Time to Eat the Dog?

Und nun steht auch noch das Pferd am Pranger…

Mit dem provokanten Buchtitel „Time to Eat the Dog?" sorgten zwei neuseeländische Autoren für Furore. Seitdem gelten Hund und Katze immer wieder als Klimakiller. Nun deckt ein Schweizer Unternehmen die Ökobilanz weiterer Tierarten auf. 
 
Damals: Pferde waren unabdingbar. Äcker wurden urbar gemacht, schwere Lasten gezogen, weite Strecken zurückgelegt, sogar ganze ­Kontinente wurden hoch zu Ross erobert. Heute ist hierzulande das Pferd als Nutztier ein Bild aus längst vergangener Zeit. © Lori Knisely, pixabay.com2009 wurden sie erstmals bilanziert: die Umweltauswirkungen der Heimtierhaltung. In ihrem Buch „Time to Eat the Dog" haben Brenda und Robert Vale berechnet, dass Hund und Katze einen schlimmeren ökologischen Effekt haben als ein Auto. Für umweltbewusste Hunde- und Katzenbesitzer war das eine bittere Erkenntnis. Den eigenen Fleischkonsum kritisch zu hinterfragen, mag ja noch angehen. Doch nun auch noch die Umweltauswirkungen der vorwiegend fleischfressenden Lieblinge und damit ihre Haltung ebenfalls hinterfragen zu müssen, ist nicht angenehm. Nun legte das auf Ökobilanzierungen spezialisierte Schweizer Unternehmen ESU-Services noch eins drauf und untersuchte die Auswirkungen von Tierarten, die bislang noch nicht erfasst worden waren.
 
Zahltag für Pferd und Co.
Die Studie der ESU-Services umfasst nicht nur Futter und Hinterlassenschaften der Haustiere. Auch Behausung, Fahrten zum Tierarzt oder Ähnliches sowie Anschaffungen wurden für die Erhebung miteinbezogen. Um die verschiedenen Faktoren zu messen und zu bewerten, erfasste das Unternehmen die Auswirkungen auf die Umwelt in so genannten Umweltbelastungspunkten. Bekannt als „Methode der ökologischen Knappheit" ermöglicht dieses Verfahren den Vergleich mit beispielsweise dem Auto beziehungsweise dessen Kilometerleistung auf ein Jahr gerechnet.
 
Wie sieht die Bilanz also aus? Unter den Nutztieren ist das Rind der Anführer der Klimasünder. Die bei der Verdauung produzierten Gase Methan und Kohlendioxid sind Treibhausgase, welche sich in der Erdatmosphäre aufstauen und somit zur Erwärmung des Klimas führen.
 
Auf Platz Eins der Haustiere landet das Pferd, das in der Studie die mit Abstand schlechteste Umweltbilanz aufweist. Gemäß der errechneten Umweltbelastungspunkte ist die Haltung eines Pferdes vergleichbar mit einer Autofahrt von 21.500 Kilometern und liegt damit um 40 Prozent höher als die durchschnittliche Nutzung eines Pkws in Deutschland (circa 13.000 Kilometer pro Jahr). Die Hunde-Ökobilanz hingegen entspricht einer Autofahrt von lediglich 3.700 Kilometern; die der Katze einer von etwa 1.400 Kilometern.
 
Zum Turnier, zum Tierarzt und zur Zuchtschau - jetzt wird das Pferd gezogen, nicht andersrum. Und endlich kann der SUV mal zeigen, wozu seine PS gut sind. Für die meisten Halter ein luxuriöses Hobby, mit erschreckend schlechter Ökobilanz. © Thomas MalesUm ein umfassenderes Bild zu liefern, stellte ESU-Services ebenfalls die Umweltbelastung der kleineren Haustiervertreter dar – denn auch Kleinvieh macht bekanntlich Mist. Zwei Kaninchen, elf Vögel oder 100 Zierfische entsprechen demnach etwa der Ökobilanz einer Katze.
 
