015 nach Haiti. 2017 ging es dann auf die Philippinen und letztes Jahr wurden Filialen auf Bali eröffnet. Für diese Verbreitung der „Plastic Banks" sind neben dem unermüdlichen Einsatz der Gründer zwei weitere Faktoren entscheidend. Zum einen die Crowd, denn das Projekt bittet in den sozialen Medien um Likes, Mithilfe und finanzielle Unterstützung und bekommt diese auch, zum anderen starke Partner, die das Rezyklat abnehmen, wie etwa die Firma Lush. Die Kosmetikfirma stellt Shampoo-Flaschen aus „Social Plastic" her und war der erste Abnehmer der engagierten Sozialunternehmer.
 
Haiti: Sammler der Initiative reinigen den Strand, geben das Plastik bei der Plastic Bank ab und erhalten hierfür eine Vergütung. Henkel ist Partner des Social Start-ups Plastic Bank und fördert drei Sammelstellen auf Haiti. ALDI Süd unterstützt Sammelstellen auf den Philippinen. © Social plastic
Weitere Rückendeckung kommt von einem deutschen Unternehmen: Henkel kooperiert mit der Plastic Bank, um deren Arbeit in Haiti zu unterstützen. Straßen, Wasserwege und Strände sind dort übersät mit Plastikmüll. Aufgrund der fehlenden Infrastruktur ist es nicht möglich, den Müll ordnungsgemäß zu entsorgen. Stattdessen steigt die Müllmenge täglich und stellt eine ernstzunehmende Gefahr für die Umwelt auf Haiti dar. Im vergangenen Jahr kamen auf der Karibikinsel in drei Plastik Bank- Sammelcentern rund 63 Tonnen Plastikmüll zusammen, die Henkel in 25.000 Flaschen aus „Social Plastic" verwandelt hat. „Die Zusammenarbeit mit Henkel ermöglicht uns, noch mehr Menschen mit unserer Lösung zu erreichen und einen noch größeren, positiven Einfluss auf die Umwelt zu haben", freut sich David Katz. „Gemeinsam können wir die Verschmutzung durch Plastikmüll stoppen – indem wir Abfall zu einer Währung machen und gleichzeitig neue Chancen für Menschen in Armut schaffen." Für die Finanzierung einer Plastic Bank auf den Philippinen konnte Katz übrigens den deutschen Lebensmittelhändler ALDI gewinnen und auch die Drogeriemarktkette dm setzt auf „Social Plastic".
 
Das freut selbst den Papst
Die unermüdliche Aufbauarbeit der Plastiksammler aus Kanada zahlt sich auf alle Fälle aus: Für sein Engagement ist das Sozialunternehmen vor kurzem vom Vatikan geehrt worden. Sein ehrgeiziges Ziel, die Weltmeere vom Plastikmüll zu befreien und die Armut zu beenden, ist zwar noch in weiter Ferne, aber die Aufmerksamkeit für das Unternehmen und seine Projekte wächst täglich und das verspricht weitere Erfolge und Nachahmer.

Weitere Informationenwww.plasticbank.com

Recycling-Vorbild Europa?

Wenn die Berichterstattung suggeriert, dass Plastikmüll nur im globalen Süden ein Problem sei, ist dies weit gefehlt, denn auch in Europa ist das Recycling unterentwickelt.
Ende 2018 lag der Einsatz von Rezyklaten selbst beim Düsseldorfer Henkel-Konzern gerade einmal bei knapp zehn Prozent. Der Konzern will diese Quote zumindest in Europa bis 2025 auf 35 Prozent steigern. Doch damit werden auch in sechs Jahren die Verpackungen noch zu zwei Dritteln aus neuem Kunststoff bestehen.
 
Für eine verbesserte Recyclingquote müssen Verpackungen anders konzipiert werden. Verbundmaterialien und eine Vielzahl unterschiedlicher Plastikarten erschweren jedoch die Wiederverwendung. Bis Ende 2018 waren erst 80 Prozent der Produktverpackungen rein theoretisch entweder recyclebar, wiederverwendbar oder kompostierbar. Bis 2025 sollen alle Verpackungen diese Kriterien erfüllen, um eine wirkliche Kreislaufwirtschaft zu fördern.
 
Pfandsysteme statt Plastikabfall
Am Plastikproblem arbeiten neben Henkel auch Mitbewerber wie Procter & Gamble. „Wir wollen, dass 100 Prozent der Verpackungen bis spätestens 2030 weltweit recyclingfähig sind", kündigte Virginie Hélias, Chief Sustainability Officer von Procter & Gamble, in einem Gespräch am Rande der Sustainable Brands 2019 in Paris an. Doch damit nicht genug, der Konzern stellte in Paris das Konzept wiederbefüllbarer Verpackungen vor und möchte hier gemeinsam mit TerraCycle CEO Tom Szaky und weiteren Industriepartnern das ganz große Ding in Sachen Plastikvermeidung anstoßen.

 
Jonas Hellmann studiert Jura und Politikwissenschaften. Sein besonderes Interesse gilt dem Thema Social Business. Er möchte dabei mitwirken, globale Probleme im regionalen Kontext zu lösen.

Dieser Artikel ist in forum Nachhaltig Wirtschaften 03/2019 - Social Business beseitigt Plastik-Müll und schafft neue Jobs erschienen.



     
        
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