Jana Hoger

Das Leid exotischer Tiere in deutschen Wohnzimmern

Ein artgerechtes Leben in Gefangenschaft?

Schlangen, Spinnen, Skorpione oder Bartagamen – Exotische Tiere sind faszinierend und müssen weder spazieren geführt noch beschäftigt werden. Doch was den Besitzern eine Freude ist, ist nicht an ein Leben mit dem Menschen angepasst. Für alle diese Tiere gilt: Ein artgerechtes Leben ist in Gefangenschaft nicht möglich.
 
Heimisch in Wüsten und Regenwäldern und auch in deutschen Wohnzimmern häufig anzutreffen. Doch selbst große und aufwendig ­gestaltete Terrarien können den natürlichen Bedürfnissen von Reptilien und andere Exoten nicht gerecht werden. © Javier SalgueroBis zu 850.000 exotische Tiere werden dem statistischen Bundesamt zufolge jährlich nach Deutschland importiert. Dabei umfasst diese Zahl lediglich Fälle, die dem Zoll gemeldet wurden – die Dunkelziffer dürfte weitaus höher sein. Ein Großteil der „Exoten", die schließlich in Privathand landen, erkrankt früher oder später aufgrund haltungsbedingter Fehler. Ein Grund dafür ist, dass ihre Lebensbedingungen in Gefangenschaft schlicht unzureichend sind. Manche Tiere möchten beispielsweise graben, klettern oder schwimmen. Selbst die größten Bemühungen, ihren natürlichen Bedürfnissen mit einem aufwendig gestalteten Terrarium gerecht zu werden, reichen in der Regel nicht aus – in der Natur gibt es nun einmal keine Glaswände. Hinzu kommt, dass sich die Tiere schnell bedroht fühlen. Bereits der Blick eines Menschen kann ihnen Unbehagen bereiten. Heben wir sie hoch – etwa bei einem Tierarztbesuch – erhöht sich der Stress immens, da natürliche Feinde sie auf diese Weise überwältigen.
 
Tiere sind kein Deko-Element
Wir müssen erkennen, dass exotische Tiere keine Deko-Elemente sind, sondern empfindsame Lebewesen. Schlangen beispielsweise sind taub, nehmen jedoch selbst geringe Vibrationen wahr. Sie in einem von Menschen bewohnten Raum einzuquartieren, führt unweigerlich zu erheblichem Stress. Auch Schildkröten sind sehr sensibel und sollten nicht in kleine Glaskästen gepfercht werden. Die griechische Landschildkröte etwa legt in der freien Natur täglich zwischen 80 und 400 Metern zurück. Kein Terrarium ist vergleichbar mit natürlichen Revieren von 1,8 Hektar oder mehr. Darüber hinaus reagieren Tiere, die für den deutschen Heimtiermarkt bestimmt sind, mitunter sehr stark auf klimatische Veränderungen. Die meisten Chamäleon-Arten etwa fühlen sich bei Temperaturen zwischen 20 und 30 Grad Celsius wohl, allerdings muss die Temperatur nachts bei vielen Arten stark gesenkt werden. Auch andere „Exoten" haben hohe Anforderungen an ihren Lebensraum. Viele von ihnen zeigen in Gefangenschaft Verhaltensauffälligkeiten und versuchen beispielsweise, die Glaswände hinaufzulaufen. Oftmals sind jedoch Schmerzen, Angst oder Krankheiten nur schwer erkennbar oder das Verhalten wird fehlinterpretiert.
 
Auch für Menschen gefährlich
Exotische Tiere, etwa giftige Spinnen oder Würgeschlangen, können dem Menschen direkt gefährlich werden. Aber es gibt noch andere Gefahren: Zum Beispiel tragen schätzungsweise 90 Prozent der in Gefangenschaft gehaltenen Reptilien Salmonellose-Erreger in sich. Für die Tiere selbst ungefährlich, sind die exotischen Salmonellen für Menschen mögliche Ursache für schwere Erkrankungen und können etwa zu einer Gehirnhautentzündung führen. Die Erreger werden nicht nur über den direkten Kontakt übertragen; eine Infektion ist auch indirekt über Gegenstände möglich.
 
Missstände im „Exotenhandel"
Erst in Massenzuchtanlagen im Ausland 'produziert' und anschließend in Plastikbehälter für den Export verpackt, meist ohne Trinkwasser. Destination: Reptilien- und Terraristikbörsen. Viele überleben nicht einmal den qualvollen Transportweg.Viele „Exoten" werden in Massenzuchtanlagen im Ausland „produziert", bei einigen Tierarten handelt es sich sogar um Wildfänge. Auf dem Weg über die Großhändler in die Geschäfte müssen sie oftmals tagelang ohne Trinkwasser ausharren, erkranken, verletzen sich und werden nicht tierärztlich versorgt. Zahlreiche Tiere sterben bereits während des Transports. Sterberaten von bis zu 70 Prozent sind einkalkuliert. Die überlebenden Tiere sperren Händler häufig – und manchmal sogar über Jahre hinweg – in kleine Plastikboxen. Reptilien und andere Wildtiere stehen in Zoohandlungen, im Internet und selbst in einigen Baumärkten zum Verkauf. Reptilien- und Terraristikbörsen, auf denen regelmäßig Verstöße entdeckt werden, finden in vielen Städten statt. Dort werden die anspruchsvollen Tiere teilweise wie billiger Trödel verramscht. Da der Profit im Vordergrund steht, verkaufen Händler – die zumeist selbst unzureichend über die Bedürfnisse und das Verhalten der angebotenen Tiere informiert sind – die sensiblen Wildtiere auch an Laien. Entsprechend sind die Tierhalter schon kurz nach dem Kauf mit den Tieren überfordert oder unterschätzen den auch technischen und somit finanziellen Aufwand. Da diese Halter nicht fachkundig sind, Symptome nicht oder zu spät erkennen und mitunter keinen spezialisierten Tierarzt in der Nähe haben, sterben viele Tiere frühzeitig. Nicht selten werden exotische Tiere in Privathand jedoch auch ausgesetzt oder in ohnehin bereits überfüllte Tierheime gebracht.
 
Privathaltung muss auslaufen
Einige der hierzulande angebotenen Tiere sind bedroht und in ihren Herkunftsländern streng geschützt. Doch Deutschland ist dahingehend ein nahezu rechtsfreier Raum. Organisationen wie PETA fordern deswegen ein Haltungsverbot von exotischen Tieren in Privathand. Ein Verbot von Exotenbörsen ist aufgrund der mehrfach dokumentierten, massiven Missstände ebenfalls unerlässlich. Hier liegt die Verantwortung vor allem bei den Städten und Kommunen: Passau geht mit gutem Beispiel voran und hat 2016 als erste deutsche Stadt beschlossen, keine Veranstaltungen mehr zuzulassen, auf denen exotische Tiere zur Schau gestellt und verkauft werden.
 
Weitere Informationen finden Sie unter www.peta.de
 
Jana Hoger ist gelernte tiermedizinische Fachangestellte und seit 2017 bei PETA Deutschland e.V. als Fachreferentin für alle Themen rund um tierische Mitbewohner zuständig.

Dieser Artikel ist in forum Nachhaltig Wirtschaften 01/2019 - Time to eat the dog erschienen.



     
        
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