Fazit: Je größer das Tier, desto größer die negative Auswirkung auf die Umwelt. Allerdings gibt es weitaus mehr Hunde und Katzen als Pferde, womit sie in der Gesamtbilanz weiterhin ganz vorne liegen. Als einen ausschlaggebenden Faktor unterstreicht die Studie die Art der Haltung und Fütterung der Tiere.
 
B.A.R.F. verdreifacht die Hundeumweltbelastung
Früher bezog man Hundefutter direkt vom Schlachter oder Metzger. Nebenprodukte und Abfälle, die selbst in der Wurst keine Verwendungen mehr fanden, wie so manche Innereien oder Knochen, waren ein gefundenes Fressen für den heimischen Vierbeiner. Kurz gekocht, ging die Portion ab in den Napf.
 
Auch heute ist das nicht viel anders, denn ein Großteil der Bestandteile die in Dosen- und Trockenfutter zu finden sind, stammen aus den Resten unserer Lebensmittelproduktion. Angereichert mit Gemüse, Getreide, Mineralien und Proteinen, gekocht oder kaltgepresst, in Dosen verpackt oder als Pellet-Trockenfutter im Sack, hat der Hundebesitzer ein Vollfuttermittel, mit dem sein Hund rundum versorgt ist – im Idealfall, denn natürlich gibt es bei den handelsüblichen Futtermitteln auch große Qualitätsunterschiede. Fest steht aber, dass die verwendeten Schlachtabfälle und Nebenprodukte der Lebensmittelindustrie nur marginal zu Umweltbelastung beitragen.
 
Seit einiger Zeit gibt es einen Trend: Beim so genannten BARF (Biologically Appropriate Raw Food, zu deutsch: biologisch artgerechte Rohfütterung) wird ausschließlich Rohfleisch verfüttert, das es frisch oder vorgefrostet zu kaufen gibt. Da es extra für die Hundeernährung produziert werden muss, ist der negative Umwelteffekt entsprechend höher. Das BARF-Ernährungskonzept sieht drei Viertel Rohfleisch (Fleisch, Innereien, Knochen und Fisch) vor, das übrige Viertel besteht aus Gemüse. Besitzern wird angeraten, sich mit dem jeweiligen Bedarf des eigenen Hundes genauestens auseinanderzusetzen, damit dieser die benötigten Nährstoffe erhält. Ganz schön kompliziert und außerdem nicht ganz ungefährlich, denn in den rohen tierischen Produkten können sich Krankheitserreger befinden, die ein Infektionsrisiko mit sich bringen.
 
Es gibt diverse Gründe, die Hundebesitzer anführen, um eine Rohfütterung zu legitimieren: Es sei ursprünglicher, hochwertiger und werde angeblich besser verwertet. Selbst überzeugte Vegetarier vertreten teils diese Meinung, denn der Hund stamme ja schließlich direkt vom Wolf ab. Ein Vergleich, der, nach der Meinung von vielen Experten, hinkt. Der Hund ist ihrer Meinung nach seit Jahrtausenden ein domestiziertes Tier. Analog dazu habe sich auch seine Futterverwertung angepasst.
 
Die gute Nachricht
Trotz des erschreckenden Ergebnisses machen Haustiere gerade mal ein Prozent der gesamten, durch Konsum bedingten Umweltbelastungen aus. In erster Linie schlagen Ernährung, Wohnen und Mobilität zu Buche. Und was wir alle hören wollen: ESU-Services betont, dass es auch viele positive Auswirkungen der Haustiere gibt, die in die Bilanz nicht einfließen.
 
Studien zu den positiven Effekten von Haustieren auf die emotionale und körperliche Verfassung des Menschen sind bekannt. Außerdem könnte die Anschaffung von Pferd und Hund zu einem insgesamt umweltfreundlicheren Lebensstil beitragen. Wer einen Großteil seiner Freizeit draußen verbringt, hat weniger Zeit für umweltbelastenden Konsum und schärft im besten Falle auch sein Bewusstsein für die Umwelt. Wer da nicht erleichtert aufatmet!
 
von Sarah Ullmann

Umwelt | Klima, 01.03.2019
Dieser Artikel ist in forum Nachhaltig Wirtschaften 01/2019 - Time to eat the dog erschienen.
     
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